Perfekt

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"Nein. Bitteee!"
Quengelte Chris und klopfte auf den nun leeren Platz neben sich. Es waren die letzten Wochen vor Weihnachten, und wir beide wurden immer glücklicher miteinander.
Es war ein verdammt gute Idee gewesen, ihn bei mir einziehen zu lassen.
Zwar sahen wir uns nur Abends, Morgens und an dem Wochenenden, weil ich natürlich arbeiten musste, aber es lief. Wir versuchten gar nicht erst daran zu denken, wie es sein würde wenn er wieder losmusste, auf Presstour.
Gerade tapste ich hundemüde durch das Schlafzimmer, wohl wissend dass ich wahrscheinlich viel zu späte dran war. Als ich auf den Wecker blickte wurde ich auch schlagartig wach, ich war eine halbe Stunde zu spät aufgewacht.
"Wenn du so weiter machst werde ich noch wegen dir gefeuert."
Grinste ich. Für Geplänkel war Chris aber wohl noch zu müde, er vergrub nämlich seinen Kopf im Kissen als ich die Vorhänge aufriss, und murmelte undeutlich in sein Kissen.
Ich glaube er sagte irgendwas von wegen ich könnte gar nicht gefeuert werden.
Sehr zu seinem Leid rannte ich nun aufgekratzt durch das obere Stockwerk und versuchte meinen Kram irgendwie zusammenzupacken. Chris gab den Versuch weiterzuschlafen auf und sah mir zu, wie ich mich umzog.
"Spanner."
Lachte ich und warf eines der Kissen auf ihn, das er leider geschickt auffing.
Ich war doch noch müder als ich gedacht hatte, denn ich rannte mit der Zahnbürste in der einem, und meinem Handy in der anderen Hand ins Schlafzimmer, steckte aus irgendeinem Grund die Zahnbürste an mein Handy-Ladekabel und stand plötzlich ahnungslos mit dem Handy in der Hand da. Mein Hirn schien noch zu überlegen, was es jetzt falsch gemacht hatte, verpeilt blickte ich zwischen Zahnbürste und Handy hin und her, das mir überflüssigerweise gerade auch noch anzeigte, dass es dringend Strom brauchte.
Chris beobachtete das ganze und versuchte nich laut loszulachen.
"Du kannst deine Zahnbürste nicht anstecken, Liebling."
"Große Hilfe. Danke."
Es war zu früh für große Worte.
Immerhin stand ich zwanzig Minuten später mit halb frisierten Haaren und  fertig geschminkt in der Küche und schüttete neunzig Prozent des Kaffees neben dem Thermobecher.
Ich hatte nicht gemerkt, wie Chris die Treppe heruntergekommen war, und erschrak auch dementsprechend als er seine Arme von hinten um mich schlang und seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte.
"Deine Zahnbürste ist fertig aufgeladen."
Raunte er mir ins Ohr.
Ich versteckte die Reaktion meines Körpers, eine Gänsehaut an den Armen, und grinste, während ich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab.
"Lass uns wegfahren."
Geschockt drehte ich mich um und blickte ihn an.
"Keine Arbeit, kein früh aufstehen, nur wir beide."
Sehnsüchtig seufzte ich.
"Das klingt wundervoll, aber ich kann nicht."
Er verdrehte die Augen und wollte sich von mir lösen, ich nahm aber seine Hand.
"Wirklich Chris. Es gibt einige Änderungen in der Zeitung, bald ist Weihnachten, und vor der Winterpause müssen wir noch mal richtig Gas geben."
Das Thema weihnachten war bei und noch eine sehr unbekannte Variable.
Keiner von uns beiden hatte sich bisher getraut zu fragen, ob wir zusammen feiern würden.
"Na gut. Aber nach Weihnachten, okay? Wenigstens für ein Wochenende."
Ich lächelte und stellte mich auf die Zehenspitzen um ihm einen Kuss zu geben.
"Ich liebe dich."
Flüsterte er.
"Aber jetzt los, schön langsam bist du wirklich zu spät."
Ich küsste ihn noch einmal, schnappte mir dann den Thermobecher und meine Tasche, schlüpfte in meine Schuhe und drehte mich noch einmal um, um seinen Blick aufzufangen, der auf mir gelegen hatte.
Die Unlust, das Haus an diesem Tag zu verlassen war aber auch wirklich zu groß.
"Bis heute Abend, ich liebe dich!"
Ich warf ihm eine letzte Kusshand zu und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Wie so oft in letzter Zeit fuhr ich mit seinem Wagen, in dem ich lächelnd an die Szene in der Küche gerade eben zurückdachte.
Die drei kleinen Worte mit der großen Bedeutung waren uns drei Tage nachdem Chris eingezogen war wie von selbst über die Lippen gekommen.
Ich war es noch lange nicht leid sie zu sagen.
Im Büro erwartete mich eine grinsende Sarah.
"Ach Zada, das steht dir so gut."
Ich wusste dass sie von der unversteckbaren Verliebtheit sprach, ging aber nicht näher darauf ein. Sie sollte sich langsam lieber selbst einmal um ihre Verliebtheit kümmern.
"Ich weiß! Schlussverkauf bei Prada."
Sie grinste noch  breiter, hakte sich bei mir unter und nahm mir meinen Kaffee aus der Hand.
"Der Vorstand will noch ein paar Sachen wegen den Änderungen besprechen, und wann wir dem Personal mitteilen dass sie ab jetzt nicht mehr Mittwochs arbeiten müssen."
"Ich geh nachher zu ihm. Noch was?"
"Die Verträge von den Chefredakteuren müssen verlängert werden, Leo hat die Dokumente auf deinem Schreibtisch gelegt."
"Apropos Leo..."
"Kein Kommentar."
Unterbrach sie mich. Dann seufzte sie schwermütig.
"Keine klitzekleinste Veränderung."
Etwas unbeholfen tätschelte ich ihre Schulter.
In dieser Beziehung konnte ich ihr leider nicht viel helfen.

Der Arbeitstag verging zum Glück schnell, und so stand ich schon bald vor meiner Haustür und kramte in meiner Tasche nach dem Schlüssel.
Aus dem Hausinnern drang Gelächter durch die Tür hindurch, bei dem Lärm würde bestimmt niemand die Türklingel hören.
Den Schlüssel hatte ich vergessen, also durfte ich einmal um das Haus herum stapfen und an der Terassentür klopfen. Super.
Immerhin bemerkte mich Scott ziemlich schnell, der auf unserem Sofa saß.
Es verging eigentlich kein Tag an dem wir keinen Besuch von Familienmitgliedern hatten.
Er lachte und stellte sich vor die Tür, stemmte die Arme in die Hüften und machte keine Anstalten die Türe zu öffnen.
Man bemerke: es herrschten Minusgrade.
Als East mich bemerkte sprang immerhin er aufgeregt an der Türe hoch, es sah aus als starte er den Versuch, die Tür zu öffnen.
Chris war gerade sonst wo im Haus.
Nachdem mich also sein Bruder gefühlte drei Stunden lang ausgelacht hatte war es mir endlich erlaubt, das Haus zu betreten.
"Idiot. Warst du in letzter Zeit mal draußen? Es sind Minusgrade!"
Ich wollte ihn eigentlich noch weiter beschimpfen, als Chris aus dem Keller zurückkam, zwei Flaschen Bier und einen Tiefkühlpizzakarton in den Armen balancierend.
Er lächelte froh als er mich sah, auf diesen Augenblick freute ich mich immer den ganzen Tag lang.
Das Leuchten seiner Augen wenn er mich sah.
Nachdem er die Sachen abgestellt hatte küsste er mich innig zur Begrüßung. Währenddessen warf Scott einen Blick auf sein Handy und sprang plötzlich auf.
"Okay, Ciao Leute, ich muss weg. Wir sehn uns!"
Er klopfte mir auf die Schulter und ließ die Tür hinter sich zuknallen.
Verdutzt blickte ich seinen Bruder an.
"Was war das denn?"
Der zuckte mit den Schultern.
"Er hat da was am laufen. Pizza?"
Ich grinste.
"Unbedingt."
Der Rest des Abends verlief gemütlich, im Kamin prasselte behaglich ein Feuer, im Fernsehen lief eine Folge Downton Abbey, wir saßen mit Bier und Pizza auf dem Sofa, in die große, weiche Felldecke gewickelt, und redeten über Gott und die Welt.
Konnte etwas perfekter sein?

Just in time (Chris Evans FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt