Reinfall

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"Es war ein absoluter Reinfall."
Sarah betrat mein Büro, einen Koffer hinter sich her ziehend. Dann ließ sie sich mit einem Seufzer auf das Sofa sinken.
Verdutzt blickte ich von meinem Bildschirm hoch.
"Was ist passiert?"
"Wir sind gelandet und gleich zu seinem Haus dort gefahren, das hat er geerbt oder so, und das Ding steht gleich neben dem Haus von seinen Eltern. Die haben wir dann kurz besucht, seine Mutter war total aus dem Häuschen, und dachte ich wäre seine Freundin.
Dann sind wir essen gegangen, nur wir beide, so weit so gut.
Der Abend verlief auch restlich... Befriedigend.
Sie wurde rot.
"Am nächsten Tag haben wir die Stadt besichtigt, Finnland ist wirklich schön.
Ich hab die ganze Zeit mit mir gerungen, hab die Eier, ihm zu sagen was ich fühle aber nicht zusammenkratzen können.
Nachmittags haben wir dann aber einen alten Schulkumpel von ihm getroffen, mit dem er dann Abends was trinken gegangen ist- ohne mich.
Also bin ich alleine losgezogen, hab nen ganz netten New Yorker aufgerissen, aber andere Geschichte, und den Rest des Wochenendes haben wir gevögelt, getrunken und Scrabble gespielt. Für mehr war es zu kalt."
Ich zog eine Augenbraue nach oben.
Diese Seite von Sarah verwirrte mich noch immer.
Früher wäre dieser eben beschriebene Rest des Wochenendes genau ihr Ding gewesen, abgesehen von dem
Scrabble.
"Und... Wie geht's jetzt weiter, mit euch?"
Sie seufzte wieder und zuckte mit den Schultern.
"Ich werd mich auf jeden Fall von diesem New Yorker Kerl anrufen lassen- und dran gehen. Er war nett."
Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass sie selbst genau wusste dass das Unsinn war, aber sie war ein Dickschädel wie aus dem Bilderbuch.
Den ganzen restlichen Arbeitstag versuchte sie wohl, das Wochenende in Finnland totzuschweigen.
Leo dagegen erzählte die ganze Zeit, wie toll es doch gewesen war seinen alten Schulfreund nach all den Jahren wieder zu treffen.
Hin und wieder waren Männer wirklich Idioten, doch ich hatte leider ganz andere Probleme.
Von denen ich versuchte mich so gut es ging abzulenken.
In den letzten vier Tagen hatte ich das Zeitungsgebäude immer Abends als letzte und Morgens als eine der ersten Betreten.
An diesem Abend betrat ich mein Haus wieder erst spät Abends, bestellte etwas beim Chinesen und ließ mich vom Abendprogramm im Fernsehen berieseln.
Währenddessen kehrten meine Gedanken immer wieder zu Chris zurück. Er war schon seit zwei Tagen wieder in der Stadt, und allen hatte ich erzählt dass ich morgen zu ihm fahren würde.
Sicher war ich mir dabei aber schon lange nicht mehr.
Wie hatte Sarah das so schön gesagt, die Eier zusammenkratzen?
Ich wusste nich ob ich das konnte.
Denn würde ich zu ihm fahren hätte ich Gewissheit. Und davor hatte ich Angst. Angst vor seiner Reaktion.
Wie sollte ich ihm gegenüber überhaupt auftreten?
'Hey Chris, tut mir leid dass ich so ein Arschloch war, lass und zusammensein'?
Wohl eher nicht.
Irgendwie schaffte ich es zum Glück trotz der vielen düsteren Gedanken, einzuschlafen, und erwachte am nächsten Morgen, wie immer, durch meinen Wecker.
Ich zog mich wie immer an und fuhr ins Büro.
Dort merkte ich, wie Sarah Leo aus dem Weg ging.
Ich ging früher, schon um fünf, und fuhr mit zittrigen Händen und Knien nach Hause, um mich umzuziehen.
Eine Paar Jeans, Stiefel und eine helle Bluse, darüber eine meiner Lederjacken.
Das einzige was mich jetzt beruhigen konnte war, mit meiner Harley zu fahren.
Das war etwas ganz eigenes für mich.
Natürlich hatte es was, mit den Autos und Motorrädern meiner Eltern zu fahren, aber diese Harley war meins.
Ich hatte das Geld dafür selbst erarbeitet, obwohl das Dank des Erbes eigentlich nie nötig gewesen wäre. Es wäre jetzt auch eigentlich nicht nötig für mich, arbeiten zu gehen, aber das hatte ich noch nie auch nur einmal in Erwägung gezogen.
So startete ich also den Motor, den ich besser kannte als mich selbst, und fuhr in die Innenstadt.
Ich parkte in der nähe seines Wohnhauses und lief das restliche Stück, dabei betrachtete ich meine Umwelt aufmerksam. Es war Ende Oktober, wahrscheinlich würde es bald den ersten Schnee geben.
Mit nun noch zittrigeren Knien nahm ich die Treppen hinauf in Chris' Stockwerk. Unsicher und langsam lief ich den kurzen Gang hinunter, vor seine Tür.
Als ich die goldene Türnummer sah, versetzte es mir einen Stich in mein Herz.
Ich hörte im innern der Wohnung nur noch jemanden lachen, ich war mir ziemlich sicher dass es Chris war, dann rannte ich los.
Die Treppen hinunter, so schnell es nur ging  hinaus aus diesem Haus. Vor der Tür blieb ich keuchend stehen. Welchen Mist auch immer ich hier gerade fabrizierte, wie von Sinnen merkte ich es nicht.
Erst ein paar Straßen später begann ich mich für mich selbst zu schämen.
Dieses Schamgefühl wurde so unaushaltbar, dass ich in den nächsten Supermarkt stürzte und eine Flasche Vodka kaufte.
Verzweifelt nahm ich ein paar tiefe Schlucke, dann drehte ich mich wieder auf der Straße einmal um mich selbst. Wohin jetzt? Was jetzt vor allem?
Ein paar unschlüssige Minuten später wusste ich es.
Für meinen Alkoholpegel schon fast zu schnell rannte ich wieder in die andere Richtung, vorbei an meinem Motorrad und rein in ein nahegelegenes Wohnhaus.
Beim zweiten Klingeln öffnete er die Tür, bei meinem Anblick seufzte er.
"Du solltest eigentlich wo anders sein."
"Und du bist ein Arsch."
Jammerte ich. Ich spürte, wie die Tränen langsam meine Sicht verschwimmen ließen.
"Kann ich reinkommen?"
Ich winkte mit der Flasche in meiner Hand und drängelte mich an ihm vorbei in  Leos Junggesellenwohnung.
Wie er es in meinem Büro auch so oft machte, warf ich mich im Wohnzimmer auf seine Couch, nahm wieder einen Schluck und umklammerte wie ein kleines Kind eines der Sofakissen.
"Ich bin so feige."
Schluchzte ich angewidert von mir selbst.
Leo kniete sich besorgt vor mich hin.
"Jeder ist mal feige."
"Du bist nicht feige. Du checkst die Sachen nur nie."
Schniefte ich, so gar nicht auf diese Situation bezogen.
Kurz zog er die Augenbrauen zusammen, schüttelte dann, wahrscheinlich für sich selbst, kaum merklich den Kopf, und blickte wieder hoch zu mir.
"Was machst du nur für Sachen, Zada?"
"Keine Ahnung. Ich konnte da nicht rein!"
Selbst merkte ich gar nicht wie ich in ein flüstern verfiel, dabei schauderte es mich.
"Ich konnte diese Klingel nicht drücken Leo! Das... Das ging einfach nicht...Ich glaube ich hatte noch nie solche Angst."
Jetzt konnte ich nicht mehr reden, nur noch schluchzen.
So ging das eine ganze Weile, irgendwann nahm mich Leo einfach in den Arm und ließ mich seinen Pulli nassweinen.
Beruhigend strich er mir über den Rücken.
"Du fährst einfach nochmal hin, okay? Du musst das klären, und am besten schnell, oder?"
Ich löste mich aus der Umarmung, holte tief Luft und rieb mir die Augen.
Dann nahm ich wieder einen tiefen Schluck Vodka, und das brennen in meiner Brust vertrieb das zittrige Gefühl vom Weinen auf angenehme Weise.

Leute, das Kapitel hier tut mir leid. Ich verspreche euch, es geht jetzt wirklich schnell. Das nächste Kapitel schreibe ich jetzt gleich, ich kann gerade eh nicht schlafen weil so eine BEHINDERTE MÜCKE durch mein Zimmer fliegt, die gleiche die mich gestern schon zerstochen hat.
Und was macht ihr so?

Just in time (Chris Evans FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt