Evelyn

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Noch immer stand ich völlig verwirrt da. Seine Mutter? "Folgt mir" sprach sie und drehte sich um zum Gehen. Weil alle so artig waren folgten sie ihr auch. Ich lief einfach wieder als letzter der Gruppe, so hatte ich alle schön im Blick. Überall standen komische Leute und beobachteten uns. Leben könnte ich hier nicht, ich fühle mich ja nicht mal ansatzweise wohl hier. Und diese Mutter gefällt mir auch nicht. Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl bei der. Irgendetwas sagt mir, dass das mit ihr kein gutes Ende nehmen wird.

Nach gefühlten 100 Jahren Geradeausgehens bogen wir endlich mal ab und liefen eine Treppe nach oben. Es war verdammt groß hier und noch dunkler als zuvor. Erst jetzt fange ich auch an den Krampus zu schätzen, mit all seinen schönen hellen Farben. Die Farbe Blau fehlte mir wirklich am meisten. Blau. Und Jeanine. Verdammt was mach ich hier überhaupt. Ich sollte schleunigst zurück rennen und um Verzeihung betteln. Wenn mein Todesurteil nicht schon längst geschrieben ist. Wie konnte das alles nur so enden? Enden in völligen Chaos. Wäre ich doch nur da geblieben, dann läge ich jetzt gemütlich mit ihr im Bett oder sonst wo. Ich hätte Leute um mich, die ich lange kenne und die mich lieben und schätzen. Wer weiß wie das hier mit den anderen der Fall ist. Wir kennen uns ja nicht mal ne Woche. Doch trotzdem blieb mir jetzt nichts anderes mehr übrig. Das wars dann wohl mit dem Liebesleben. Jetzt bin ich auch Fraktionslos, Gesuchte und Flüchtige und bereits verurteilt. Verräterin der Ken. Verbrüdert mit dem 'Feind'. Aber warum Feind? Was hatte Jeanine denn gegen sie? Sie benehmen sich doch alle wie normale Menschen.
"Kate?" rief jemand und holte mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf und starrte Tris an. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich stehen geblieben bin. "Ja?" antworte ich knapp. "Kommst du?" fragte sie erneut und deutete hinter sich zur Treppe. Ich nickte und lief hinter ihr her. Mein Blick brannte sich auf ihrem Tattoo an der Schulter ein. Ihre alte Fraktion, die Altruan.

Wir erreichten endlich das Ende der Treppe und gingen einen kleinen schmalen Gang entlang. Zum Glück war der halbwegs beleuchtet. Womöglich wäre ich sonst schon drei Mal gegen die Wand gelaufen. Und hier bestehen die Wände aus reinem Beton..
Der Gang endete mit einem kleinem Raum. In mitten stand ein großer ovaler Tisch mit Stühlen verteilt. Es war für 4 Leute gedeckt worden. Essen. Oh, das würde wirklich gut tun. Ich stürzte praktisch auf meinen leeren Platz zu und starrte hungrig aufs Essen. Four und seine sogenannte Mutter waren auch schon am Essen.

Nach dem Essen war es still. Auch während des Essen war jeder still. Außer dem Geschirr und Kauen hörte man nichts. Auch außerhalb wurde es still. Zudem dämmerte es schon. Und müde wurde ich auch. Ich saß gelangweilt da und starrte gegen die Wand. "Okay kann mir mal bitte jemand erklären was hier eigentlich los ist?" fragte Tris verwirrt und sah immer wieder zwischen Four und seiner Mutter hin und her. Die Frau lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah zu Tris, sagte jedoch noch nichts. "Tobias' Vater war sehr gewalttätig und der einzige Weg dort wegzukommen war meinen Tod vorzutäuschen. Die Altruan halfen mir so gut es ging" sagte sie schließlich. Oh, gut zu wissen. Four war nicht besonders beeindruckt von der Sache. Er lachte, jedoch nicht aus Freude. "Irgendwann war es Zeit wieder Kontakt aufzunehmen, vor einem Jahr habe ich es schonmal versucht" fügte sie hinzu. Ich hörte aufmerksam zu. Alles wichtige an Information wird gespeichert. Four atmete genervt aus und verdrehte die Augen. "Du hast mich benutzt, genauso wie du es jetzt auch tun wirst" sagte er gereizt. "Wenn wir uns zusammenzutun sind wir unschlagbar. Jeanine hätte keine Chance" sagte seine Mutter. Ihr Name war Evelyn, wie sich herausstellte. "Ich will Jeanine töten" sagte Tris trocken. Bei ihrem Namen wurde mir schlecht und ich verkrampfte. Halt dich jetzt im Zaun. Nicht weinen. Sie töten? Warum denn? Kann man das nicht anders lösen? Warum möchte mir jeder meine Liebenden wegnehmen. Alle nacheinander gehen verloren. "Ja nicht nur du" sprach Evelyn. Ich sah sauer zu ihr und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich wusste doch, dass diese Frau nichts Gutes mit sich bringt. "Sie will eine Armee, nichts weiter. Was wenn ihr sie gestürzt habt? Sie dann nicht mehr an der Macht ist? Wer dann? Du?... Das lässt sie gerne mal aus" sagte Four. Ich wurde mit jeder neuen Sekunde wütender. Mein Herz schlug eben doch noch für Jeanine. Ich befinde mich hier am falschen Ort. "Tobias ich bin immer noch deine Mutter" sagte sie liebevoll. "Nein, meine Mutter ist tot. Sie wurde beerdigt als ich 6 war" sagte er ausdruckslos. Auch das tat mir im Herzen weh. Meine Mutter fehlte mir. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Doch ich wollte jetzt keine verdammte Schwäche zeigen. "Tobias bitte-" flehte sie, doch Four's Hand knallte auf den Tisch. Das Weinglas fiel vom Tisch und zersprang mit einem scharfen Knall. Es spitzte gegen meine Schuhe. Alle waren still. Ich hatte das Gefühl den Atem anzuhalten. "Ich heiße nicht Tobias. Mein Name ist Four" rief er und stürmte aus dem Zimmer ein Stockwerk höher. Wieder waren alle still. Selbst Tris. "Willst du ihn ins Bett bringen oder soll ich?" sagte Evelyn. Tris stand sofort auf und ging ohne ein weiteres Wort.

Super jetzt war ich hier allein mit der Irren, die meine Partnerin töten will. Eigentlich sollte ich sie jetzt abstechen. Ich hätte leichtes Spiel. Nur sie und ich hier, Four würde es auch nicht interessieren. Doch ich ließ es sein. Ich starrte auf den leeren Teller vor mir. Die Stille war erdrückend. Erneute Tränen kamen in mir auf. Diese vielen Gedanken in mir lassen mich explodieren. Es ist so erdrückend. Alles ist still nur der Kopf nicht. Ich stand abrupt auf und wollte nur noch hier raus. Ich rannte den Gang entlang und immer weiter. Ich hatte keine Ahnung wo lang. Lange halte ich es hier nicht mehr aus. Ich bin hier am falschen Platz, ich gehöre hier nicht hin. Es geht einfach nicht. Diese Leute teilen meine Werte nicht. Nur wo hin? Wo soll ich jetzt hin?
Ich verlangsamte mein Tempo und stieß auf eine Metalltür. Sie war angelehnt. Ich öffnete sie, denn es war die einzige hier auf dem Gang. Dahinter war eine große Terrasse. Sie überblickte viel von der Stadt. Man sah das Zentrum genau. Und auch den Zaun. Er war so nah. Und auch die Sterne sah man bereits. Ich bleibe erstmal hier oben bis es hell wird und dann ziehe ich los.

Gedankenverloren ließ ich mich an einer geschützten Wand nieder und schloss meine Augen. Schwärze umhüllte mich...

Du und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt