Kapitel 49 ~ * deep sea hunter *

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Nervös stieg Angel als Letzte auf das Schiff, welches uns raus zu den Tiefseejägern brachte und blieb dicht neben mir stehen. Ich fuhr durch eine ihrer dunklen Strähnen.
»Wir müssen das hier nicht machen.«
»Toll... Jetzt sind schon alle hier. Ich krieg das hin. Ich bin ja auch neugierig und freue mich drauf.« Sie hatte extra nichts gegessen. Als das Forschungsschiff ablegte, kam vom Meer eine frische Brise. Die Wellen wurden rauer und die Crew bereitete die beiden Boxen vor.

Während Angel hinaus aufs Meer blickte, lehnte sie an der Reling, wirkte fast melancholisch. Ich sah zu Dante, der meinen Wink verstand und die Kamera schon unauffällig zum Einsatz gebracht hatte, um ein Foto von ihr zu machen. Sie wirkte sehr ruhig und warf mir nach einer Weile einen prüfenden Blick zu. Ich zeigte ihr, soweit ich es konnte, noch immer die kalte Schulter. Eher unbewusst, denn ich ärgerte mich noch über ihre Leichtsinnigkeit und meine Reaktion. Instinktiv wusste sie was los war und ließ mir Raum. Deshalb gesellte sie sich dann zu ihren Freunden. Wie wichtig mir dieser kleine Mensch werden würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Egal wo ich war, ich musste auf sie aufpassen.
Der Himmel war leicht bewölkt und blassblau. Die Winde wurden rauer und brachten eine leichte Kälte mit sich. Die Fischer warfen inzwischen die Leinen ins Wasser. Sie waren hier für ein Forschungsprojekt. Ich wusste, dass ihre Mutter auch auf diesem Schiff war und mit einem der Professoren befreundet war. Ich erhoffte mir mehr Infos, ehe ich das Gespräch mit Angels Mutter noch einmal suchte. Wir wollten hier mit tauchen und Fotos machen. Dante hatte hier einen Job. er kannte sich darin ganz gut aus und ich traute ihm zu auf Angel aufzupassen. Ich war auch dabei und wollte sehen, wie diese Arbeit zu der von Vanessa, Angels Mutter passte.

Das Schiff wurde von den Wellen hin und her geworfen. Angel schwankte gegen die Reling und hielt sich fest.
»Alles Okay?« Sie nickte und band sich wegen des Windes, die Haare straff nach hinten. Mit dieser Frisur wirkte sie viel zu ernst und kalt. Zwischen Weißen Haien zu tauchen, war nicht ungefährlich. Sie waren unberechenbar, selbst für langjährige Forscher. Dementsprechend brachten alle einen gewissen Respekt mit an Bord.

Alexander stand zwischen mir und Dante. Überheblich grinste er mich an, während die Wellen uns von links nach rechts rissen. Reine Provokation.
»Wer steigt zuerst rein? Was ist mit dir Dimitri?« Für einen Moment lenkte mich Angel ab und ich war völlig auf sie fixiert. Ich nickte der Crew bloß kurz zu.
»Von mir aus. Ich hab keine Angst.« Alex verschränkte die Arme und schnaufte.
»Natürlich nicht. Wie konnte ich etwas anderes denken...«, schaute er in die Tiefe, als die ersten Flossen im Wasser zu sehen waren.
»Willst du mit?« Angel schaute mich an.
»Sicher. Deshalb sind wir schließlich hier.« Die Wellen schwappten und schlugen auf das Deck. Ein lautes Geräusch schreckte uns auf. Plötzlich löste sich eine Leine am Schiff und die schwere Ladung die angebracht war, erwischte ein paar der Passagiere. Ein einziges Durcheinander herrschte an Bord, auch wenn sie nur leicht getroffen wurden, lenkte es die Crew und mich für einen Moment völlig ab.


Dem bedrohlichen Rauschen der nächsten Wellen folgte der dünne Schrei einer hellen Stimme.
»Dimitri, die Ladung hat sie erwischt.« Dante deutete in ihre Richtung. Mit dem Schwanken des Schiffes, wurde sie samt der Ladung zurück auf die andere Seite des Decks geworfen.
»Halt dich fest!« Doch Angel stand genau in der Bahn der Leine und wurde fast unter dem Gerümpel begraben. Nur knapp konnte sie ausweichen und rutschte dabei mit ihren Sneakers auf dem nassen Boden weg. Sie glitt unter der Reling hindurch, ungebremst ins Meer. Sie wurde von einer Welle in die Tiefe gedrückt und verschluckt. Wie waren wie erstarrt und ich suchte sie in den Wellen. Iris eilte zum Bootsrand und schaute in die Tiefe.
»Tut doch irgendwas!«
»Iris warte!«, hielt ich sie davon ab ihr hinterher zu springen. »Bleib hier, ich hole sie.« Ich warf einen Rettungsring aus und zog meine Turnschuhe aus.
»Das Wasser ist voller Köder, beeil dich...«, erinnerte Dante mich. Mein Puls schlug schneller und unsere Blicke verharrten auf dem unruhigen Seewasser. Keine Spur von Angel.
»Verdammt..., ich geh rein!«, nickte ich dem Forschungsleiter und einem Taucher zu. Ich hatte Angst um sie und bereitete mich vor. Alles passierte innerhalb von Minuten.
»Da ist sie! Sie ist wieder aufgetaucht!«, stürmte Alexander zur Reling.
»Angel versuch zum Rettungsring zu kommen! Ich hol dich raus!« Ein Crew Mitglied hielt mich zurück, doch ich stieg aus meinen Klamotten und kletterte auf die andere Seite des Geländers.
»Werft frische Köder zur anderen Seite des Schiffes raus.«
»Dimitri!«, hörte ich ihre Stimme. Angel hielt plötzlich inne. Dunkle Schatten bewegten sich neben ihr. Es war faszinierend, wie ruhig sie wurde - hatte den Blick aufs Wasser gerichtet und verfolgte die Haiflosse neben sich. In dem Moment war sie ruhiger als ich. Äußerlich zumindest. Sie bewegte sich nicht.
»Die Wellen nehmen ab, der Wind dreht in die andere Richtung! Das ist gut«, stieß einer von der Crew aus. Einer der Seeleute ging rüber auf die andere Seite und warf die Köder weiter raus ins Wasser um die Tiefseejäger abzulenken.
»Dimitri...«
»Bleib ruhig Babe!«
»Sie streifen meine Beine...«, hörte ich ihre Stimme, die Angst war deutlich darin zu erkennen.
»Die gucken nur mal...«, versuchte es Dante mit Humor.
»Das klang nicht sehr überzeugend...«, stellte sie fest. Ein weiterer Schatten bewegte sich unter ihr im Wasser. Neugierig sammelten sich drei der Weißen Riesen um sie herum. »Ich will hier raus...« Iris und Paola standen mit den Kindern kreidebleich neben mir. Das Forschungsteam und die Crew waren in heller Aufregung und versuchten die Jäger abzulenken, um sie auf die andere Seite zu locken.
»Das sind noch Jungtiere. Bisher jagen sie hier in der Bucht nur Fisch. Gefährlich wird's wenn die Alten kommen«, erklärte der bärtige, dunkelhäutige Seemann. Angel kam nicht gegen die Wellen an und schaffte es nicht zum Ring. Ich wartete nicht länger und sah Dante an.
»Holt uns raus, sobald wir den Rettungsring erreicht haben!« Einer der Riesen stieß sie plötzlich an und ihr Schrei ging mir durch Mark und Bein.
»Alles Okay?«
»Nein... nichts ist Okay... Ich hab einen Krampf. Mein Bein tut weh!« Als ich bemerkte, dass weiter Flossen in der Ferne auftauchten und die Schatten größer wurden, sprang ich rein und ließ mich von dem Wellengang mitreißen. Als ich sie erreichte und an mich ziehen konnte, hielt ich sie fest. Einen Moment wartete ich ab. Die See wurde seichter. »Halt dich gut fest, leg deine Arme und Beine um mich.« Immer wieder hustete sie, durch das Seewasser das sie verschluckte. Endlich entfernten sich die Schatten etwas, hielten mich womöglich für eine größere Beute und prüften die Lage. Sie umkreisten das Fischerboot in einem weiträumigen Radius. Wir nutzen den Moment und ich schwamm zum Rettungsring, schwamm entlang der Leine zurück. »Zieht sie rein, schnell! Da ist Blut im Wasser!« Als ich Angel am Schiffsrand hoch hob und wir die Wunde an ihrem Bein sahen, ging ein betretenes Schweigen durch die Runde. Dante nahm sie mir ab, so konnte auch ich mich an der Reling raufziehen.

»Angel, alles Okay?«, löste sich Iris. Erschöpft ließ sie sich sinken und bemerkte das Blut an ihrem Kleid. Sie brachte kein Ton raus.
»Seht euch das an! Herr Gott!«, stieß ich aus und warf von Angel ein Blick ins Wasser.
»Von wegen Jungtiere, das sind vier oder fünf riesen Viecher, du hast sie doch nicht alle..., springst da einfach rein«, brummte Dante gestresst.
»Das Blut von der Wunde muss so viele angelockt haben.« Die Crew brachten uns Decken und einen Erste-Hilfe-Kasten. Ich legte Angel eine der Decken über die Schultern und hockte mich zu ihr.
»Zeig mal her.« Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Wie viel mir dieser kleine Mensch plötzlich bedeutete. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sie mir eines Tages so wichtig werden würde. »Zum Glück nur eine Schnittverletzung vom Sturz, kein Biss! Hast du Schmerzen?« Mit ihrem Blut, an ihren Händen hatte ich zu kämpfen, obgleich es nur von der Verletzung an ihrem Bein kam.
»Es brennt aber es ist auszuhalten.«
»Verdammt war das knapp. Dann soll dich doch lieber Dimitri fressen«, merkte Dante ironisch an. An seinem Blick erkannte ich, dass es ihm hier nicht mehr nur um seine Arbeit ging. Er passte auf. Ob auf sie oder auf mich, war noch nicht ganz klar.
»Damit konnte niemand rechnen...« Ich wollte das Gespräch auf später verschieben. »Alles gut soweit. Ich hab es gesäubert. Ich mach noch was drauf und wenn sich der Schock gelegt hat, wird es dir bald besser gehen. Die Verletzung ist halb so schlimm«, sprach ich mit ihr, da sie noch unter Schock stand. Juli löste sich von Iris und lief zu Angel. Sie warf sich in ihre Arme und war ganz aufgeregt. Angel beruhigte sich augenblicklich und atmete auf. Sie war für Juli ruhig und sammelte sich schnell. Sie schloss das kleine Mädchen vertraut in ihre Arme.

Es fing an zu regnen und ich hob sie hoch, setzte sie ins Trockene und sah in die blassen Mienen um uns herum. Ich massierte leicht ihre Wade. Sie hatte noch immer einen Krampf.
»Danke«, lächelte sie. »Es wird besser.« Paola reichte uns eine Flasche Wasser aus ihrer Handtasche und setzte sich neben Iris und die Kinder. Wir überlegten erst mal ins Hotel zurückzukehren von den anderen hatte keiner mehr Lust aufs Tauchen. »Na ja, ich würde schon gern noch tauchen. Jetzt sind wir schon mal hier«, merkte Angel an.
»Du Freak... Sicher?«, musterte ich sie.
»Mir waren sie nah genug«, gab Alexander zu lehnte dankend ab. Auch Iris und Paola winkten ablehnend und traten von der Reling zurück. Inzwischen hatte die See sich wieder beruhigt aber der Schock war bei den Meisten noch deutlich zu sehen. Angel blieb stur.
»Also ich steige da jetzt gleich noch mal auf normalem Weg rein.« Sie saß auf einer weißen Bank und biss die Zähne zusammen, als sie aufstand.
»Bist du sicher?«, erkundigte ich mich noch mal.
»Ja, wer weiß, wann ich noch mal die Gelegenheit bekomme. Sie haben mir ja nichts getan und können auch nichts dafür, dass ich reingefallen bin... Warten wir einen Augenblick und dann will ich da rein...« 

Die Crew half uns dann in die Anzüge. Währenddessen blieb Angel vor mir stehen, damit ich ihr Halt geben konnte. Sie stützte sich bei mir ab und ich zog ihr den Reißverschluss zu.
»Nettes Outfit«, pfiff Dante leise und griff nach seiner Kamera.
»Was ist mit dir Kameramann, hast du auch Angst?«, neckte sie ihn. Doch er grinste sie frech an und reagierte fast schnippisch.
»Tse komm mir nicht so du Zwerg.« Er ließ sich tatsächlich überreden. Dante war ein guter Taucher und ein Fan von Haien. Zusammen mit ein paar anderen Touristen, ließen wir uns ins Wasser fallen. Die Haie kamen erst nach einer halben Stunde zurück. Unter Wasser waren die Jäger nicht weniger beeindruckend. Im Gegenteil. Der Gedanke daran, dass sie eine Weile ohne Schutz zwischen diesen Riesen verharren musste, gefiel mir nicht. Die Taucheranzüge waren verstärkt. Nicht unzerstörbar aber extra für solche Tauchgänge angefertigt. Die Augen der Tiere waren gefühllos. Im Vergleich zu ihr reinste Monster. Fünf ausgewachsene Tiere hatten sich mittlerweile eingefunden und alle trugen irgendwelche Sender an den Rückenflossen, wurden das ganze Jahr über wohl bewacht. Das Wasser war leicht trübe durch den Seegang. Sharkville war ein Paradies für Forscher, denn hier konnte man die Tiefseeräuber auch nachts bei der Jagd beobachten.

Eine Weile blieben wir unten, es wurden immer mehr und je mehr Haie es wurden, umso weniger Leute blieben bei uns. Erst ziemlich zum Schluss tauchten auch wir wieder auf. »Gib mir deine Hand Engelchen, ich helfe dir raus«, grinste Dante sie an. Als ich oben war und noch immer seine Hände an ihr bemerkte, stieß ich ihn grob zur Seite.
»Pfoten weg!« Meine drohenden Blicke sorgten vorerst für klare Fronten und er wusste genau, dass ich ihn durchschaut hatte. Ich zog sie an mich und hob sie hoch, als ich sah, dass sie noch humpelte.
»Dimitri ich...«, vermutlich merkte sie die Anspannung zwischen mir und Dante.
»Ich will kein Wort hören«, würgte ich ihre süße Stimme ab und bemerkte den verlegenen Ausdruck. Sie schwieg und ich behielt sie gerne noch eine Weile auf dem Arm.

Loyalty - heart reflection (Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt