Erinnerungen

3.1K 199 12
                                    

Sie hatten es lebend geschafft.

Percy lehnte sich an einen Baum außerhalb der Mauer, und atmete tief durch. Annabeth setzte sich neben ihn, und strich ihm über den Arm.

"Percy? Alles okay?", fragte sie vorsichtig, und der Junge mit den grünen Augen nickte.

"Ich bin nur...erschöpft, würde ich sagen. Und hungrig," fügte er noch hinzu. Die Blonde lachte.

"Ja, es ist viel passiert," stimmte sie ihm zu.

Sie saßen schweigend nebeneinander, bis sie plötzlich Schüsse hörten.

Percy zuckte zusammen, und er-

-er war wieder in der Bücherei.

Der Typ hielt seine blutende Nase und sah wütend auf ihn herab.

"Du Wichser," fluchte er und hob seine Waffe.

Luke, der hinter Percy stand, erstarrte.

"Hey, warte. Können wir ihn am leben lassen?", bat der blonde Junge. "Ich...Er war ein Freund von mir."

Der andere Junge blickte von Percy zu Luke.

"Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, als wir das hier alles geplant hatten. Keiner wird verschont. Keiner soll überleben wenn wir das Geld haben wollen."

"Aber Percy hat nichts getan. Weiß nichts. Und unsere Aufgabe war doch nur das Mädchen zu töten," warf Luke ein.

Der Typ schnaubte. "Julius bezahlt unserer Familie genug Geld für den Rest ihres Lebens, selbst wenn wir sterben. Willst du, dass deine Mutter auf der Straße landet? Nein? Dann muss er sterben."

Er hob seine Waffe, und zielte genau zwischen Percys Augen.

Percy sah in den hohlen Lauf, kniff seine Augen zu, und es war merkwürdig.

Sein ganzer Körper war erstarrt, obwohl sein Herz Adrenalin und Blut in Massen durch seine Adern pumpte.

Es ging so schnell.

Der andere drückte ab, und Luke schrie auf. Er stieß Percy mit seinem Bein zur Seite und hob seine eigene Waffe.

Es war laut, so laut. Viel lauter als es möglich sein sollte

Langsam öffnete Percy seine Augen.

Der Typ lag auf dem Boden, die Hälfte seines Schädels weg, und aus der Wunde quoll eine Mischung aus dunklem Blut und Gehirnmasse.

Er übergab sich, dann hörte er ein Fluchen hinter sich.

Luke war angeschossen worden, in seinen Oberschenkel.

"Luke? Hey, Luke. Wie schlimm ist es?", fragte Percy schwach und kroch zu dem Jungen, der das Loch in seinem Bein versuchte zuzuhalten.

"Oh Gott, scheiße. Scheiße verdammt. Percy, geht es dir gut?", fragte er und richtete seine Augen auf den Jungen, für den er eine Kugel eingefangen hatte.

"Ich lebe," antwortete er, und sah dann zum ersten Mal Lukes Bein richtig an.

Die Jeans war blutgeträngt, der Teppich darunter ebenfalls.

"Oh shit," hauchte Luke und schloss seine Augen. "Die Ader wurde getroffen."

Percy hockte sich neben Luke, und sah in sein Gesicht.

"Es wird alles gut, okay? Du wirst überleben, und alles wird gut. Versprochen."

Luke lachte laut auf. "Es wird nichts gut, gar nichts. Aber...sag meiner Mom das es mir leidtut, ja? Es...es tut mir leid. Bitte, bitte, bitte. Es tut mir leid."

Er weinte als er starb, und Percy hockte noch immer neben ihm, als die Polizei kam.

Die Beerdigungen dauerten lange.

Es waren sieben Tote, Luke nicht mitgezählt.

Percy war auf jeder einzelnden Beerdigung.

Die schlimmste war die von Bianca. Das schlimmste war Nico. Er erinnerte sich daran, wie nur eine Person bei der Beerdigung war als er kam, und das war Nico.

Der kleine Junge stand ganz allein an dem Grab, als Percy sich zu ihm stellte.

"Hey, Nico," sagte er vorsichtig.

Nico reagirte nicht, sondern sah weiter auf den Boden.

Die Tränen liefen ihm über die Wangen, das Kinn entlang, bis auf den Anzug den er trug, vollkommen in schwarz.

Das Hemd war schwarz, das Jackett, die Krawatte.

Es war ein schöner Sommertag, zu schön um wahr zu sein.

"Hallo Percy," begrüßte er ihn nach einer Weile, als hätte er erst jetzt registriert das er da war.

"Nico...wo sind deine Eltern?", fragte Percy vorsichtig, doch er antwortete nicht.

"Nico?"

Percy legte dem kleineren Jungen eine Hand auf die Schulter, und der zuckte zusammen.

"Ich habe keine Eltern, Percy. Ich habe nur Bi- Ich hatte nur Bianca. Ich habe nichts."

"Es tut mir leid, es tut mir so leid. Ich...Ich hätte sie retten sollen. Ich hätte irgendetwas tun sollen," sagte Percy, und er weinte.

Nico legte seinen Kopf in den Nacken und lachte. Er lachte laut, wie ein Kind an Weihnachten.

"Ja, Percy. Das hättest du, oder? Aber jetzt ist es zu spät. Bianca ist tot, und du lebst."

Der kleinere Junge drehte sich um und sah ihm zum ersten Mal in die Augen.

"Ich wünschte, du wärst es gewesen. Das wünsche ich mir wirklich. Würde dein Tod sie wieder lebendig machen, würde ich dich hier und jetzt umbringen. Aber das würde nichts bringen. Aber ich sage dir eins: ich werde jetzt nach Hause gehen, meine Sachen packen und so lange laufen, bis ich sterbe. Ich will, das du weißt, das wenn ich sterbe, es deine Schuld ist," sagte er, und Percy erkannte in ihm nicht mehr den kleinen, fröhlichen Jungen mit seinem Kartenspiel wieder.

Nico hatte recht, er hatte überlebt, und Bianca war gestorben.

"Ich weiß. Es tut mir leid," flüsterte Percy.

"Ich weiß, dass es dir leid tut, aber das ändert nichts," sagte Nico und ging.


'Normal' ist Relativ (Solangelo)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt