Teil 4

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Ich stehe wie angewurzelt da und bewege mich keinen Zentimeter. Ich glaube, dass ich nicht einmal atme.
Da steht er vor mir: Mr Billingsley. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass diese Bilder kein bisschen der Realität entsprechen. Er ist groß und muskulös und hat die Ärmel seines Hemdes etwas zurückgekrempelt, wodurch man einige Tattoos darunter erkennen kann.
Sein Gesicht ist markant und seine Augen strahlen wie zwei Smaragde. Damit könnte er definitiv Leute hypnotisieren.
Jetzt räuspert er sich erneut und ein Schauer durchläuft mich. Ich schüttle mich und laufe mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
Er blickt auf meine Hand und überlegt ernsthaft für einen Moment, mir nicht die Hand zu geben, schüttelt sie aber schließlich.
Er sieht einschüchternd aus und sein Blick bereitet mir eine Gänsehaut.
"Sie müssen also Ms Koslow sein?", ertönt seine tiefe Stimme und eine Hitze breitet sich in meinem gesamten Körper aus. Verdammt. Reiß dich zusammen, Lina.
Ich nicke nur trocken, da ich zu etwas Anderem momentan definitiv nicht in der Lage bin.
Er sieht mich prüfend an mit einer nachdenklichen Falte auf der Stirn. "Gesprächig sind Sie ja nicht gerade", rollt er mit den Augen und geht an mir vorbei und öffnet die Tür zu seinem Büro.
In der Tür bleibt er kurz stehen. "Sie mussten mir heute keinen Kaffee bringen", sagt er trocken und schließt dann die Tür seines Büros mit einem Knall, sodass ich erschrecke.
"Ein Danke hätte es auch getan, Arschloch", flüstere ich, als ich mich wieder an meinen Platz setze.

Mr Billingsley hat sich den gesamten Vormittag nicht blicken lassen und ich mich auch nicht bei ihm, denn Alexandra meinte schließlich zu mir, dass er das nicht leiden kann, und ich habe keine Lust, dass er noch schlechtere Laune bekommt. Pünktlich um 12 Uhr kommt er aus seinem Zimmer gelaufen und geht an meinem Schreibtisch vorbei, ohne mich zu beachten.
Ich beiße die Zähne zusammen, um ihm nichts hinterherzurufen. Leider habe ich die Angewohnheit, immer zu viel zu sagen, was mir häufig eine Menge Ärger einbringt.
Ich verzichte auf die Mittagspause und arbeite einfach weiter.
Auch als Mr Billingsley wieder in sein Büro geht, wirft er mir nicht einmal einen Seitenblick zu. Ich frage mich echt, was sein Problem ist.
Es ist jetzt mittlerweile 15 Uhr und ich weiß, dass ich freitags eigentlich schon eher nach Hause gehen kann. Dennoch frage ich lieber nochmal den Chef.

Ich stelle mich vor die große Tür und atme ein paar Mal tief ein und aus, bevor ich klopfe. "Mhm", ertönt es von der anderen Seite der Tür. Ich rolle mit den Augen und setze ein gespielt freundliches Lächeln auf, als ich das Zimmer betrete.
"Entschuldigung, Mr Billingsley, aber ich wollte Sie nur fragen, ob es in Ordnung ist, wenn ich jetzt gehe? Ich habe meine Aufgaben bereits erledigt."
Ich weiß nicht, ob ich Lob erwartet habe, aber auf jeden Fall hebt er nun seinen Blick von den Blättern vor sich auf seinem Schreibtisch. Er scannt mich von oben bis unten ab und schluckt einmal tief, bevor er wieder seine Stirn in Falten legt. "Wenn Sie meinen", vertieft er sich wieder in seine Arbeit.
Was soll das denn für eine Antwort sein? "Entschuldigung?", hake ich nochmal nach und verschränke die Arme vor meiner Brust.
Jetzt schaut er wieder auf und sein Gesichtsausdruck ist leer. "Ich sagte: wenn Sie meinen", zuckt er mit den Achseln.
"Also ist das okay oder brauchen Sie mich hier noch?" Langsam werde ich ungeduldig und schaue auf meine Armbanduhr.
"Wenn Sie denken, dass Sie mit ihrer Arbeit fertig sind, dann können Sie schon gehen." Er schaut mich nicht einmal an.
Ich balle meine Hände zu Fäusten, sodass die Knöchel weiß hervortreten. "Okay. Bis Montag", sage ich trocken und spüre seinen Blick auf meinem Rücken liegen, als ich sein Büro verlasse.

Schnell schnappe ich mir meine Jacke und Tasche und laufe zum Aufzug. Ich drehe mich noch einmal kurz um und stoße dann gegen ein bekanntes Gesicht.
Er hält mich an den Armen und grinst mich breit an. "Hoppla."
"Oh mein Gott, Mr Cohen. Das tut mir wahnsinnig leid. Vielleicht sollte ich beim Gehen lieber nach vorne schauen anstatt zurück", lache ich. Wir befinden uns nach wie vor in der Position und keiner rührt sich.
Wir blicken uns in die Augen und seine blauen Augen strahlen mich an. "Sie können mich übrigens Alex nennen."
Ich schaffe es nicht, etwas zu erwidern. Sein Blick fesselt mich und ich nicke nur trocken.
Der Moment wird unterbrochen durch ein Geräusch, das ich heute schon mehrere Male gehört habe.. leider. "Mr Cohen, Ms Koslow", steht Mr Billingsley mit verschränkten Armen vor uns, "ich denke nicht, dass ich Sie zwei dafür bezahle, hier in meinem Gang zu flirten." Mit diesem Satz drängt er sich an uns vorbei und wir schauen uns nur gegenseitig an.
Alex schaut mich fragend an und ich zucke nur mit den Schultern. Ich habe nach wie vor keine Ahnung, was sein Problem ist.

UnmoralischWo Geschichten leben. Entdecke jetzt