Narben

5K 249 30
                                    

Keuchend schreckte ich aus meinem unruhigen Schlaf hoch. Schon seit Monaten ging das so. Ich schlief schlecht und wurde dann, in den frühen Morgenstunden von meinen Alpträumen aus dem Schlaf geschreckt. Wohlwissend, dass mein Wecker erst in eineinhalb Stunden klingeln würde, stellte ich ihn aus und tapste ins Badezimmer.
Müde versuchte ich meine Haare zu entwirren, putzte mir die Zähne und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Dann machte ich mich auf den Weg nach unten in die Küche, wo Charlie schon herumwerkelte.
Grace saß in ihrem Babystuhl und kommentierte jede Bewegung ihres Vaters mit einem heiteren glucksen oder eher minder verständlichem Gebrabbel.
"Morgen Z. Ich muss dir nicht sagen dass du fertig aussiehst?"
Ich schüttelte den Kopf und brachte es zustande, mir Kaffee in eine große Tasse zu schenken.
Dann setzte ich mich zu Grace an den Tisch und beobachtete sie aufmerksam.
Nächsten Monat würde sie schon ein Jahr alt werden.
Noch faszinierter beobachtete ich, wie Charlie ihr Frühstück machte und sie fütterte.
Er war ganz anders seit er seine Familie hatte, im positiven Sinne.
Als mein großer Bruder damit fertig war, seine Tochter zu füttern, wandte er sich mir zu.
"Mal ehrlich Zada, wann gehst du zu Chris?"
Ich seufzte und dehnte mich ausgiebig, um eine Antwort hinaus zu zögern.
"Ich habe ihn nach Simon zwei mal angerufen, mehr kann ich nicht machen. Außerdem ist er sonst wo unterwegs und dreht gerade die Avengers."
"Ahh stimmt, von der Verfilmung hab ich gelesen! Das wird mega-"
"Nicht hilfreich."
Unterbrach ich ihn.
"Zada ich meine es ernst, du machst nichts anderes mehr als arbeiten und hier runzuhängen. Entweder du schließt mit dem Chris-Simon-Komplott ab und gehst wieder vor die Tür, oder du machst was. Glaub nicht ich höre nicht wie schlecht du schläfst."
Ertappt senkte ich den Kopf und betrachtete meine Kaffeetasse ganz genau.
Was sollte ich denn Antworten?
Dass ich einfach in Ruhe gelassen werden wollte?
Ich wollte niemand anderen als Chris,
Und desto mehr ich mir das selbst bewusst machte schmerzte es in meiner Brust.
Zu beängstigend war der Gedanke dass die Sache mit Chris zu Ende war...
Ich schwieg weiter, und irgendwann stand Charlie auf.
"So, ich muss jetzt los... Kannst du heute Abend einkaufen gehen? Rose ist weg und ich pass' zuhause auf die Kinder auf..."
"Klar. Schick mir den Einkaufszettel!"
"Danke!"
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich mit meinen Gedanken alleine.
Warum konnte es bei mir nicht so einfach sein wie bei Leo und Sarah?
Die beiden waren sich, jetzt zumindest noch, sicher nichts füreinander zu empfinden, und konnten miteinander machen was sie wollten.
Mit immer düster werdenden Gedanken räumte ich den Tisch ab und wartete auf Rose.
Da sie meist von zuhause aus arbeitete stand sie immer etwas später auf.
"Morgen Zada!"
Begrüßte sie mich fröhlich als sie, endlich wach, die Treppe herunter polterte.
"Guten Morgen."
Schnaubte ich gleichzeitig mit Frank, der das ganze etwas fröhlicher Ausgedrückt hatte.
"Kannst du heute Abend"
"Einkaufen gehen?"
Sie nickte und grinste.
"Hab schon bei Charlie ja gesagt."
"Super. Du bist ein Schatz!"
"Ich weiß!"
Trällerte ich und stand auf, um mich fertig machen zu gehen.
Ich hatte noch genug Zeit bis ich in die Arbeit musste, also sprang ich noch unter die Dusche.
Beim Anziehen strich ich über die Narbe an meinem Bein.
Damit hatte es angefangen...
Verwirrt schüttelte ich den Kopf und zog mich schnell an, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen.
Den Arbeitstag verbrachte ich damit, sture Büroarbeit zu machen,
Das hieß Dokumente unterzeichnen, Verträge absegnen und Angebote zu überprüfen.
Abends ließ ich den riesigen Gebäudekomplex meiner Zeitung hinter mir und fuhr auf direktem Wege mit Charlies Auto in den Supermarkt.
Ich stand gerade vor dem Regal mit den Frühstückscerealien und versuchte Charlies Schrift zu entziffern, da tippte mir jemand auf die Schulter.
Überrascht drehte ich mich um und fand mich in einer Umarmung wieder.
"Hey Zada!"
Es war Scott, und ihn zu sehen ließ mich wieder an Chris denken.
"Hi!"
Er war ein netter Kerl und ich verstand mich gut mit ihm, trotzdem fiel es mir schwer ein Lächeln aufzusetzen.
"Wie geht's dir?"
Er klang ehrlich erfreut und interessiert.
Wusste er denn nichts von der Sache mit seinem Bruder?
"Ganz gut. Und dir?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Alles gut. Warum hab ich dich so lange nicht mehr gesehen?"
Also wusste er wirklich nichts?
Ich hätte gedacht Chris würde ihm mehr erzählen... Oder hatte ich ihn so verletzt dass er mit niemandem darüber reden konnte?
"Wir haben uns gestritten."
Scotts Lächeln erstarb.
"Hast du Zeit auf einen Kaffee? Das muss ich wissen."
Ich nickte. Wahrscheinlich würde es gut tun mit jemandem, der Chris kannte darüber zu reden.
"Ich bin hier sowieso fertig."
Wir zahlten und setzten uns vor dem Supermarkt mit einem dampfenden Kaffee in der Hand auf eine Bank.
"Also. Was ist passiert?"
Ich holte weit aus und erzählte die ganze Geschichte, inklusive der mit Simon.
Als ich fertig war holte Scott tief Luft und schwieg einen Moment lang.
"Das nenne ich 'ne Scheisssituation."
Unwillkürlich musste ich Lachen.
"Kann man so nennen."
Auch er grinste.
"Glaub mir, das wird wieder. Bevor die Dreharbeiten begonnen haben hat er von nichts anderem mehr gesprochen als von dir."
Mein Herz vollführte einen kleinen Hüpfer.
Plötzlich packte mich der Übermut, wie so oft wenn es um Chris ging.
"Wann ist er wieder da?"
"In zweieinhalb Monaten ist er wieder da, ne ganze Weile lang, und dann geht's wieder los auf Presstour."
Ich versuchte meine Enttäuschung zu verdecken.
Zwei Monate waren eine lange Zeit...

Wir unterhielten uns noch eine Weile, tauschten unsere Telefonnummern aus und verabschiedeten uns wieder.
Ich blieb noch kurz sitzen und hing meinen Gedanken nach.
Jetzt hatte ich also ein klares Ziel.
Ich würde Chris in zweieinhalb Monaten sehen....

Just in time (Chris Evans FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt