Teil 6

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Bei Alex' Lieblingsitaliener handelt es sich um ein kleines rustikales Restaurant. Es sind ausschließlich Holzmöbel und die Lampen hängen von den hohen Decken herunter, sodass sie beinahe die Tische berühren.
"Wow", blicke ich mich um und Alex lacht.
"Es ist zwar nichts Besonderes, aber aus irgendeinem Grund liebe ich die Atmosphäre hier einfach", sagt er und geht auf einen der Kellner zu, der uns zu einem Tisch auf der Terrasse führt.
Hier zieht es wenigstens nicht so und ich kann meine Jacke guten Gewissens wieder ausziehen. Alex zieht einen der Stühle hervor und deutet mir an, mich zu setzen.
Ich lächle ihn an und setze mich schließlich an den kleinen Tisch, an dem nur Platz für genau zwei Personen ist.

Auf Alex' Empfehlung hin bestelle ich mir die Spaghetti Carbonara und er sich eine Pizza mit Artischocken.
Als das Essen dampfend zu unserem Tisch gebracht wird, ziehe ich die Nase kraus. Alex blickt mich verwirrt an. Ich schüttle den Kopf. "Ich verstehe echt nicht, warum so viele Menschen Artischocken mögen", greife ich nach meiner Gabel, um sie mit Spaghetti vollzuladen.
"Artischocken sind gut fürs Herz. Noch nie gehört? Kennt man wohl eher nicht so auf Hawaii oder?"
Ich nicke und stecke mir die Gabel mit Spaghetti in meinen Mund. Es ist eine wahre Geschmacksexplosion in meinem Mund und ich stöhne leicht auf. "Die Carbonara schmeckt ja super", tupfe ich mir den Mund mit meiner Serviette ab.
"Sag ich doch", zwinkert Alex mir zu.

Wir essen eine Weile, bis ich das Schweigen breche.
"Also wie ich schon gesagt habe, meine Mutter kommt aus Hawaii und mein Vater aus Tschechien. Er hat sie damals im Urlaub auf Hawaii kennengelernt. Es war eigentlich nur ein kleiner Flirt und sie hatten einfach etwas Spaß. Das dachten sie zumindest", räuspere ich mich, da es mir irgendwie unangenehm ist.
Alex greift über den Tisch nach meiner Hand, was mich überrascht, aber ich lasse sie einfach an Ort und Stelle liegen, denn ich will die Situation nicht unnötig verkomplizieren.
"Wie dem auch sei. Mein Vater ist wieder zurück nach Hause geflogen und meine Mutter wurde unerwartet schwanger von einem Mann, von dem sie nichts hatte außer ihre Erinnerung. Sie hat versucht, ihn ausfindig zu machen, aber vergeblich. Als sie dann mittlerweile schon im sechsten Monat war und man die Kugel schon gesehen hat, tauchte mein Vater wieder für seinen Sommerurlaub auf. Als er sie gesehen hat, meinte sie, ist ihm sein perfektes Lächeln etwas verrutscht. Sie setzte daran, ihm die Situation zu erklären. Doch er schaltete auf stur und leugnete sein Kind... also mich. Er hat meine Mutter damit alleine gelassen und hat sich einfach in den nächsten Flieger gesetzt und ist wieder zurückgeflogen", atme ich schwer aus. "Ich habe ihn noch nie getroffen. Das Einzige, das ich von ihm habe, ist mein Nachname."
Alex hat während meinem Monolog keinen einzigen Ton gesagt und nur ein paar Mal genickt und meine Hand gedrückt.
"Wow, das ist ganz schön viel auf einmal", bringt er heraus und zieht seine Hand von meiner runter.
Ich nicke und nippe an meinem Weinglas. "Es ist halb so schlimm, glaub mir. Denn du kannst schließlich nichts vermissen, das du nicht kennst, oder?"
Alex legt die Stirn in Falten und sieht nachdenklich aus, bevor er schließlich mit dem Kopf schüttelt. "Eigentlich nicht, nein. Waren deine Eltern verheiratet?"
Die Frage trifft mich völlig unvorbereitet und ich verschlucke mich beinahe an meinem Weißwein. Erst nach ein paar Sekunden, verstehe ich es.
„Meine Eltern haben damals betrunken geheiratet in der gleichen Nacht, in der ich gezeugt wurde", haue ich mir gegen den Kopf. "Ich dachte, so etwas gibt es nur im Film."
Alex nickt nur und senkt seinen Blick auf das letzte Pizzastück auf seinem Teller.

Nach dem Essen laufe ich nach Hause und lege mich direkt ins Bett. Irgendwie war der erste Arbeitstag mit meinem neuen Boss echt auslaugend.
Nach zwei Stunden Netflix Bingewatching, schlafe ich schließlich ein.
Das gesamte Wochenende besteht aus endlosen Telefonaten mit Kelly, die mich selbstverständlich über Billingsley ausquetscht, Netflix und heißer Schokolade. Ich muss gestehen, dass ich heiße Schokolade liebe egal zu welcher Jahreszeit.
"Und bist du schon nervös, wenn du morgen wieder auf Mr. Hot triffst?", höre ich meine beste Freundin fragen.
Ich schaue angewidert das Handy an. "Mr. Hot?", frage ich, "du übertreibst es ganz schön."
"Hast du Augen im Kopf? Der Typ ist ja wohl eine glatte 10/10", lacht Kelly mir ans Ohr und ich lache ebenfalls und wünsche mir, dass sie gerade bei mir wäre, denn dann könnte ich sie für diesen Kommentar schlagen.
Das Schlimmste ist, dass sie demnächst für einen Monat nach Spanien geht, um ihren Vater zu besuchen. Ich gönne es ihr zwar, dass sie zum ersten Mal ihren Vater trifft, aber irgendwie will ich hier nicht ohne sie sein.
Durch meinen neuen Job habe ich die Tatsache gut verdrängt, aber jetzt wird es mir langsam schmerzlich bewusst.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt