Kapitel 47-Zwickmühle

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9.Tag

Finnick P.o.V.

Die ersten Sonnenstrahlen suchen sich einen Weg zwischen den Felsen hindurch und splittern sich zu unscharfen hellen Streifen.
Es ist schon früher abend, trotzdem habe ich meinen Orientierungssinn total verloren.  Ich gehe in irgendeine Richtung, die ich für richtig halte.
Ich gehe einfach neben der Sonne entlang immer weiter. Der dreckige Boden schlängelt sich zwischen den ebenso staubigen Felsen hindurch.
Hin und wieder sehe ich dunkelrote, trockene Bluttropfen oder verwischte Blutspuren an  den Felsen.

Auf einmal sehe ich etwas in der Ferne aufblitzen. Verwundert sehe ich genauer hin.
Glänzendes Metall spiegelt die Sonne wieder und blendet mich mit ihren grellen Strahlen.
Das Füllhorn!
Wenn da das Füllhorn ist, kann die Höhle nicht weit sein. Bestimmt sind sie da.
Meine Beine fangen automatisch an, ein wenig schneller zu laufen.
Immer schneller und schneller, bis ich irgendwann fast schon renne.
Geschickt weiche ich den Felsen aus,  die sich mir in den Weg stellen, springe über Steine und hinterlasse eine trockene Staubwolke hinter mir.

Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen, als ich die Höhle nach kurzer Zeit erreiche.
Trotzdem knallt sie schon mit voller Kraft auf mich herab und bereitet mir langsam Kopfschmerzen und einen trockenen Hals.
Erst bleibe ich kurz stehen und höre genau hin, ob ich jemanden höre, aber es ist still.
Ich schnalle meinen Dreizack noch ein wenig fester und fühle kurz in meiner Westentasche, ob in ganzen Briefe noch da sind.
Erleichtert atme ich aus, als ich das zerknittert Papier zwischen meinen Finger spüre.
Kurz entschlossen setze ich meinen ersten Fuß in den dunklen Gang, der zur Höhle führt.
Es ist etwas kälter als draußen, fast schon angenehm.
Nach ein paar Metern und Ecken wird es dunkel. Das Licht findet keinen Weg mehr um die Ecken herum. Ganz langsam taste ich mich vorwärts und versichere mich ab und zu, ob ich noch alles bei mir habe.
Wenig später sehe ich einen kleinen Lichtspalt und gehe schneller.
Als ich in der Höhle ankomme, sehe ich die anderen erst, nachdem ich einzige paar Mal hingeschaut habe.
Sie liegen auf dem Boden, eingehüllt in Schlafsäcke oder Decken und schlafen ruhig und friedlich.
Paul schnarcht ganz leicht und ich muss grinsen.
Ich könnte sie jetzt alle umbringen.
Nicht nur, dass sie absolut hilflos schlafen, ich habe auch noch eine Liste aller ihrer Schwächen und sie wissen es noch nicht einmal.
Ich könnte Paul töten und Silla noch gleich dazu. Jetzt wäre es meine Chance.
Schob verlockend.
Laze könnte ich auch töten.
Ich hätte die Hungerspiele so gut wie gewonnen.
Dann würden nur noch Quiron, das Nervenbündel und den einsamen Zwilling töten.
Quiron könnte vielleicht ein kleines Problem sein, aber die anderen nicht.
Ich kann der Versuchung, mein Messer zu ziehen nicht widerstehen.
Ich bin überzeugt davon, dass jetzt alle Bildschirme in Panem mich in Nahaufnahme zeigen, wie ich mit gezogenem Messer auf Paul zu gehe. Bestimmt kann jetzt keiner wegsehen.
Aber ist es nicht eigentlich feige für einen Karriero so etwas zu tun?
Ich bleibe kurz stehen.
Sie wollen einen richtigen Kampf.
Von Angesicht zu Angesicht.
Von Paul zu mir.

Ich lasse das Messer sinken und schaue grinsend in eine der Ecken, wo ich eine Kamera vermute.
,,Ihr bekommt euren Kampf noch früh genug. Glaubt mir, es wird der beste Kampf den ihr je gesehen habt", triumphiere ich.
Genau in diesem Moment höre ich es neben mir Rascheln.
Ich drehe mich ruckartig um und hebe das Messer, bereit, zu werfen.
Silla grinst mich an.
,,Kein Grund, mich direkt zu töten", lacht die Brünette.

Ich lasse das Messer sinken und lächele zurück.
Sie schält sich aus ihrem Schlafsack und steht gähnend auf.
,,Wir dachten schon, wir hätten doch verloren."

Bei dem Gedanken muss ich lachen.
,,Gegen den kleinen Idioten?"

Sie lächelt freundlich zurück und schiebt sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.

Die Tribute von Panem-Dunkele LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt