Kapitel 53 - Unverändert, ohne Reaktion

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"Schatz? Schaaatz?" rufe ich und laufe in unser Schlafzimmer. Ich habe vorhin zu Lilly gesagt, dass sie duschen gehen soll und jetzt, keine halbe Stunde später liegt sie immer noch im Bett. Seufzend betrete ich unser Schlafzimmer und schlage die Decke, in welcher sie eingekuschelt ist zurück. Sie schaut mich kurz böse an, doch als ich sie im Brautstyle hochhebe und mit ihr auf dem Arm das Schlafzimmer verlasse, schaut sie mich beleidigt an.

"Lass mich." höre ich leise seit ewigkeiten endlich ihre Stimme wieder. Doch ich schüttel nur den Kopf und schiebe die Badezimmertüre mit einem Fuß auf. Behutsam setze ich Lilly auf der Toilette ab und schließe ersteinmal die Türe. Wir sind zwar alleine im Haus, da ich Alexa heute morgen wieder in den Kindergarten gebracht habe, doch trotdem soll es nicht all zu kalt im Badezimmer werden. Sie hat, anders als gestern, nicht an mir gehangen sondern ist gleich zu Jake gegangen. Ich war nach einem kurzen Kuss Luft für sie, weshalb ich dann gegangen bin. Natürlich habe ich Kaya darüber informiert. Doch wieso sollte ich dort bleiben, wenn ich weiss, dass Lilly wichtigere Hife braucht?

Leise mache ich den Radio auf der ablage über dem Waschbecken an, damit Lilly sich vielleicht etwas wohler fühlt. Früher hatte sie dauernd beim baden oder beim kochen Musik laufen. Während Lilly immernoch genau so auf der Toilette sitzt, wie ich sie abgesezt habe, lasse ich angenehm warmes Wasser in die Badewanne laufen. Etwas Badezusatz in die Wanne gebend, drehe ich mich halb um Lilly ruhig dasitzen zu sehen. Kein Mucks gibt sie von sich. Keinen Milimeter bewegt sie sich. Kein Wort redet sie.

"Komm her, Schatz." sage ich leise, nachdem ich das Wasser abgestellt habe und knie mich vor sie.

"Na komm, das Wasser wird sonst kalt." lächel ich und ziehe ihr die Socken aus. Auch als ich ihr vorsichtig die Jogginghose ausziehe, sagt sie kein Wort. Gedankenverloren schaut, nein starrt sie an mir vorbei. Es ist, als würe sie mich und ihr Umfeld gar nicht realiesieren sondern nur in ihrer eigenen Welt leben. Nachdem ich ihr auch noch ihr Shirt und ihre Unterwäsche ausgezogen habe setze ich sie langsam in das arme Wasser. Leider sagt und macht sie wie die ganze Zeit schon absolut gar nichts. Seufzend hole ich einen frischen Waschlappen, Shampoo und Duschgel aus dem Schrank und lege alles neben die Badewanne.

"Ich bin gleich wieder da, Schatz." sage ich zu ihr und gehe aus dem Zimmer, natürlich die Türe hinter mir schließend, damit es nicht zu kalt wird und gehe in unser Schlafzimmer und neue, frische Kleidung für sie zu holen. Mit diesen auf den Armen gehe ich wieder zu Lilly.

Etwas umständlich öffne ich die Badezimmertüre wieder, doch als ich meinen Blick auf Lilly richte, lasse ich die Kleidung sofort fallen und renne sofort auf sie zu. Föllig panisch und ohne lange zu überlegen packe ich sie an den Oberarmen und ziehe ihren Kopf somit wieder an die Luft. Sie öffnet ihre Augen, japst kurz nach Luft aber sagt nichts. Gar nichts. Erschrocken starre ich sie an, während sie schweigt.

"Was sollte das?" frage ich sie erschrocken, doch sie schut mich nur mit ihren braunen Augen unschudig an. Erschöpft knie ich ich neben sie, lasse ihre Oberarme aber nicht los. Schnell aber sanft drücke ich sie an mein Shirt, einen Arm um ihren Rücken geschlungen. Mit der anderen Hand streiche ich ihr sanft am Hinterkopf über ihre nassen Haare. Mir egal, ob ich dadurch jetzt komplett nass werde, wie könnte mich das auch nur ansatzweise interessieren? Jetzt, in so einer Situation? Der Schock sitzt immernoch tief in meinen Knochen. Hätte ich vielleicht einen Moment länger ihre Kleidung ausgesucht, dann wäre Alexa vielleicht eine Halb-Waise. Dann hätte ich keine Lilly mehr. Dann wäre ich alleinerziehender Vater. Dann hätte ich die Liebe meines Lebens verloren.

Ja, auch wenn wir momentn eine schwierige Zeit durchmachen müssen, ist sie meine Lilly. Ich liebe Lilly so dermaßen, dass es weh tut. Sie ist die Mutter meiner Tochter. Sie ist mit Alexa mein Ein und Alles. Sie da so zu sehen, blaue Lippen, leblos, unter dem Wasser, das war einer der schimmsten Momente meines Lebens. Wie einzelne Luftblässchen an die Oberfläche kriechen und dort nach kurzen verweilen platzen, wie ihre Hand leblos am Rand der Badewanne hängt, das ist und war ein schrecklicher Anblick. Nie wieder in meinem ganzen Leben möchte ich soetwas ansehen, miterleben. Wie kann sie einfach untertauchen und ihren Lungen keinen neuen, frischen Sauerstoff gewehren. Wie kann sie sich gegen das Leben wehren.Wie kann sie es freiwilig beenden wollen? Wie kann sie mir und Alexa das antun?

Doch was, wenn sie das gar nicht wahrgenommen hat? Was wenn sie nicht realiesert hat, dass sie dadurch sterben kann? Sie lebt momentan mehr in ihrer eigenen Welt, ich denke in dieser Welt lebt vor allem noch Kilian. Doch trotzdem ist hier, in der realen Welt auch noch ihre Tochter. Ihre und meine Alexa. Und ich. Ich bin auch noch da. Natürlich vertehe ich, dass sie die Trauer anders verarbeitet. Natürlich gebe ich ihr Zeit dafür. Doch schafft sie es alleine? Braucht sie Hilfe? Ich kann nicht länger mitansehen, wie sie sich in ihrer Trauer verliert. Seit fast 3 Monaten geht das nun schon. Jetzt reicht es.

Sanft hebe ich sie wieder aus dem Wasser, setze sie auf dem Toilettendeckel ab und trockne sie dann sorgfältig ab. Sie lässt alles einfach mit sich machen, spricht nichts.

Das Wasser den Abfluss hinunterlaufen lassend und die dreckige Wäsche in den Wäschekorb werfend widme ich mich wieder Lilly. Ich hebe sie wieder hoch und laufe mit ihr in unser Wohnzimmer. Nachdem ich sie auf der Couch abgesetzt habe, gehe ich in den Flur und hole unsere Schuhe. Meine zihe ich mir schnell an, bevor ich mit Lillys Schuhen in der Hand zu ihr laufe.

Im Auto sitzend läuft wieder Radio, während ich zu der Kleinen Praxis von Frau Kerry fahre. Mittlerweile hat sie eine eigene kleine Praxis eröffnet und ist nicht mehr nur die Psychologin des Krankenhauses. Sie ist nicht weit von unserem Haus entfernt, vielleicht 10 Minuten. Als ich auf dem Parkplatz vor der Praxis parke, schaue ich nochmal kurz zu Lilly, doch sie sitzt immernoch unverändert in ihrem Sitz. Den leeren Blick in die Ferne geworen. Ich schalte den Motor aus und steige aus. Auf Lillys Seite öffne ich ihre Türe und helfe ihr aus dem Auto. Zusammen laufen wir in das Gebäude, in die zweite Etage, auf welcher sich die Praxis befindet. Lilly sagt immer noch nichts.

Mit einem surrenden Geräusch öffne ich die Türe und trete in einen hellen Flur mit bunten Bildern. Einen Arm um Lillys Hüfte geschlungen laufen wir zum Tresen, an welchem ich mich mit meinem Namen bekannt gebe.

"Gehen sie doch schon einmal in Zimmer 2. Frau Kerry ist jeden Moment bei Ihnen." lächelt uns die ältere Frau an und widmet sich wieder ihren Unterlagen. Ich schaue kurz zu Lilly, um festzustellen, dass sie ihre Augen etwas mehr aufgerissen hat. Vielleicht kennt sie Frau Kerry ja noch bzw. weiss jetzt was ich vorhabe. Ich schiebe sie zu dem Sessel, der im Raum steht und setze sie vorsichtig auf diesen. Neben ihrem Sessel steht ein weiterer, auf welchem ich platz nehme. Wir warten einige Zeit, bis Frau Kerry kommt. Doch ausmachen tut es mir nichts. Immer wieder fällt mein Blick auf Lilly, doch die ganze Zeit sitzt sie unverändert in dem Sessel und starrt gedankenverloren vor sich hin. Wie gerne ich wissen würde, was in ihrem süßen Kopf vorgeht.

"Guten Tag." hallt auf einmal eine Stimme durch das Zimmer, was mich aufsehen lässt. Mit einem Lächeln im Gesicht schaut Frau Kerry uns an.
"Schön, dass ihr gekommen seit." Sie setzt sich auf den dritten und letzten Sessel in diesem Zimmer.

"Ich danke Ihnen." gebe ich zurück. Ohne sie wüsste ich nicht, was ich machen würde.

"Ich habe mir Lillys Akte nochmals durchgelesen, damit ich auf dem damaligen Stand der Dinge bin. Doch wie ich sehe, hat sich sehr viel verändert." skeptisch schaut sie zu Lilly. Oh ja in den letzten Jahren hat sich unser Leben mehr als ein bisschen verändert.

"Sie hört mich oder?" fragt sie leise an mich gewandt, da Lilly mal wieder keinerlei Reaktionen zeigt.

"Ja. Nur sie scheint uns nicht ganz wahrzunehmen. Wenn ich sie aber zum Beispiel frage, ob sie etwas essen möchte, dann blogt sie ab. Also sie hört mich schon." gebe ich ihr Bescheid. Ich weiss auch nicht, wie ich das beschreiben soll. Sie antwortet auf die meisten Fragen, auch wenn nur mit Kopfnicken oder eben -Schütteln. Doch sie sagt nichts,

"Okay. Am Besten wir fangen ersteinmal von vorne an. Ich möchte nicht nur wissen, was in den letzten 3- Monaten passiert ist, was der Auslöser war sondern auch wie ihr Leben dafor war. Ich weiss, es ist viel verlangt aber es würde mir ziemlich helfen, wenn sie mir die wichtigsten Aspekte aus den letzten 5 Jahren zu erzählen." Sie hat wie letztes mal auch wieder eine Akte und einen Block vor sich, auf dem sie alles mitschreibt.

"Natürlich, also ähm wo fange ich an." überlege ich und schaue nochmals zu Lilly.

alright?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt