D A V I D
Es ist Leon, der enge Freund der Stammesführerin, der mich holt. Seine Miene ist ernst und gleichzeitig mitfühlend, doch die Klinge an seiner Hüfte ist nicht zu übersehen. Obwohl er von seinen Verletzungen noch immer geschwächt ist, bezweifle ich keine Sekunde, dass das Messer schneller in seiner Hand liegt als ich auch nur Luft holen kann. Thomas, welcher wachsam vor der Tür der Hütte steht, winkt ihn zu mir hinein.
„Komm. Die Stammesführerin wartet auf dich", meint Leon nur und fordert mich wortlos auf, ihm zu folgen. Ich trete hinter ihm hinaus. Thomas sieht mich an, nickt mir zu. Das Dorf ist wie ausgestorben. Kein einziger Lihai ist im Freien. Jeder befindet sich nach Toris' Anweisung im Inneren. Stumm bringt Leon mich zur Hütte der Stammesführerin. Meine Gedanken rasen, mein Herz klopft. Die Stammesführerin kennt meine Geschichte. Die Lihai kennen mein Geheimnis. Und ich weiß nicht, wie sie reagieren werden.
Sobald wir vor dem Eingang sind macht Leon einen Schritt zu Seite und lässt mir den Vortritt. Schon beim Eintreten merke ich die angespannte Stimmung. Meine Beine beginnen zu zittern. Drei Augenpaare starren mich an. Pat und Toris, sowie eine weitere Frau. Sie sitzen auf den Bänken um einen länglichen Holztisch. Der Vorsitz, vor welchen eine Holztruhe geschoben wurde, ist frei. Leon schließt sanft die Türe und sinkt neben Toris auf die Bank.
„Setz dich, David", meint die Stammesführerin kühl und weist auf die Holztruhe. Alle Augen mustern mich, während ich sie nach hinten schiebe und mich zögerlich setze. Toris beugt sich über den Tisch und faltet die Hände bestimmt übereinander.
„David", setzt sie an, wird jedoch von der aufgehenden Türe unterbrochen. Ich wende den Kopf in Richtung des Geräusches. Rune betritt den Raum. Ein Stich durchfährt mich. Ein schmerzlicher Stich. Leise verschließt sie hinter sich die Holztür und nähert sich dem Tisch. Ich sehe sie an, doch Rune würdigt mich keines Blickes. Anstatt sich zu den anderen auf die Bank zu setzen, lehnt sie sich mir gegenüber an die Wand. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und neigt den Kopf.
Als ich ihr in die Augen schaue, sind sie glasig und tief wie efeugrüne Seen, doch ihr Gesicht ist ausdruckslos. Eiskalt richtet Rune den Blick auf mich und da ist ihre harte Maske, durch die keine einzige Emotion durchschimmert. Ihre Haltung steht im krassen Gegensatz zu der, die sich mir vorhin offenbarte.
Denn da waren ihre wahren Gefühle, rau und wahrhaftig. Wie sie ins Dorf stürmte, als gäbe es kein Halten, wie sie meinen Arm packte, wie sie mich anschrie. Ihre Stimme, laut und durchdringend und gebrochen und voller Empfindungen. Ihre Augen, gefüllt mit Enttäuschung, Wut, Zorn, Unglauben. Ihr Ausbruch, so untypisch, so gewaltig.
Die kleine, feine Verbindung, die ich zwischen uns gefühlt habe, ist zerstört. Die zunehmende Offenheit, das Lächeln, das sich ungewollt auf ihren Lippen wiederfand. Der Respekt, das Vertrauen.
Ich weiß nicht, ob ich je wieder Runes Vertrauen erlangen kann. Ihre Ehrlichkeit. Es gab Momente in denen ich glaubte, zwischen uns wäre mehr. Momente, in denen Rune sie selbst war und sich nicht versteckte. Ich weiß nicht, ob ich diese Rune jemals wieder zu Gesicht bekommen werde.
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Freiheit - David & Rune
Science Fiction» „𝘋𝘰𝘤𝘩 ... 𝘦𝘴 𝘨𝘪𝘣𝘵 𝘦𝘵𝘸𝘢𝘴, 𝘥𝘢𝘴 𝘪𝘯 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘦𝘴𝘦𝘭𝘭𝘴𝘤𝘩𝘢𝘧𝘵 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘦𝘹𝘪𝘴𝘵𝘪𝘦𝘳𝘵." 𝘐𝘤𝘩 𝘴𝘦𝘩𝘦 𝘻𝘶 𝘙𝘶𝘯𝘦, 𝘧𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘯 𝘦𝘧𝘦𝘶𝘨𝘳𝘶𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘉𝘭𝘪𝘤𝘬. 𝘔𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘵𝘪𝘮𝘮𝘦, 𝘦𝘪𝘯 𝘏𝘢𝘶𝘤𝘩...