44 - Sich geschlagen geben (wortwörtlich)

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(ca. 6500 Wörter)

𝐀𝐋𝐈𝐓𝐀
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Der nächste Tag war angebrochen.
Ich hatte bis in den späten Vormittag geschlafen, war aber dennoch so verpennt, dass ich während der Suche nach meinen Nike-Latschen zweimal über meine eigenen Füße und auf meinen Flauscheteppich fiel und mich dann noch wunderte, weshalb mich Fabio so verwundert ansah, als ich mich in einer viel zu großen Jogginghose und einem zu kurzen und vermutlich auch zu kleinen Croptop auf den Weg zum Kühlschrank begab. Es war mir im Gegensatz zu meinem Mitbewohner nicht einmal aufgefallen, dass die Hose so locker saß, dass sie mir beinahe über den Hintern runter rutschte, weshalb er mich kurz nachdem ich die Milch rausgeholt hatte, an den Oberarmen packte, mich vor ihn manövrierte, die Hose bis zu meiner Taille hochzog und eine Schleife band. Verwirrt blickte ich zu ihm hoch.

„Hallo? Das soll da sitzen.", wies ich ihn zurecht und drehte mich dann von ihm weg, um mir das Müsli aus dem Regal zu holen.

„Ich sehe deinen Tanga schon von 20 Metern Entfernung.", protestierte er.

„Du hast Wahnvorstellungen."

„Ist das so? Wenn ich dir dann sage, dass er aus Spitze besteht und dunkelblau ist, liege ich dann falsch, weil ich es mir nur einbilde? Ich muss gleich zu einem Meeting und das kann ich schlecht, wenn du mir Probleme bereitest."

„Tue ich doch gar nicht!"

„Doch, und das weißt du." Er holte einen Löffel aus dem Schubkasten und legte ihn mir hin.

Ich stellte die Packung Müsli zurück an ihren Platz und beäugte Fabio skeptisch. Heute trug er wieder einen Anzug. Maßgeschneidert selbstverständlich. Und wenn ich so an ihm herab sah, fiel mir nichts auf, was darauf hindeutete, dass er hart wurde. Einerseits schade, denn ich hätte mich gerne drüber lustig gemacht, andererseits besser so, weil ich somit gut kontern konnte. „Es gibt keine Beweise, dass ich dich in irgendeinem Fall behindere."

„Wenn du nur wüsstest."

Ich setzte mich auf einen der Barhocker an der Kücheninsel und begann zu frühstücken. „Wenn ich nur wüsste? Was weiß ich denn nicht? Kläre mich auf."

„Nein.", sagte er und lehnte sich naserümpfend an die Arbeitsplatte mit dem Blick zu mir. „Deine Fantasie ist fortgeschritten genug, um sich das ausmalen zu können."

Denke ich das nur, oder hat er heute keine so gute Laune?

„Ich bin bis 13:00 Uhr auf Arbeit. Danach hole ich dich ab. Steht dein Outfit schon?"

„Ein Kleid, dachte ich."

Skeptisch hob er die Augenbrauen. „Welches?"

„So ein hellblaues. Da sind Blumen drauf und es hat Carmenträger."

„Was?"

„Das sind solche, die nicht über die Schultern-"

„Wir gehen in dein Zimmer. Zeig es mir." Und schon ging er voraus, bevor ich etwas einwenden konnte.

Still schweigend lief ich ihm hinterher die Treppen hinauf.

Ich hatte es bis jetzt ignoriert, aber seine heute sehr angespannte und dazu noch wortkarge Mine ließ mich etwas stutzig werden. Klar, er war ein Geschäftsmann. Klar, er war irgendwo der Boss. Aber das hatte ihm nie den Spaß daran genommen, mir Ironie zukommen zu lassen oder mich etwas necken zu wollen. Wenn ich das jetzt bei ihm machen würde, stieße ich wohlmöglich nur gegen eine große Mauer, die seine Emotionen wie antrainiert und wie von einem Mafiachef erwartet zurückhielt. So langsam konnte ich mir ausmalen, woran das lag.

The Enemy's Addiction (Alte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt