So schnell ich kann stürme ich die Treppen hinunter und achte nur darauf, nicht zu stolpern. In dem Moment wusste ich nicht, was schlimmer ist: die Angst, von Eric verfolgt und erwischt zu werden oder der Gedanke daran, wie es wohl gewesen wäre, ihn zu küssen...
Verdammt Elena! Ja, er war sexy, aber das ist noch lange kein Grund, dich von deinen Hormonen übermannen zu lassen! Reiß dich zusammen!
Nachdem ich mich versichert habe, dass er nicht mehr hinter mir und auch nicht in meiner Nähe ist, biege ich in den Gang ein, der zu seiner Wohnung führt. Wenn er nach mir sucht, würde er bestimmt nicht auf die Idee kommen, das ich in seiner Wohnung bin. Erst würde er alle anderen Bereiche der Fraktion absuchen, und das verschafft mir etwas Zeit. Ich schließe die Tür hinter mir und lehne mich erschöpft dagegen. Schnelligkeit und Ausdauer zählten zu meinen Stärken, und offenbar war ich darin sogar besser als der Ferox-Anführer. Nach einigen Minuten, in denen ich still an der Tür gelehnt und gewartet habe, ob er nicht doch vielleicht hierherkommt, entscheide ich mich, erst einmal im Bad zu verschwinden. Immerhin ist es schon spät und ich muss noch meine Haare waschen, was sich ohnehin immer in die Länge zieht. Die Auseinandersetzung mit Eric wird mir jedoch trotzdem nicht erspart bleiben.Etwa eine Stunde später tapse ich vorsichtig aus dem Badezimmer und suche die Wohnung nach dem grimmigen Anführer ab. Keine Spur von dem Ferox. Normalerweise brauche ich zwar nicht so lange, aber ich heute hatte ich mir sehr viel Zeit gelassen, was auch dem geschuldet war, dass es ziemlich unangenehm war, nachdem mich Eric heute gegen eine Wand geschleudert hatte. Das eingetrocknete Blut war schwer raus zu waschen, ohne dass ich mir dauernd in die Wunde tatschte und es weh tat. Nachdenklich betrachte ich mich in dem Spiegel, der im Wohnzimmer hing. Meine Arme und Beine waren übersät mit blauen Flecken, und Erics Ohrfeige hat mir ebenfalls ein kleines Veilchen an der rechten Schläfe beschert. Die Wunde an meinem Hinterkopf war nicht der Rede wert, ich hoffte nur, dass ich keine Gehirnerschütterung habe. Als ich mich so im Spiegel betrachte, kann ich nur frustriert seufzen. Sollte mein Leben ab jetzt jeden Tag so aussehen? Mein Körper ständig mit Verletzungen übersät ? Ich spüre, wie mir die Tränen kommen und vertreibe sie schnell mit meinem Handrücken. Auf keinen Fall würde ich weinen! Ferox heulen nicht!
Ich wollte gerade in die Küche gehen und mir noch einen kleinen Happen Essen schnappen, als mich der Klang von schnellen Schritten zusammenzucken lässt. Eric!
Ich springe - wortwörtlich - auf die Couch und ziehe eilig die Decke über mich. Vielleicht lässt er es für heute gut sein, wenn ich schlafe? Mehr Zeit, um darüber nachzudenken bleibt mir jedoch nicht, denn schon öffnet sich die Wohnungstür und ich schließe die Augen, wobei ich mich darauf konzentrieren muss, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Die Tür wurde geschlossen und ich höre, wie sich die Schritte der Couch nähern. Angestrengt unterdrücke ich den Drang, die Augen zu öffnen und ihn anzusehen. Und dann, ganz plötzlich, spürte ich seinen Handrücken auf meinem Gesicht, kurz bevor er mir eine nasse Haarsträhne zurück streicht, was in mir ein komisches Kribbeln auslöst. Dann höre ich, wie sich die Schritte entfernen und kann unter den geschlossenen Lidern wahrnehmen, wie er das Licht löscht. Es vergeht eine kleine Ewigkeit, in der ich es nicht wage, mich zu rühren. Doch als ich Erics leises Schnarchen aus dem Schlafzimmer höre, entspanne ich mich und nun fällt mir auch auf, wie müde ich war, weswegen es auch nicht lange dauerte, bis ich wirklich wegdämmere.Der nächste Morgen war hart. Als mein Wecker um 6 Uhr für die Arbeit klingelt, schaffte ich es nur schwer, von der Couch zu kommen. Mir tut alles weh. Müde schlüpfe ich in meine Klamotten und gehe ins Bad. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir, wie furchtbar ich aussehe. Meine Schläfe ist blau angeschwollen und unter meinen Augen befinden sind Augenringe. Ich seufze. Nachdem ich mir die Zähne geputzt und die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden habe, setze ich mich zurück auf die Couch und gähne einmal herzhaft.
Eine meiner Hauptaufgaben bei den Ferox war es, draufgängerische Fraktionslose im Auge zu behalten und notfalls einzuschreiten, falls sie rebellieren oder in Gruppen auf eine der Fraktionen losgingen. Solche Vorfälle häufen sich in letzter Zeit. Immer mehr Fraktionslose bilden sich zu Gruppen und greifen die einzelnen Fraktionen an, um ihre Unzufriedenheit zu zeigen. Einerseits gefällt mir dieser Job, weil ich somit die Menschen der Fraktionen beschützen kann, aber andererseits habe ich auch Mitleid mit den Fraktionslosen. Immerhin können sie nichts dafür, dass sie ausgeschlossen werden. Da mir noch eine halbe Stunde Zeit bleibt und ich überzeugt davon bin, dass es bei meinem Aussehen heute sowieso keinen Sinn macht, mich zu schminken, beschließe ich, uns erst einmal Frühstück zu machen. Zum Einen, weil ich Hunger hab und munter werden muss, zum Anderen, weil es nicht schaden würde, Eric ein wenig zu besänftigen. Guten Willens bringe ich ihm also ein paar Minuten später eine Tasse Kaffee ins Schlafzimmer, das restliche Frühstück lasse ich lieber am Wohnzimmertisch, und bleibe neben seinem Bett stehen. Bis auf eine Boxershorts hatte er nichts an. Ich schlucke und kann einfach nicht anders, als meinen Blick auf seinen durchtrainierten Körper zu richten. Ohne es zu wollen, stelle ich mir vor, wie es wäre wenn...
„Wie lange stehst du schon hier?" Seine raue Stimme erschreckt mich dermaßen, dass ich die Tasse Kaffee fallen lasse und sich die heiße Flüssigkeit auf seinem Oberkörper verteilte. Fuck!
Eric zischte schmerzerfüllt auf und springt förmlich aus dem Bett.
„Was zum Teufel sollte das?!", faucht er mich an.
„Ähm...ich wollte das nicht, du hast mich erschreckt und...", beginne ich zu erklären und hebe abwehrend die Hände.
„Was denkst du eigentlich wer ich bin, dass du mich mitten in der Nacht mit heißem Kaffee überschütten kannst? Wie bescheuert bist du eigentlich!", schnauzt er mich an und stößt mich zur Seite, um ins Badezimmer zu gehen. Während er weg ist, stehe ich wie angewurzelt da und bin einfach nur geschockt. Ich wollte ihm doch einfach nur einen Kaffee bringen. Da ich mich nicht länger anschnauzen lassen wollte, drehe ich mich um und sammele alles ein, was ich zur Arbeit brauche. Der Appetit war mir vergangen, weshalb ich das Frühstück einfach so stehen ließ. Im Moment wollte ich einfach nur weg und war froh, dass ich den ganzen Tag arbeiten musste. So konnte ich mich ablenken.Wie an jedem Arbeitstag treffe ich mich mit meinem Kollegen und guten Freund Drew. Aus Sicherheitsgründen war ein Ferox nie allein unterwegs. Wir umarmen uns kurz und er zieht mich neckend an meinem Pferdeschwanz.
„Hey, warum machst du so ein trauriges Gesicht? Ist dir der Kajal abgebrochen?" Ich boxe ihm spielerisch auf die Schulter.
„Nicht so wichtig. Alles klar bei dir?", frage ich während wir an der Bahnstation darauf warten, dass der Zug vorbeifährt.
„Mir geht's gut, Elena. Aber dir anscheinend nicht. Was ist los?"
Ich seufzte. „Ich bin mit Eric zwangsverlobt worden und musste bei ihm einziehen.", nuschle ich. Drew prustet los. „Ja klar, als ob sich Eric verloben lassen würde. Ich hab gehört nach spätestens drei Tagen schießt er jede in den Wind, mit der er was hatte. Typen wie ihm geht es doch nur um Sex, wenn du mich fragst. Der kann doch keine Beziehung führen."
Er sieht lachend zu mir herunter und erst als ihm mein ernster Blick auffällt, ist er ruhig. Ich starre ihn einfach nur an.
„Soll das heißen, ihr seid wirklich verlobt?", fragt er ungläubig und hält sich eine Hand an den Kopf.
Ich nicke. „Meine Eltern wollten mich loswerden und irgendwie ist es dann zustande gekommen dass Eric mein Mann werden soll. Aber ich weiß auch nicht, vielleicht schießt er mich ja auch ab, sobald er genug von mir hat...wie du schon gesagt hast, es geht ihm sicher nur um Sex...", murmle ich und zupfe an meinem Ärmel herum.
„Fuck. Das ist ja echt krass.", murmelt Drew und wirkt nachdenklich. „Aber wieso sollte er sich verloben, wenn es ihm nur um Sex geht? Das ergibt keinen Sinn. Dafür gibt es genug leichte Mädchen bei den Ferox."
„Ach was weiß ich...es ist nur gerade alles scheiße." Genervt atme ich aus und beginne zu rennen, als der Zug vorbei fährt. Geschickt springen erst Drew und dann ich in den Waggon.
„Hast du das Veilchen von ihm?", fragt Drew und berührt meine Schläfe. Ich zuckt bei der Berührung zusammen und nicke niedergeschlagen.
„Dieser Bastard.", zischt er und ballt die Hände zu Fäusten. „Sobald wir Feierabend haben, werde ich zu ihm gehen und ihm klar machen, dass das so nicht geht. Du bist meine Freundin und ich lasse nicht zu, dass dich jemand schlägt.", sagt er entschlossen. Obwohl ich das wirklich nett von ihm finde, weiß ich, dass ich das nicht verantworten kann. Jemand, der sich Eric in den Weg stellt, würde womöglich am nächsten Tag tot aus der Schlucht gezogen werden. Nein, das muss ich irgendwie alleine hinbekommen.
„Nein Drew, das ist nicht nötig. Wirklich!", sagte ich schnell und versuchte, ihn schnell zu beschwichtigen. „Ich bin eine Ferox, das schaff ich schon alleine." Dann lächle ich und entscheide, schnell das Thema zu wechseln.
„Hast du Mia schon gefragt?", frage ich und grinse, als ich sehe, wie er errötet.
„Noch nicht...ich weiß nicht... was, wenn sie nein sagt oder schon mit jemand Anderes hingeht?" Ich verdrehe die Augen.
„Drew. Die Party ist doch schon morgen. Du musst sie unbedingt heute noch fragen! Glaub mir, sie wird sich freuen." Ich lächle ihn aufmunternd an, bevor wir Anlauf nehmen und aus dem Zug springen. Heute halten wir bei den Amite wache, die von Fraktionslosen schon öfter bedroht und beraubt wurden. Ich hoffe auf ein bisschen Action, sodass ich mich von Eric ablenken kann.
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Himmel und Hölle
Hayran KurguElena, eine gebürtige Ferox, lebt in einer familiären Problemwelt. Ihre Eltern sehen als einzigen Ausweg ihre chaotische Tochter einen Ehemann zu finden, der ihr den richtigen Weg weist und ihr Respekt beibringt. Alles andere als begeistert von ihre...