Aftershave und Alkohol

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Emma

Nervös stand ich in diesem großen Saal, inmitten von so vielen Fremden, die sich meine Gemälde ansahen. Nie im Leben hätte ich gedacht oder erwartet, dass jemand sich überhaupt meine Kunst anschauen würde. Noch vor zwei Monaten saß ich mit meiner Freundin Sue in meiner Wohnung, tranken Wein und unterhielten uns darüber, wie es wäre, wenn ich meine Gemälde veröffentlichen würde. Und heute, nachdem das Magazin ARTVIEW einige meiner Bilder auf Instagram gelikt und geteilt hatte, stehe ich nun hier auf meiner eigenen Kunstausstellung.

Diese Reizüberflutung brachte mich dazu, etwas an den Rand des Saales zu gehen und das bunte Treiben der Menschen von außen einzuschätzen. Es erfüllte mich mit Stolz und Freude, dabei zuzuschauen, wie diese Fremden meine Gemälde betrachten und dadurch Gesprächen führte. Es wirkte so unrealistisch, fast schon wie in einem Traum. Immer wieder traten Personen an mich heran, gratulierten mir und sprachen mir die besten Wünsche für mich und meine Kunst aus. Vereinzelt kamen auch Interessenten, die meine Gemälde kaufen wollten. Ich war so überwältigt, dass ich am Anfang nicht bemerkte, wie ein Mann in einem grauen Anzug und Halbglatze immer wieder um mich herum schlich, bis er mich ansprach.

„Eine wirklich interessante Ausstellung für so eine blutjunge Künstlerin", meinte er und hielt mir seine Hand hin. Höflich, wie ich war, nahm ich seine, worauf er meinen Handrücken an seine Lippen führte. Sofort fühlte ich mich unwohl in seiner Nähe und entzog ihm wortlos meine Hand. „Vielen Dank, ich hoffe, Ihnen gefallen meine Gemälde", meinte ich und drehte mich zu dem offenen Saal, um einen Fluchtweg zu suchen. Mein Blick schweifte über die Menschen und die verschiedenen Wege, die ich nehmen könnte, um von diesem Mann wegzukommen. Er strahlte etwas Unheimliches aus. Er trat noch einen Schritt näher, dass ich sein widerliches Aftershave riechen konnte. „Nicht nur die Gemälde, Liebes", brummte er in einem sehr unangebrachten Ton und begann mich von oben bis unten zu betrachten.

Ich konnte spüren, wie er mich förmlich mit seinem Blick auszog. Nun fühlte ich mich in meinem langen, rückenfreien schwarzen Kleid gar nicht mehr wohl. „Mein Name ist Colt Brenner, Vertreter der internationalen Künstlervermittlung. Ich sehe ein großes Talent in ihnen, Miss Smith. Mit den richtigen Kontakten können sie weltweit berühmt werden", schleimte er und begann meinen freien Oberarm zu streicheln. Mein Herz raste. Das war mehr als unangenehm. „Mit meiner Hilfe könnten sie sehr berühmt werden", machte er mit Nachdruck klar und rückte noch näher an mich heran, dass sein Anzug schon meinen Körper fast berührte. Mit einem kleinen Schritt nach vorne entzog ich mich seiner aufdringlichen Art. „Vielen Dank für dieses Angebot. Sollte ich mich dazu entscheiden, berühmt werden zu wollen, werden ich sofort bei Ihnen melden, Mr. Brenner", meinte ich etwas genervt und angewidert, worauf ich mich von ihm entfernte.

Ich brauchte dringend Luft und suchte die Tür zur großen Terrasse. Dieser Saal machte mich verrückt mit den vielen Türen und Fenstern. Genau in diesen Moment wünschte ich mir, dass Sue hier wäre. Mit ihr wäre alles viel leichter und angenehmer. Als ein Kellner mit einem Tablett voll Champagnergläsern an mir vorbeilief, stoppte ich diesen und fragte ihm nach der richtigen Tür. Er begann freundlich zu schmunzeln. „Die Tür befindet sich genau hinter ihnen, Miss Smith", erklärte er mir, grinste und zeigte mit dem Finger hinter mich. Es war mir schon etwas unangenehm und lächelte verlegen. „Vielen Dank", flüsterte ich leise, nahm mir vorsichtig ein Glas von seinem Tablett und lief zur Tür. Wie seltsam es sich anfühlte, dass jeder meinen Namen kannte, dem ich heute begegnet war. Selbst dieser gut aussehende Kellner wusste, wer ich war.

Als sich meine Hand auf die Türklinke legte, fühlte ich mich beobachtet und drehte mich noch einmal um und sah in das lächelnde Gesicht des Kellners. Er war wirklich attraktiv und chic gekleidet, was mich etwas stutzig machte. Noch nie hatte ich einen Kellner in weißem Hemd und schwarzer Hose gesehen, der so verdammt gut aussah. Mit einem weiteren Lächeln prostete ich ihm mit meinem Glas zu und trat nach draußen an die frische Luft. Eigentlich war der Abend da, meine Kunst zu feiern, aber irgendwie war mir mehr nach Flucht. Doch ich konnte nicht einfach verschwinden. Ich hatte eine gewisse Anwesenheitspflicht zu erfüllen. Doch hier draußen konnte ich wenigstens etwas Abstand von diesem Trubel dort drinnen nehmen. So schön ich es fand, diese Aufmerksamkeit und Bewunderung meiner Kunst zu bekommen, würde mich das auch freuen, ohne diesen Menschenauflauf.

Breathtaking || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt