R U N ENur die gefrorenen Blätter knirschen unter meinen Schritten, als ich mich der Stadt nähere. Auch diesmal habe ich den Weg möglichst schnell hinter mich gebracht. Doch im Gegensatz zu meiner letzten Wanderung handelte ich diesmal bedachter. Wenn Tag und Nacht eiskalt sind, überlegt man es sich zweimal, bevor man eine Pause macht und zur Ruhe kommt. Deswegen bemühte ich mich, einen guten Rhythmus für meinen Körper zu finden. Ich lief möglichst lange ohne mich zu verausgaben und wachte streng über meine Pausen. Sobald ich die Kälte nicht nur in meinen Fingerspitzen, sondern in meinen Knochen fühlte, rappelte ich mich auf und setzte mich erneut in Bewegung, um Wärme in meine Glieder zu bekommen. Auch nachts wanderte ich weiter, wenn ich vor Kälte nicht mehr schlafen konnte.
Je näher ich der Stadt komme, desto weniger traue ich mich ein kleines Feuer zu entfachen, welches mich wärmt. Doch mit jedem Schritt Richtung Stadt merke ich, wie sich der beißende Winter zurückzieht. Da sind die Fabriken am Stadtrand, deren Wände die Wärme abstrahlen, welche zwischen den Unterschlüpfen und brüchigen Häusern festgehalten wird. Die Schneedecke ist schon wieder geschmolzen und ich bedanke mich insgeheim dafür. Ohne Spuren ist es bedeutend schwerer, meine Wege nachzuverfolgen. Natürlich habe ich meine Fußabdrücke regelmäßig vertuscht, doch ich bin lieber eine Spur zu vorsichtig.
Irgendwann am frühen Nachmittag des dritten Tages erreiche ich den Grenzzaun. Misstrauisch halte ich mich zwischen den Bäumen auf und beobachte die Umgebung. Aber selbst nach längerem Warten, während dem meine Beine steif werden, vernehme ich kein einziges Geräusch. Ich spüre die Müdigkeit und Erschöpfung in mir, aber jetzt muss ich wachsam bleiben. Ich verweile eine ganze Weile in der Nähe des Grenzzaunes und sondiere die Lage. Dabei suche ich nach einem Ort, an dem ich meinen Bogen und Köcher gefahrlos verstauen kann. Bei einem entwurzelten, umgefallenen Baum werde ich fündig. Seine Baumkrone ist so massiv, dass ich mich regelrecht zum Stamm durchkämpfen muss. Aber ich habe einen Spalt erspäht. Der Baumstamm ist morsch und innen hohl. Mit einiger Kraftanstrengung gelingt es mir, meine Waffen in dem Baum verschwinden zu lassen. Von außen sind sie nicht zu sehen. Man müsste schon sehr genau das Holz untersuchen, um sie zu finden.
Bevor ich mich erneut dem Grenzzaun nähere, binde ich mein rotes Haar zusammen und verberge es unter einer dunklen Mütze. Darüber streife ich die Kapuze meiner Jacke. Mein Haar ist zu leuchtend, vor allem im Grau des Winters bietet es eine willkommene Abwechslung für das Auge. Sicherheitshalber knote ich meine Messer von meinem Gürtel. Ich lasse sie unter meiner Kleidung und in meinen Stiefeln verschwinden. Meine Tasche drücke ich so flach wie möglich an meinen Körper. Dann nähere ich mich dem Loch beim Ziegellager 4.
Als ich meinen Weg durch die Slums beginne, begegnet mir kein einziger Mensch. Geduckt und mit gesenktem Kopf schleiche ich durch die Trümmer. Meine Schritte sind schleifend, lahm. Die Slums sind still und unwillkürlich frage ich mich, ob Davids Vater die Schuld daran trägt. Viele der Bauten sind eingestürzt, nur wenige wirken bewohnt. Mit jedem Meter, den ich durch die Slums gehe, kommen die Erinnerungen in mir hoch. Mir scheint es, als wäre es ein fremdes Leben. Der Verschlag, in dem ich mit El hauste. Die anderen Slumkinder, mit denen ich spielte. Wie viele von ihnen sind wohl noch am Leben?
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Freiheit - David & Rune
Science Fiction» „𝘋𝘰𝘤𝘩 ... 𝘦𝘴 𝘨𝘪𝘣𝘵 𝘦𝘵𝘸𝘢𝘴, 𝘥𝘢𝘴 𝘪𝘯 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘦𝘴𝘦𝘭𝘭𝘴𝘤𝘩𝘢𝘧𝘵 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘦𝘹𝘪𝘴𝘵𝘪𝘦𝘳𝘵." 𝘐𝘤𝘩 𝘴𝘦𝘩𝘦 𝘻𝘶 𝘙𝘶𝘯𝘦, 𝘧𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘯 𝘦𝘧𝘦𝘶𝘨𝘳𝘶𝘦𝘯𝘦𝘯 𝘉𝘭𝘪𝘤𝘬. 𝘔𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘵𝘪𝘮𝘮𝘦, 𝘦𝘪𝘯 𝘏𝘢𝘶𝘤𝘩...