Verdammte Oscars

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"Ich will nicht mehr!"
Maulte ich, als wir gerade das wahrscheinlich hundertste Geschäft verließen.
"Ihr habt doch alles was ihr gewollt habt."
Fügte ich noch hinzu, in der Hoffnung meine drei Folterer vielleicht zu einem Stop in einem Bistro überreden zu können.
"Wir schon, aber du brauchst noch ein Kleid für die verdammten Oscars!"
Flötete Rose und hopste neben mir auf und ab.
"Hör auf so missmutig zu sein, da macht das quälen gar keinen Spaß."
"Du solltest dir die Bedeutung von quälen vielleicht noch mal durch den Kopf gehen lassen."
Murrte ich.
Sarah hopste ein paar Schritte nach vorne und stellte sich vor mich, dann zog sie meine Mundwinkel nach oben.
"So, das bleibt jetzt so."
Gegen meinen Willen musste ich Lachen.
"Geht doch."
Grinste Scott und deutete dann auf einen Laden.
"Sieht aus als gäbe es da Roben."

Diesen Laden zu betreten stellte sich schon zehn Minuten später als ein riesiger Fehler heraus.
Sarah und Rose brachen alle zehn Sekunden in mädchenhaftes Gequietsche aus und dirigierten den Angestellten zu einem Kleid nach dem anderen, das der in eine der großen Umkleiden trug.
Als selbst die geräumige Umkleide bald eng wurde von Kleidern, quetschten sich Scott, Sarah und Rose auf das rote Samtsofa vor meiner Umkleide und ließen sich mit Sekt und Orangensaft bedienen, von einer etwas bedrückt aussehenden anderen Angestellten.
Die arme würde das ganze nachher aufräumen müssen.
Während ich die ersten Kleider anprobierte und systematisch nach 'vielleicht' und 'auf gar keinen Fall' ordnete, begannen sich meine Freunde auf dem Sofa über Gott und die Welt zu unterhalten, und unterbrachen ihr Gespräch nur um ihre Meinung über eines der Kleider preiszugeben.
"Lach nicht, Scott, aber ich hab wirklich schon 3 kilogramm zugenommen! Und langsam fängt man an das ganze auch noch zu sehen..."
Sarah begann, alle Nachteile einer Schwangerschaft aufzuzählen, und sich darüber zu beschweren, wie sehr sich doch alles veränderte.
Dabei bemerkte niemand der drei, dass sich der Vorhang zu meiner Umkleidekabine schon länger nicht mehr geöffnet hatte.
Ich stand in einer, zugegeben traumhaften, Robe von Versace vor dem Spiegel, ballte die Fäuste, und versuchte mich zu beruhigen.
Doch je länger Sarah redete, desto größer wurde dieser Druck auf meiner Brust.
Ja, ich hatte mich entschieden weiterzumachen, doch trotzdem belastete es mich immer noch.
So kam es, dass ich plötzlich verzweifelt nach Atem ringend den schweren Vorhang zur Seite zog und ehe ich es mich Versah Sarah anschrie.
"Kannst du bitte nur ein mal aufhören dich darüber zu Beschweren wie schlimm es ist schwanger zu werden?"
Ich begann zu schluchzen und merkte gar nicht, dass ich gerade eine ernste Panikattacke hatte.
Hilflos stampfte ich mit dem Fuß auf und versuchte die Tränen mit den Hände wegzuwedeln.
"Das Kleid... Das Kleid ist zu eng!"
Rose schien als einzige zu wissen, was gerade passierte, sie sprang auf, legte ihre Hände um mein Gesicht und begann beruhigend auf mich einzureden.
"Alles ist gut, schau mir in die Augen. Wir probieren einfach ein anderes Kleid, und dann erzählst du uns in aller Ruhe was dich bedrückt, okay?"
Ich schniefte und nickte.
Rose folgte mir in die Umkleide, und im Spiegel sah ich, wie sie Sarah und Scott einen bösen Blick zuwarf.
"Probier das hier doch mal an."
Sie hielt mir ein schwarz- lilanes Kleid von Elie Saab hin, während sie mit ruhiger Stimme sprach.
Sie verließ die Umkleide wieder, und als ich diese umgezogen wieder verließ lächelte sie.
"Ich glaube das nehmen wir."
Mit einer Handbewegung verscheuchte sie Scott und klopfte auf die schmale Lücke neben sich und ihm.
"Und jetzt komm her und erzähl, was ist bei dir und Chris passiert?"
"Er ist zwar mein Bruder, aber ich hab ihm schon früher eine reingehauen."
Scott lächelte mich grimmig an, und ich lächelte ihn durch den Tränenschleier zurück an.
Sarah hockte sich vor mich auf den Teppich und hielt mir eine Packung Taschentücher hin.
"Nichts, er hat gar nichts gemacht. Es ist nur..."
Ich begann wieder zu schluchzen.
"Es ist so unfair dass Sarah einfach so schwanger ist und ich das vielleicht nie habe und das ist so schlimm das ich so etwas überhaupt sage aber..."
"Shhh, tief durchatmen. Wie lange versucht ihr es denn schon?"
"Länger als ein Jahr."
Ich zog ein Samtkissen hinter meinem Rücken hervor und umschlang es mit meinen Armen.
Rose blickte mich erschrocken an.
"Wieso hast du uns denn nichts erzählt? Oder Charlie?"
Ich schnaubte.
"Hey ihr, mir geht's leider grade nicht so toll, weil ich dank des Mannes den ich Liebe keine Kinder kriegen kann, aber hey, habt ihr heute schon das Wetter gesehen?"
"Also hat Chris doch was gemacht?"
Sarah blickte fragend zu mir hoch.
"Neeeinn!"
Unschlüssig wippte ich auf dem Sofa auf und ab.
"Doch... Es sind spätfolgen von dem Unfall, ihr wisst schon."
Rose und Scott ließen sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken.
"Scheiße."
Murmelte Scott.
Ich tat es ihnen nach und blickte an die Decke.
"Ist es komplett unmöglich oder könnte es doch noch passieren?"
Rose warf mir einen einfühlsamen Blick zu.
Sie wusste gerade am ehesten von allen wie es mir ging, auf Grace hatten sie fünf Jahre lang gewartet.
"Komplett unmöglich ist es nicht, aber verdammt unwahrscheinlich."
"Hast du schon...?"
"Eines verloren? Über andere Wege nachgedacht?
Ja, und ja. Alles würde nichts ändern, vielleicht adoptieren wir irgendwann..."
Schon wieder begannen die Tränen zu laufen.
Irgendwie war die ganze Situation ja schon etwas skurril, wie ich im Abendkleid zwischen Scott und Rose auf dem Sofa saß und über meine Probleme weinte,
Aber verdammt, es tat gut alles endlich einmal rauszulassen.
Mit Chris war ich im reinen seit dem Abend, an dem ich von Sarahs Schwangerschaft erfahren hatte, und mein Gefühl sagte mir, dass das hier die Möglichkeit war, mit meinen Freunden ins reine zu kommen und den Neidgefühle gegenüber Sarah etwas Luft zu machen.
"Hey, ihr macht das schon. Und ich leih euch Grace gerne noch öfters aus, sie hat gestern ein Buch von Charlie zerrissen, du kannst dir sein Gesicht vorstellen..."
Ich begann zu lachen und mir wurde wieder etwas leichter ums Herz.
"Und jetzt komm, wir müssen dieses unglaublich tolle Kleid für die verdammten Oscars bezahlen."

Just in time (Chris Evans FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt