Kapitel 47 ~ *Goals *

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Sie setzte sich auf, wirkte beinah so als wollte sie mir etwas erzählen. Nachdenklich verwarf sie den Gedanken wieder als ich nachfragte.
»Ach, nicht so wichtig...«
Ihr war kalt und sie stand auf um sich ein Shirt über zu ziehen, sackte aber dabei etwas benommen unter einem Stöhnen, noch vor dem Bett zusammen. Sie legte ihre Hand auf ihren Unterbauch und atmete schwer auf. »Verdammt...«, fluchte sie leise und warf mir verärgerte Blicke zu. »Das ist deine Schuld. Dieser Muskelkater bringt mich sowieso schon um...« Unbekümmert zuckte ich mit der Schulter und grinste sie an. Sie stand wieder auf und lief wie ein Windzug durch den Raum, zog sich etwas über und brachte mir meine Zigaretten mit. Erschöpft legte sie sich wieder zu mir. Ihre Lippen waren noch ganz gerötet.

»Komm näher...« Ich löschte das Licht und zog sie an mich. Ich küsste sie, suchte das sanfte Spiel mit ihrer Zunge. Wir waren noch eine ganze Weile wach, in der eine geheimnisvolle Stille im Raum entstand. »Ist dir noch immer kalt?« Von draußen kam ein frischer Wind ins Zimmer, doch sie konnte es bei geschlossenem Fenster nicht lange in einem Raum aushalten. »Dann komm doch noch Näher«, flüsterte ich ihr zu und fuhr durch ihr Haar. Sie hatte kalte Füße und Hände. Ihr langes Haar streifte meine Haut, als sie ihren Kopf an meiner Brust bettete. »Genau so, will ich dich haben.« Da bemerkte ich, wie sich ihre Lippen bewegten. Dieses undeutliche, fast unhörbare Flüstern. »Du tust es schon wieder«, stellte ich fest.
»Was meinst du?«
»Zählen.«
»Das hast du mitbekommen?«
»Schon lange.«
»Nur so ein Tick. Wenn ich nervös bin, oder mich nicht konzentrieren kann, verbinde ich Zahlen mit Liedern oder Schritten. Das mache ich auch, mit Farben und Geräuschen. So merke ich mir auch Änderungen für die Choreos und meine Lieder. Vielleicht fiel mir die Schule und vor allem Mathe deswegen so schwer. Immer wenn eine Gleichung dran kam oder etwas Ähnliches, denk ich an eine Folge von Tanzschritten und schreib sie auf, mach mir Notizen oder denk an etwas das passiert ist.«
»Und was zählst du grade?« Einen Augenblick hielt sie inne.
»Deine Herzschläge«, flüsterte sie. Ich hatte eine Gänsehaut, als ihre Finger, den Rythmus auf meinem Brustkorb trommelten. Daher kam also manchmal, dieser abwesende Ausdruck in ihrem Gesicht. In den Momenten, war es mir unmöglich zu erahnen, was sie dachte und was sie tun würde, dann war es mir ein komplettes Rätsel, was in ihr vorging.

Kurz vor Sonnenaufgang war ich schon wieder auf den Beinen, es gab immer was zu tun und ich beschloss zur Abwechslung mal wieder selbst zu kochen, schrieb alle Zutaten auf und gab unten einen Einkauf in Auftrag. Währenddessen überlegte ich mir ein Workout, das speziell zu Angel und ihrem schon trainierten Körper passte sowie einen Ernährungsplan, der darauf abgestimmt werden musste. Einfacher wäre es, wenn ich gewusst hätte, für was sie trainierte. Mein Training war nichts für eine lange Dauer und eher eine Basis, um ihr die Technik zu vermitteln. In Gedanken lösten sich schnell die ersten Nebel um die Erinnerungen an sie. Es war zu bedenken, dass sie eine Frau war, dass ihr Körper anders tickte und sie ein fortgeschrittenes Training brauchte. Sie war Tänzerin und hatte einen sehr jungen Körper, der sich schnell anpasste und noch im Wachstum war. Ich schrieb alles in Stichpunkten für sie auf und legte den Kalender von ihr zurück auf den Schreibtisch.

Nebenher beobachtete ich ein Phänomen, das sich erst seit Kurzem entwickelt hatte. Kaum nach dem ich aufgestanden war, bemerkte ich, wie sie sämtliche Decken vom Bett strampelte und sich anschließen begann hin und her zu wälzen. Drehte und wendete sich, als würde sie vom Tanzen träumen.
Von der Küche aus hatte ich einen offenen Blick aufs Bett und ließ mich gern von ihrem Anblick ablenken, während ich den ersten Kaffee trank und die Zeitung las.
In Gedanken schon halb beim Training, lief ich rüber zur Stereoanlage und schaltete sie ein, musterte ihr Gesicht, das im Schlaf auf die Musik reagierte, wie sie zählte und ihre Beine im Rhythmus bewegte.
Nach einem Telefonat mit Dante und Alexander riss ich mich dann von meiner Sucht und von ihr los.

Schließlich kümmerte ich mich um meinen Ernährungsplan. Ich holte ein hohes, breites Glas aus dem Schrank, stellte es neben den Standmixer und bereitete mir wie jeden Morgen einen Shake zu. Er bestand aus Magerquark, Eiern, Haferflocken, Leinöl als feste Zutaten, die ich mit anderen variierte, wie zum Beispiel gemahlenen Nüssen, Zimt und Zitrone. Ich trank ihn jeden Tag vor dem Frühstück und plante in Gedanken nur grob meine Woche, was das Essen und das Training betraf. Für mich war es mittlerweile Routine und gehörte zum Alltag. Ohne diese Disziplin in jeder Lage meines Lebens, würde ich ganz schnell in alte Muster zurückfallen, was ich vermeiden wollte. Ich war nicht mehr allein und um Verantwortung für sie übernehmen zu können, musste ich mich selbst immer im Griff haben.
Ich trank den Shake aus und bereitete ihren vor. Sie brauchte Obst. Ihre Haut strahlte dann mehr, wie ich es beobachten konnte. Mein Blick glitt zu ihr zurück, meine Sucht spielte wieder mit ihr. Verfolgte, wie sie langsam aufwachte. Sie wurde immer circa eine halbe Stunde nach mir wach. Soweit ich es in den letzten Tagen verfolgen konnte.
Sie drehte sich plötzlich und fiel unter einem lauten Poltern aus dem Bett.
»Ich sollte dich demnächst besser ans Bett ketten.« Verlegen blinzelte sie mich aus müden Augen an und fuhr sich durch das zerwühlte Haar. Sie wirkte noch ziemlich erledigt und ließ ihren Kopf in das Kissen sinken, welches sie beim Sturz mit vom Bett gezogen hatte.
»...was riecht da so lecker?«, murmelte sie ihrem Kissen zu und kletterte zurück aufs Bett.
»Finde es doch heraus.« Sie himmelte mich forschend aus ihren blauen Augen an, stand auf und kam zu mir rüber. Frühs schnurrte sie immer wie ein Kätzchen. »Schon fit genug zum Laufen? Wir machen das Workout anschließend am Strand.« Lächelnd sah sie zu mir.
»Ich zieh mir eben was an.« Sie griff nach den Erdbeeren auf der Bar und verschwand kurz, kam in lockerer Jogginghose und Top zurück.
»Hier trink das.«
»Was ist das?«
»Ein Shake aus Beeren, Orangen und Quark. Essen werden wir später, es braucht sowieso noch eine Weile, bis ich die anderen Zutaten hier habe. Ich schreib deinen Freunden eine Nachricht, dass wir hier Frühstücken, wenn wir vom Laufen zurück sind.« Nachdenklich nahm sie mir das Glas aus der Hand und lief raus auf den Balkon um den Sonnenaufgang zu betrachten, der ihre Silhouette in ein zart goldenes Leuchten tauchte.
Sie drehte sich mir zu und lehnte sich an das Geländer.
»Du stehst nur vor mir und ich kann kaum denken. Ist alles wie in einem Märchen, warst nicht du derjenige der gesagt hat, sowas gibt es nicht.« Sie kam zu mir, hielt ihre Hand in die Luft, die leicht zitterte. »Nur weil ich vor dir stehe...« Sie griff nach meiner Hand und legte sie auf ihre Brust. Ich spürte deutlich ihren Herzschlag. Nachdenklich, sah ich ihr in die Augen und hauchte ihr einen Kuss auf den weichen Schmollmund, während meine Hände ihre Brüste fühlten und als angenehm empfanden. »Magst du sie?«, fragte sie plötzlich und wandte den Blick ab. Vermutlich dachte sie wieder an einige meiner Affären, die ziemlich viel Brust hatten.
»Deine Brüste passen zu dir. Fast ein C Körbchen, ich finde sie passen gut zu deiner Figur. Hast du das Gefühl ich finde sie zu klein?« Als meine Hände sie umschlossen, wurde sie rot. Ich zog sie an mich und überzeugte sie mit der Reaktion in meinen Shorts vom Gegenteil.
»War nur ein dummer Gedanke...«
»Gut, dass du es einsiehst. Hör auf mit diesem Unsinn. Sexy ist eine Frau oder ein Mensch der zu seinem Ich steht.«
»Ich bin 18...«
»Und verdammt selbstsicher wenn es ums Tanzen geht. Wenn man bedenkt, was du erlebt hast... Sieh mich an, ich bin nicht dass, was der normale Mensch als schön bezeichnen würde.« Sie schaute an mir auf und ab und runzelte die Stirn.
»Du hast wunderschöne Frauen um dich herum und viele Gelegenheiten. Keine würde Nein sagen...«
»Frauen stehen auf Männer mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Andersrum ist es genauso. Stell dir vor ich würde vor dir stehen und mich selbst bemitleiden. Und wenn du schon denkst ich verschaff den Mädels feuchte Höschen, solltest du Dantes Umfeld erleben. Sieh mich an. Narben, Tattoos. Der Schreck jeder Mutter.«
»Du spinnst, du bist der schönste Mann, dem ich je begegnet bin. Die Narben machen dich nicht weniger attraktiv«, protestierte sie förmlich und atmete erschrocken auf, als ich sie hochhob. Verlegen senkte sie den Blick und ich musste grinsen. Ich nahm ihre Hand und zog sie an mich.
»Ich hab bemerkt, wie du Dante angeschaut hast und ich hab bemerkt, dass er dir gefällt.«
»Na und. Du hast auch andere Frauen angesehen aber...«
»Angel, du bist heiß. Und dein Urteil ist getrübt. Du bist eindeutig verkorkst, anders kann ich mir nicht erklären, weshalb du dich ausgerechnet in jemanden wie mich verlieben musstest.«
»Ich fand dich davor schon attraktiv. Und vielleicht bin ich wirklich... verkorkst.«
»Du hast das Kompliment ja wiederholt«, bemerkte ich.
»Ich...« Sie blitzte mich frech an, ging zur Tür und steckte mir die Zunge raus. »Vorsprung«, grinste sie und verließ die Tür. Rannte los. Wieso machte sie sich plötzlich über solche Dinge Gedanken?

Sie war schnell, hatte eine gute Ausdauer und was vielen fehlte: Biss und Lust zum Sport. Auf irgendetwas arbeitete sie immer hin. Irgendein Ziel hatte sie immer.

Während des Laufens herrschte Stille zwischen uns. Konzentriert befolgte Angel das, was ich ihr sagte. Achtete sehr genau auf ihre Atmung, ihre Haltung und eine Grundspannung im Körper. Auf der Hälfte hielten wir, ich erklärte kurz, wie es weiter ging.
»So hast du viel länger Luft und hältst einen weitaus größeren Zeitraum problemlos durch. Der Effekt ist selbst auf kleineren Strecken spürbar. Es kommt nicht allein darauf an, wie schnell du bist, sondern wie intensiv und genau du es tust. Du musst deine Bewegungen, deine Ernährung, dein Sport deinem Körper anpassen. Ähnlich wie beim Tanzen oder beim Sex. Nicht jede Frau ist gleich, auch nicht jeder Mann. Das heißt du musst ausprobieren was gefällt, was funktioniert und was nicht. Du kannst nicht das gleiche Training durchziehen wie ich, zumindest nicht alles. Zu dir passen Sportarten wie Laufen, Schwimmen und Steppen ganz gut, doch um Kraft zu bekommen und zu definieren brauchst du auch Krafttraining. Die Übungen die ich dir zusammengestellt habe decken alles ab. Du trainierst damit Hintern, Beine, speziell Waden, Brust, Taille, Rücken und Arme. Einige der Übungen unterstützen gleichzeitig deine Haltung. Mit dem Krafttraining das ich mir angeeignet habe, das zurzeit zum Muskelaufbau und Volumen gedacht ist.« Verlegen senkte sie den Blick.
»Also gut und was schlägst du noch vor?«
»Pilates mit Gewichten. Es ist die perfekte Ergänzung zu den Workouts. Mach die Übungen so genau wie nur möglich. Achte dabei auf deine Atmung. Ich werde dir ein paar Sachen zeigen. Wenn du übrigens die Bauchmuskeln trainierst und etwas für deine Taille tust, musst du auch deine Rückenmuskeln und vor allem deinen Beckenboden mit trainierten. Das wird dir im Bett einiges bringen.«
»Grins nicht so... Es gefällt dir doch auch, wie es jetzt ist.«
»Jetzt tu nicht wieder, als hättest du kein Gefallen daran gefunden.«
»Unsinn...«, wandte sie sich etwas zickig ab und bekam rosige Wangen.
»Du bist Top in Form... Eigentlich müsstest du auf die Bremse treten und«, sie unterbrach mich.
»Es ist nötig fürs Tanzen. Wenn ich mich besser halten kann, wäre es eine ziemliche Hilfe. Es sieht blöd aus, wenn man so zittert. Bei Hebefiguren zum Beispiel wäre es vom Vorteil. Ich will einfach noch etwas mehr Kraft und Form als jetzt. Keine Angst. Nur etwas definiert sollte alles sein, mehr nicht. Weniger Gewicht brauch ich halt. Nicht viel weniger, ich dachte an 5 Kilo.« Schnaufend wurde ich mir ihrer Eitelkeit beim Tanzen, einmal mehr bewusst und gab ihr bedenklich die Tipps, die ihr helfen konnten. Während des Trainings und der Übungen die ich ihr zeigte, zählte sie wieder. Verfolgte genau, was ich sagte. Damit merkte sie sich sämtliche Abläufe.
Je öfter wir diese gemeinsamen Stunden verbrachten, desto stärker wurde ihre Bindung zu mir. Noch immer fragte ich mich, ob es gut für uns war. Für mich. Meine Eifersucht und mein Besitzanspruch wurden nicht weniger. Leider sah es mit den Gefühlen genauso aus.

Loyalty - heart reflection (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt