Teil 42

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Ich schnappe mir meinen Mantel und renne aus dem Gebäude, das ich von heute an nicht mehr meine Arbeit nennen kann. Morgen ist es aus. Aus und vorbei.
Mir laufen mittlerweile meine Tränen über die Wangen und ich bleibe an einer Hauswand stehen und fasse mir an mein Herz. Es tut so weh. Wieso tut es nur so verdammt weh?
Es fühlt sich an, als würde mir jemand mein Herz aus meiner Brust reißen und es dann vor meinen Augen zerreißen.
Ich befehle meinen Füßen, mich dennoch zu meiner Wohnung zu tragen.

Als ich dort ankomme, setze ich mich an meinen Küchentisch. Meine Tränen sind getrocknet, doch ich fühle mich innerlich verdammt leer.
Ich hatte noch nie Liebeskummer, aber ich bezweifle auch, dass ich jemals einen Mann so sehr geliebt habe, wie ich ihn liebe.
"Bescheuertes Herz", murmle ich in mich hinein und beschließe, mir erstmal eine Tasse Tee zu machen, um meine Nerven zu beruhigen.
Ich bekomme sämtliche Anrufe von Alex und Alexandra, auch Riley versucht ein paar Mal, mich zu erreichen.
Schnell schreibe ich in die Gruppe mit Alex und Alexandra, dass es mir nicht gut geht und ich nach Hause gegangen bin. Ich kann es gerade nicht gebrauchen, dass mich jemand mit Fragen zu Riley löchert, denn das würde zu sehr wehtun. Ich ziehe mir ein großes T-Shirt an, das Riley das letzte Mal bei mir vergessen hat, und hülle mich in meine Bettdecke, bevor ich Netflix starte und meine Serie fortsetze.

Es ist mittlerweile zwei Uhr morgens und ich bin immer noch hellwach. Meine Augen wollen nicht zugehen, denn jedes Mal wenn ich sie schließe, sehe ich Riley vor meinem geistigen Auge und es bringt mich beinahe um.
Das Klingeln meiner Wohnungstür lässt mich aufschrecken und ich schaue mit großen Augen auf meinen Wecker, der neben meinem Bett steht. Wer klingelt bei mir um diese Uhrzeit?
Ich stehe langsam auf und laufe zur Tür. Ich wette, dass ich aussehe wie der Tod. Meine Augen sind geschwollen und meine Haare sind zu einem unordentlichen Dutt zusammengeflochten.
Gähnend spähe ich durch den Spion, aber niemand steht vor der Tür. Merkwürdig. Langsam sperre ich auf und genauso langsam öffne ich die Tür auch.

Ich traue meinen Augen nicht. Riley steht verschwitzt vor meiner Tür.
Ich reibe mir meine Augen, um sicherzugehen, dass das hier kein Traum ist.
"Kann ich reinkommen?", tritt er vom einen auf das andere Bein. Jepp, das ist definitiv kein Traum.
Ich bin zu müde, um mich zu wehren, und lasse ihn einfach eintreten.
Erst als er sich auf mein Bett setzt, fallen mir seine glasigen Augen auf. Verdammt. Er sieht furchtbar aus, aber das ist mir egal.
Ich stelle mich vor ihn und verschränke die Arme vor der Brust. "Was willst du hier, Riley?", frage ich gespannt. Ich bin total ausgelaugt und dass Riley jetzt hier auf meinem Bett sitzt, gibt mir noch den Rest.
Dennoch rühre ich mich nicht vom Fleck und bleibe stur stehen, selbst als er neben sich auf die Matratze klopft, bewege ich mich keine Zentimeter.
Er stütz den Kopf in seine Hände und rauft sich die Haare. "Verdammt, Lina."
Ich lache. "Also wenn du jetzt hergekommen bist, um mich zu beleidigen, da ist die Tür", zeige ich theatralisch auf die Wohnungstür hinter mir.
Er schaut mich komisch an, schüttelt dann aber den Kopf. "Nein", atmet er schwer aus, bevor er aufsteht und sich vor mich stellt.

Er nimmt meine Hände in seine und blickt mir tief in die Augen. "Du bist nicht nur eine einfache Assistentin für mich", gibt er zu und ich schlucke trocken.
Ich erwidere nichts und warte, bis er fortfährt. "Du bist so viel mehr. Weißt du, dass ich noch nie eine andere Person, als mich selbst, geliebt habe? Für dich habe ich so viele meiner durchdachten und im Endeffekt schwachsinnigen Regeln gebrochen. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich kann nicht mehr aufhören, an dich zu denken", flüstert er beinahe. Ist das Rileys verkorkste Art, mir seine Liebe zu gestehen?
"Als ich das von dir und Amir erfahren habe, war ich sauer und ich habe an diesem Tag an meiner Bürotür gestanden und habe euch belauscht. Es hat mir irgendwie, naja, das Herz gebrochen, dass er dich zum Lachen bringt und ich dich immer nur zum Weinen bringen konnte", sagt er mit tiefer Stimme, "vielleicht glaubst du es mir nicht, aber verdammt ich habe mich auch in dich verliebt, aber ich weiß nicht, wie man jemanden liebt und du...", macht er eine kurze Pause, "du musst mir helfen, mir zeigen, wie man richtig liebt, denn ich kann mit meinen Gefühlen nicht wirklich umgehen und ich dachte nie, dass ich jemals in so einer Situation sein werde wie gerade eben."
Er wirkt gebrochen, aber ich kann ihn nicht in meine Arme schließen. Es funktioniert einfach nicht.
"Ist das Alles?", frage ich nach einer Weile und entreiße ihm meine Hände wieder.
Er starrt mich mit offenem Mund an und blickt sich dann hektisch um. "Was meinst du damit?" "Bist du fertig?"
Er nickt knapp und fasst sich in den Nacken. "Kannst du dann bitte gehen?", sage ich ausdruckslos, obwohl es mir mein Herz zerreißt, diesen Satz zu ihm zu sagen. "Ich will dich nicht mehr sehen." Meine Miene ist ausdruckslos, doch in mir drinnen bricht meine Welt gerade zusammen.
Riley schüttelt den Kopf und versucht, meine Hände zu nehmen, doch ich lasse es nicht zu.
Ich trete einen Schritt zur Seite und er versteht. Er setzt sich in Bewegung und bleibt noch kurz vor meiner Wohnungstür stehen. „Weißt du, du verhältst dich auch nicht gerade fair. Du hast Amir betrogen und du sagst, ich spiele Spiele, aber was machst du dann, Lina?"
Mit diesem Satz geht er aus meiner Wohnung und aus meinem Leben.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt