Kapitel 64-Zwei Gesichter

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@ernator gewidmet :)

Finnick P.o.V.

Schon bevor ich überhaupt in den Saal trete, höre ich die Musik und die viele fröhlichen Stimmen. Zwei Avoxe stehen am Ende des Flurs und öffnen uns die Tür, als ich auf die golden verzierte Wand zutrete, vorbei an all den Gemälden, die die weiße Wand schmücken. Die Avoxe würdigen mich keines Blickes, aber dafür die Menschen hinter der Tür. Sie sind alle nur wegen mir gekommen.

Kaum öffnet sich die Tür, wenden sich alle Blicke mir zu und mein Herz fängt sofort an, schneller zu schlagen. Alle sind bunt gekleidet und bilden einen kleinen Gang für mich, als ich breit grinsend einen Schritt durch die Tür mache. Es sind weniger Menschen, als ich erhofft habe, aber vielleicht ist es doch besser so. Es sind ungefähr zwanzig Leute, die meisten halten Sektgläser in der Hand. Das alles sind meine Sponsoren, die mir in der Arena geholfen haben zu überleben und ihre Familien. Ihr überschwängliches Lächeln verrät mir, dass es nicht mehr das erste Glas Sekt an diesem Abend ist. Aus der Mitte der Menge kommt Cleophy hervor.

,,Finnick!", ruft sie und wird von einer lauten gelassenen Stimme unterbrochen.

,,Da ist er endlich."

Alle Gesichter drehen sich in die Richtung der Stimme, die aus der hintersten Ecke dröhnt.

Ein Lächeln umrahmt das alterslose Gesicht, das von einem dunklen Bart umrahmt wird. Seine Haut ist makellos, deshalb bin ich mir sicher, dass er ein stolzes Produkt der Chirurgen des Kapitols ist. Die fast schwarzen Augen strahlen eine Art Schadenfreude aus. Seine kurzen schwarzen Haare sind glatt nach hinten gekämmt.  Langsam erhebt sich der Mann, dessen ganzer Körper Ruhe und Macht ausstrahlt.  Wie angewurzelt bleibe ich stehen und sehe den Mann an. Langsam geht er an Cleophy vorbei, die ihn fast bewundernd ansieht.

Lächelnd stellt er sein noch ganz volles Glas auf das Tablett eines empörten Avoxes, der neuen Sekt bringt.

,,Wir kennen uns bereits", stellt er fest und lacht kurz auf, als er meinen erstaunten Gesichtsausdruck sieht.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und verziehe meine Lippen zu einem schrägen Lächeln, das seinem ein weinig ähnelt.

,,Tun wir das?"

Ich halte ihm meine ausgestreckte Hand hin. ,,Finnick Odair", sage ich, obwohl er es sicherlich schon längst weiß. ,,Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen."

Lächelnd schüttelt er meine Hand. ,,Lyon Decobe. Die Freude ist ganz meinerseits."

Der ganze Saal sieht uns immer noch stumm an.

,,Wie wäre es, wenn wir uns mal ein wenig unterhalen, Finnick?", fragt Lyon und ich traue mich nicht, sein Angebot abzulehnen. Außerdem interessiert es mich, was einem so ruhigem Mann so einen Respekt verschafft.

Ich folge Lyon quer durch den Raum und wir gelangen in einen zweiten Raum, in dem zwei rote Samtsessel stehen. An jeder Wand hängt ein golden umrandeter Spiegel, der die Hälfte der jeweiligen Wand einnimmt. Ich betrachte mein Spiegelbild, dass durch den gegenüberliegenden Spiegel noch einmal gespiegelt wird und dadurch einen schwindelerregenden Tunneleffekt erzeugt. 

Lyon lässt sich in einen der Sessel fallen und ich setze mich ihm gegenüber. ,,Was verschafft mir die Ehre, Mister Decobe?"

,,Nenn mich Lyon." Er lehnt sich nach vorne und legt die Hanflächen aneinander. ,,Hat dir der Dreizack gefallen?"

Eine unsichtbare Faust drückt sich in meine Magengrube.

,,Das waren Sie?"

Lyon lacht, atmet laut aus und antwortet: ,,Ja, Finnick, das war ich." Bevor ich noch etwas sagen kann, hebt er die Hand und bedeutet mir zu schweigen.

,,Ich weiß, dass du dich fragst, woher ich das alles weiß und wieso ich euch die Briefe geschrieben habe. Aber eigentlich ist es ganz einfach." Mitten im nächsten Atemzug hält er inne, als sich die Tür erneut öffnet und ein Avox hereinkommt.
Das junge Mädchen ist kaum alter als ich, aber sie sieht so aus, als habe sie schon Schlimmeres erlebt, als es für dieses Alter gut ist.
Ihre roten Haare sind hochgesteckt und sie trägt ein Tablett mit Sekt.
Lyon nimmt sich ein Glas und ich probiere das sprudelnde Getränk ebenfalls.
Der Avox verlässt den Raum wieder und Lyon stellt sein immer noch volles Glas neben seinen Sessel.

,,Weißt du, Finnick, ich hatte einen kleinen Bruder. Als ich schon zwanzig Jahre alt war, wurde er für die Ernte gezogen. Ich konnte mich nicht mehr für ihn freiwillig melden und er starb in der Arena."

Die Geschichte ist eigentlich eher traurig, aber Lyon erzählt sie beiläufig und unbeteiligt, als wäre es der Wetterbericht.

,,Was hat das mit den Briefen zu tun?", hake ich nach.

,,Ich habe ihm immer Sponsorengeschenke schicken lassen. Kleine Sachen, manchmal nur ein Brötchen oder einen Apfel." Lyon macht wieder eine Pause und zupft mit scharfem Blick einen Flusen von seinem Anzug.

,,Dazu habe ich ihm immer Briefe mit Tipps geschickt. Ich dachte, er hätte eine Chance damit."
Immer noch zeigt er keinen Hauch von emotionaler Regung. Dieser Mann ist ein wahrer Schauspieler. Er könnte das ganze Kapitol davon überzeugen, dass Fische eigentlich Pflanzen seien.

,,Es ist genau zwanzig Jahre her. Ich wollte jedem von euch eine Chance geben, zu überleben. Wie ich es mit meinem Bruder getan habe."

Gespannt mustere ich ihn und lehne mich in meinen Sessel zurück.

,,Du hast diese Chance ergriffen. Hier bist du also."

Ich nicke langsam, weil ich keine Ahnung habe, worauf Lyon hinauswill.
Lächelnd streicht er sich durch seinen Bart.
,,Ich habe dir geholfen zu überleben. Habe dich angespornt."
Ich nicke. Die Spitzen mit der Gravur kommen mir in den Sinn.
,,Woher wussten Sie all das über uns?", frage ich unsicher.

Lyon zeigt seine glänzenden Zähne.
,,Ich habe nur ein bisschen herum gefragt. Du wärst erstaunt, was man alles in einem Tag in Erfahrung bringen kann."

Ich runzle die Stirn und suche das Ende in Lyons unendlich tiefen Augen.
Er legt seine Arme auf die Lehnen des Sessels ab und streicht über das Samt.
,,Genau diese Sessel haben sie auch im Rathaus", sagt er gespielt wehmütig.
,,Auf so einem saßen wir, als wir uns verabschiedet haben."
Er redet von der Verabschiedung von seinem Bruder bei der Ernte. Ich erinnere mich an die Sessel und streiche ebenfalls über den weichen Stoff.
,,Wieso sind Sie gekommen?", frage ich endlich mit fester Stimme und sehe Lyon fest an.

Jedes Zeichen von einem Lächeln verschwindet aus seinem Gesicht. ,,Ich habe dir schon einmal geholfen, zu überleben und das soll nicht umsonst gewesen sein. Deshalb möchte ich dir helfen, dort draußen zu überleben."
Er nickt auf die Tür.
,,Jeder Mensch hat etwas Gefährliches an sich, Finnick. Denn jeder Mensch hat zwei Gesichter. Auch die, von denen du es am wenigsten denkst. Und dieses zweite Gesicht ist gefährlich. Es ist sogar tödlich für dich."
Ich folge seinem Blick durch die Tür, durch den Saal mit meinen Sponsoren, zum gegenüberliegenden Präsidentenpalast.

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Ich habe dieses Kapitel aus Versehen schon mal hochgeladen, als es noch nicht fertig war. 
Aber hier ist es ganz. Ich hoffe, es gefällt euch :)
Yeay, jetzt ist die Sache mit den Briefen auch mal raus :D
Noch schöne Weihnachtstage, falls ich nicht mehr davor update :)
Viele Grüße
Lona♥

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