D A V I DRunes Worte erreichen mich nur langsam. Es ist, als wären sie leichter als Luft, sanfter als Wasser. Ich schaue sie überwältigt an.
Ihr Gesicht ist schmerzlich offen. Sie zieht die Unterlippe zwischen die Zähne, presst die Augen zusammen. Ich höre Runes Atmung, die unregelmäßig geht und sehe ihre Finger, die sich in den Stoff ihres Oberteils krallen.
„Ich habe keinen Namen. Keinen richtigen", wiederholt sie, fester. „Denn ich weiß nicht, wer ich wirklich bin."
Ich rutsche näher zu ihr, um sie besser zu verstehen. Sanft wiegt Rune ihren Kopf und sieht durch die Äste der Bäume zum durchblitzenden Himmel. Ihre roten Locken fallen hinter ihr ins Wasser, doch sie beachtet es nicht.
„Meine allerersten Erinnerungen stammen von meiner Zeit vor den Slums", flüstert sie gen Himmel. „Es sind nur einzelne Fetzen. Ich erinnere mich vage an das Haus. An den dunklen Stein. An das flackernde Feuer in der Küche. An die Stimme der Frau, wenn sie mich hochhob. Ich muss ... muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein." Wie gebannt folge ich ihren Worten. „Dann war ich woanders. Bei einer anderen Frau. In den Slums." Rune sieht mich an, ihre Augen voller Emotionen und ich kann nur ihrer Stimme lauschen, die so vorsichtig zu mir dringt.
„Ihr Name war El. Oder so nannte ich sie zumindest. Wir lebten in einem Unterschlupf aus Tuch und Wellblech und da war diese Katze. Diese dürre, dreckige Katze, die immerzu um unsere Beine strich. Der ich jeden Tag etwas von meinem Essen gab, obwohl El es mir verbot." Ein flüchtiges Lächeln huscht über ihr Antlitz. „El hatte eine Arbeit auf den Kartoffelfeldern und ihr Rücken war dementsprechend kaputt. Aber sie schaffte es irgendwie, auch für mich genug Nahrung mitzubringen. Sie schuftete den ganzen Tag und kam immer erst am Abend wieder heim. Ich blieb meist in unserem Unterschlupf versteckt. Ab und zu schloss ich mich den anderen Slumkindern an und wir zogen durch das Viertel in der Hoffnung, Lebensmittel zu ergattern. Wenn ich das tat, schrie mich El abends an. Aber meine gestohlenen Lebensmittel nahm sie dennoch an."
„Wie ... wie alt warst du da?", frage ich, ganz sanft. Runes Blick trifft mich. Der Zug um ihre Mundwinkel ist hart.
„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich fünf oder sechs Jahre." Rune knetet den Saum ihres nassen Leinenhemdes zwischen den Fingern, presst das Wasser hinaus. Ich schweige und warte darauf, dass sie wieder zu sprechen beginnt. Es dauert eine Weile, doch dann fährt sie fort.
„Alles änderte sich an diesem einen Tag. Der Tag, an dem sie mich fanden." Runes Finger fahren unvermittelt über ihr Handgelenk. Über ihre Lederarmbänder, welche ihre Tätowierung verbergen. „Sie fanden mich mitten auf der Straße, am helllichten Tag. Ich spielte mit den anderen Kindern und fühlte, wie sie mich musterten. Sie flüsterten miteinander und deuteten auf mich. Auf mein rotes Haar."
Ihre Finger finden eine Strähne ihres Haares. Rune trennt die Locken auseinander, in Gedanken versunken.
„Ich hatte Angst und lief vor ihnen davon, zu unserem Unterschlupf, zu El. Und da fand ich sie." Rune bricht ab. Ich glaube, Tränen in ihren Augen zu sehen. Sie atmet ein. „Sie lag mitten in unserem Verschlag am Boden. Sie lag einfach da. Die grauen Augen weit aufgerissen, der Mund verzerrt. Unter ihr war eine riesige Blutlache. Und in ihrer Brust ... steckte ein Messer. Es wurde ihr bis zum Schaft ins Herz gestoßen."
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Freiheit - David & Rune
Science Fiction» „𝘋𝘰𝘤𝘩 ... 𝘦𝘴 𝘨𝘪𝘣𝘵 𝘦𝘵𝘸𝘢𝘴, 𝘥𝘢𝘴 𝘪𝘯 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘦𝘴𝘦𝘭𝘭𝘴𝘤𝘩𝘢𝘧𝘵 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘦𝘹𝘪𝘴𝘵𝘪𝘦𝘳𝘵." 𝘐𝘤𝘩 𝘴𝘦𝘩𝘦 𝘻𝘶 𝘙𝘶𝘯𝘦, 𝘧𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘯 𝘦𝘧𝘦𝘶𝘨𝘳𝘶𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘉𝘭𝘪𝘤𝘬. 𝘔𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘵𝘪𝘮𝘮𝘦, 𝘦𝘪𝘯 𝘏𝘢𝘶𝘤𝘩...