Schräg, nicht?

5.2K 251 11
                                    

Chris verließ die Wohnung zwanzig Minuten bevor Simon mit einem gewaltigen Kater durch die Eingangstüre schritt.
Er legte sich wieder hin, bis wir zusammen zu Mittag aßen.
Kauend und schweigend saßen wir uns gegenüber, bis er plötzlich stutzte.
"Trägst du meinen Ring nicht sonst immer?"
Mein Herz blieb stehen als ich auf meine Hände blickte.
"Scheiße!"
Rief ich und durchsuchte eine Stunde lang sämtliche Räumlichkeiten unserer Wohnung, bis ich verzweifelt im Schlafzimmer stehen blieb und zum wahrscheinlich hundertsten mal unter dem Bett nachsah.
Dann überkam mich die Erinnerung an meine waghalsige Aktion in Carters Gästezimmer.
Ächzend rappelte ich mich auf und fuhr mir verzweifelt durch die Haare.
Ich hatte meinen Ring verloren... und noch viel schlimmer, was wenn jemand das schöne Stück fand?
Würde jemand wissen dass es meiner war?
Würde jemand wissen dass ich an diesem Abend in diesem Zimmer war?
Ich wollte gar nich erst an die Folgen meines Übermutes denken.
"Beruhig dich doch Zada! Ich kaufe dir einen neuen."
Fassungslos klappte mein Mund auf.
Dieser Ring band mich an ihn und er konnte ihn einfach so ersetzen?
"Ich werde mich nicht beruhigen!"
Fauchte ich also.
"Ich fahre ihn suchen. Bin bald wieder da."
Mit einem letzten Blick auf mein nicht fertig gegessenes Mittagessen rauschte ich aus der Wohnung.
Zu gut konnte ich mir vorstellen wie Simon sich wieder an den Tisch setzte, meinen Teller verräumte, sich noch ein Glas Wein eingoss und schulterzuckend weiter aß.

"Zada? Das ist ja eine Überraschung dich zu sehen!"
Freudig umarmte mich Carters Verlobte.
Ich ließ mich zu einem Glas Sekt mit ihr überreden und kam ganz beiläufig darauf, ob vielleicht ein Ring gefunden worden war.
"Nicht dass ich wüsste!"
Antwortete Nicole und plapperte munter weiter über die Hochzeitsvorbereitungen.
"Wann geht ihr das Thema jetzt eigentlich an?"
Das erste Mal während dem gesamten Gespräch redete sie nicht über sich selbst.
Mich ertappt fühlend wand ich mich.
"Wir haben da überhaupt noch nicht dran gedacht, wir haben beide so viel zu tun..."
"Ach ja, ich auch!"
Und weiter ging das Geschwafel.
Dann kam mir eine Idee.
"Sag mal, wie wollt ihr das eigentlich während der Hochzeit mit den Gästen machen? Habt ihr ein Hotel organisiert?"
Nicole kicherte.
"Oh nein, die wohnen dann alle hier!"
"So viele Gästezimmer habt ihr?"
Sie nickte.
"Für unsere kleine Runde reichts."
"Können wir uns ein Gästezimmer mal anschauen? Ich will bei uns in der Wohnung auch eins einrichten, und an welcher Einrichtung könnte man sich besser orientieren als an eurer?"
"Ja klar können wir uns eins anschauen!"
Einen Moment lang schien sie verdutzt gewesen zu sein, doch dann führte sie mich in den Korridor mit den Zimmern.
Eigentlich wollte sie eine andere Türe öffnen, aber wie unabsichtlich lief ich in eine andere Richtung.
"Achso, ja da können wir auch hin."
Sie machte mir die Tür auf und ließ mich Vorgehen.
Es war das richtige Zimmer.
Sofort ließ ich den Blick schweifen, doch ein Ring war nirgends zu sehen.
"Ah ich liebe die Vorhänge!"
Ich verdeckte meine Nervosität und Enttäuschung mit einem Lächeln.
"Jaja, du wirst mir die Geschichte gar nicht glauben wie ich die gekriegt habe!"
Bei ihrem erneuten Gerede schaltete ich ab und Strich abwesend über die schweren Brokatvorhänge.
Wie ich Nicole beneidete.
Sie war so simpel gestrickt dass sie glaubte das große Glück gefunden zu haben.
Sie würde Carter heiraten, nie wieder arbeiten müssen, bald ein Kind bekommen und über jeden Fehler ihres Mannes hinwegsehen,er würde nie da sein und doch der ihrer Meinung nach beste Ehemann dieser Welt.
Sie war das, was das beste für ein Mädchen war, in dieser grauen, unfairen Welt: Ein kleines, schönes Dummchen.
"Kann ich dich irgendwo hinfahren Zada? Ich muss zu einer Kleidanprobe."
Ich schreckte hoch.
"Nein, Nein, ich bin mit dem Motorrad da."
Sie seufzte.
"Dann fahr vorsichtig.
Wir sehen uns bestimmt bald?"
Ich nickte und setzte ein strahlendes Lächeln auf, als wäre das Gespräch über Vorhänge das erfüllendste meines Lebens gewesen.
Auf meiner Harley musste ich erst einmal tief durchatmen.
Was jetzt?
Der Ring schien wegzusein, und wenn Simon doch fragte wo ich ihn verloren hatte?
Auf der Heimfahrt überlegte ich mir eine einigermaßen plausible Ausrede und konnte Simon wieder etwas beruhigter gegenübertreten.

"Kommt ihr beiden rein? Oma sagt das Essen ist fertig."
Frank stand in der Balkontür des Hauses von Charlies Eltern und betrachtete mich und Charlie neugierig.
Ich hatte ihm gerade von der Ring-Affäre berichtet, er meinte ich sollte sie als Zeichen sehen.

"Du bist ja ganz blass Schätzchen, der ganze Stress in deiner blöden Zeitung tut dir nicht gut. Ich habe Jason immer wieder gesagt dass es nicht das richtige ist dich die Leitung übernehmen zu lassen, aber er hat geglaubt dass du das schon schaffst."
Maria gab ihrem Mann einen Klaps auf den Hinterkopf und setzte sich endlich, die letzten zehn Minuten hatte sie damit verbracht den großen Esstisch im Wohnzimmer mit Tellern mit Essen zu beladen.
Jason hob abwehrend die Hände und ich musste lachen.
Als ich jedoch nach meiner Gabel griff schnappte meine Ziehmutter laut nach Luft.
"Du hast diesen Knallkopf endlich in den Wind geschlagen? Ich muss schon sagen, das wurde auch Zeit..."
"Nein, habe ich nicht Ma."
Ich hatte mir angewöhnt die beiden Ma und Pa zu nennen, sie waren ja auch rechtlich gesehen meine Fast-Eltern.
Sie und Jason zogen eine enttäuschte Schnute.
Hilfesuchend blickte ich zu Charlie und Rose, die aber beide nur mit den Schultern zuckten.
"Ich habe meinen Ring verloren."
Nuschelte ich, zu meinem Braten gewandt.
"Siehst du kleines, das ist ein Zeichen! Der Kerl ist dich nicht wert."
Pa nickte zustimmend.
"Aber ich hab doch Ja gesagt..."
Beharrte ich.
"Jetzt hör mir mal zu.
Ich war auch Verlobt als ich deinen tollen Ziehvater hier kennengelernt habe."
Mein Mund klappte auf, und Maria griff selig lächelnd nach der Hand ihres Mannes.
Ihr Blick war gerade in die Vergangenheit gewandert, mit verträumtem Blick begann sie zu erzählen.
"Der junge Mann hatte alles was sich eine Frau wünschen konnte.
Er kam aus gutem Hause, hatte eine gute Zukunft vor sich und war gesund genug Kinder zu zeugen, damals war das noch wichtiger."
"Mom!"
Rief Charlie entrüstet und hielt Frank die Ohren zu, im Hintergrund gluckste Grace auf.
Mit einem Winken brachte Maria ihren Sohn zum Schweigen und erzählte weiter.
"Aber dann habe ich Jason kennengelernt, und lange Rede, kurzer Sinn, mir wurde Bewusst dass ich mit nur einem Mann mein Leben verbringen will.
Es war natürlich Anfangs äußerst peinlich als er auf unserer Hochzeit auftauchte, mit seiner neuen Verlobten, aber er war der beste Kindheitsfreund von Jason und ich habe mich mit ihm gutgeredet.
Ein Jahr später haben ich und seine Frau im gleichen Krankenhaus entbunden."
Charlie und ich blickten uns geschockt an.
"Du warst mit meinem Vater Verlobt?"
Jason und Maria glucksten belustigt.
"Schräg, nicht?"

Just in time (Chris Evans FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt