38 - Ebenbild

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R U N E

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R U N E

Energisch drängt mich Deidre einen zwischen Hecken verborgenen Kiesweg entlang, bis wir vor einem Hintereingang des Gebäudes sind. Sie hält ihren Dienstausweis vor ein Kästchen an der Türe, genau wie schon beim Passieren des Mauerdurchgangs. Danach lässt sich die Türe öffnen. Ich scanne meinen Ausweis ebenfalls ein und betrete das Haus. Die helle Decke ist irrsinnig hoch. Ich kann meinen eigenen Umriss im glatten, schimmernden Boden unter meinen Füßen erkennen. Geschäftig saust Deidre umher, den Gang entlang, biegt ab.
Ich versuche, die ungewohnten Eindrücke zu verarbeiten und sie dabei nicht zu verlieren. Die braunhaarige Frau legt ihre Jacke und ihre Tasche in einem Raum ab. Ich tue es ihr gleich und hänge meine Jacke sorgfältig auf. Der robuste Stoff der Hose reibt an meinen Oberschenkeln und ich zupfe unauffällig an meinen Ärmeln, um mein Handgelenk zu verbergen. Still beobachte ich, wie Deidre auf einen Knopf drückt und plötzlich die Wand aufleuchtet. Erschrocken weiche ich zurück. Als ich Bilder auf der Wand erkenne, ziehe ich scharf die Luft ein, trete allerdings gleich einen Schritt näher.

„Was ist das?"

Deidre schenkt mir einen belustigten Blick. „Das Dienstbotensystem. Mit unseren Ausweisen bestätigen wir unsere Ankunft und können die Villa betreten. Hier müssen wir uns erneut anmelden, um unsere Arbeitszeiten und Aufgaben des heutigen Tages zu erhalten."

Ungläubig betrachte ich die flimmernden Lichter auf der Wand. Mit den Fingern tippt Deidre direkt auf die Wand und eine Art Liste formt sich. Ich wusste, dass es Technologien und Elektrizität in der Stadt gibt, aber so etwas ... habe ich noch nie gesehen. Cayla erzählte mir oft genug von den wundersamen Maschinen, die in den Fabriken verwendet werden und von den kleinen Bildschirmen, welche die Aufseher in der Hand tragen, um die Produktion zu überwachen. Es ist jedoch etwas ganz anderes, Caylas Geschichten zu hören, als jetzt wahrhaftig Deidre schwebende Lichter auf einer ansonsten weißen Wand antippen zu sehen, welche sich bei ihrer Berührung sofort verändern.

„Gut. Wir sehen Marc erst beim Mittagessen, das ich wie gewöhnlich serviere." Erwartungsvoll grinst sie mich an. „Du wirst mir heute dabei helfen. Persönlich mit ihm reden können wir erst in seiner Freizeit danach. Davor müssen wir unsere Aufgaben erledigen und er seinen Verpflichtungen der Gesellschaft nachgehen."

Skeptisch sehe ich zu der Wand, welche wieder nur eine gewöhnliche, wenn auch wahnsinnig saubere weiße Wand ist. „Und das hast du gerade alles davon erfahren?"

Sie nickt. „Komm, wir haben Arbeit zu erledigen."

Als allererstes zeigt mir Deidre, wie ich mich als Dienstbotin zu verhalten habe. Ich bemühe mich, ihre unterwürfige Haltung nachzuahmen, was mir kaum gelingt. Wie von selbst will sich mein Rücken immer durchstrecken und mein Kopf, sonst stolz erhoben, soll nun beinahe an meiner Brust ruhen. Mit ruhiger Stimme erklärt sie mir, wann und wie Dienstboten der Gesellschaft zu sprechen haben.

„Am besten ist es, wenn du vorerst kein einziges Wort sprichst. Damit kannst du keinen Fehler machen", meint Deidre. „In Marcs Villa ist es für Dienstboten üblich, die Etikette der Gesellschaft nicht so streng zu nehmen. Doch trotzdem müssen wir achtsam sein. Meistens wissen wir, wann Marc Besuch erwartet und deswegen andere Personen der Gesellschaft anwesend sind. In diesem Fall muss natürlich die Etikette genauestens eingehalten werden. Daher sondiere ich beim ersten Aufeinandertreffen immer zuerst die Lage." Deidre beißt sich beschämt auf dir Lippe. „Schon einmal passierte es, dass plötzlich Besuch im Raum stand und Marc und ich gerade in eine Diskussion vertieft waren. Das kam absolut nicht gut an. Und endete mit einer heftigen Zurückweisung durch die Ältesten für Marc."

Freiheit - David & RuneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt