Den ganzen Vormittag über war es ruhig. Keine Vorfälle, bei denen wir einschreiten mussten. Allerdings zogen dunkle Wolken auf und alles deutete darauf hin, dass ein Unwetter bevorstand. Normalerweise mochte ich Gewitter, aber nicht, wenn ich draußen arbeiten musste und dabei nass wurde. Aber naja, als Ferox musste man zu jeder Zeit bereit sein – egal ob es stürmt oder schneit.
„Verfluchtes Wetter.", murrt Drew und zieht den Reißverschluss seiner Jacke bis ganz nach oben zu. Es wird zunehmend windiger und ich muss mir zum hundertsten Mal meinen Pony aus dem Gesicht streichen. Dann plötzlich hören wir etwas Poltern und die Schreie von Leuten. Augenblicklich rennen wir los und versuchen die Lage zu überblicken. Fünf, mit Messern bewaffnete, Fraktionslose stürmen zwischen Häusern der Amite umher, schmissen alles um, was nicht niet und nagelfest war und reißen sich alles unter den Nagel, was sie vielleicht gebrauchen können. Scharfe Gegenstände, um sie als Waffen zu benutzen, Essen und auch Kleidung. Alles, was die Amite genauso dringend brauchen.
„Hey! Stehen bleiben!", höre ich Drew rufen, als er mit seiner Waffe nach vorn stürmt und sie auf die Draufgänger richtete. Ich folge ihm.
„Und wenn wir's nicht tun? Wollt ihr uns dann erschießen?", höhnt einer der Männer und kommt bedrohlich auf uns zu, gefolgt von den anderen. Alle halten ein Messer in der Hand. Ich merke, wie ich nervöser werden. Sie waren ganz klar in der Überzahl und auch noch bewaffnet, das könnte brenzlig werden. Ich halte zwar eine geladene Waffe in meiner Hand, aber ich ziehe es vor, nur abzudrücken, wenn es nicht anders ging. Drew ebenso. Wir nicken uns entschlossen zu und sprinten los. Er nach links, ich nach rechts und noch ehe die Rebellen wussten, wie ihnen geschieht, versetze ich zwei von ihnen einen kräftigen Schlag in die Seite, sodass sie sich krümmen. Als nächstes trete ich dem, der mir nun am nächsten ist, in die Kniekehlen, sodass er zu Boden geht und ich ihm sein Messer abnehmen kann. Gerade als ich mich umdrehe, wollte mich sein Kumpel attackieren, doch ich springe schnell genug zur Seite. Seine Hand, in der er das Messer hält, schnellt in meine Richtung, aber ich blocke sie, trete ihm in den Bauch und verdrehe sein Handgelenk, sodass er das Messer fallen lassen muss. Auch dieses nehme ich an mich. Ich sehe mich um und stelle fest, dass vier von den fünf Angreifern entwaffnet und keuchend am Boden liegen und sich krümmen. Der Fünfte kämpft gerade noch mit Drew, doch auch er liegt wenige Sekunden später am Boden. Alles gut gegangen.
„Hey Drew! Elena! Wir übernehmen ab jetzt.", ruft Four, der plötzlich mit ein paar anderen Ferox hinter einem Gebäude auftaucht und auf uns zu kommt.
„Gibt es Verletzte?", fragt er und packt einen der Fraktionslosen, um diesen auf die Beine zu ziehen und seine Hände zu fesseln.
„Ich denke nicht. Sie wollten nur plündern.", antworte ich sachgemäß und schultere meine Waffe. Four nickt und sie führen die Gruppe ab. Kurz darauf beginnt es wie aus Eimern zu schütten. Ich seufze. Fantastisch!Die Stunden vergehen und bis auf einen weiteren kleinen Zwischenfall passierte nichts weiter. Um viertel vor sechs wurden wir schließlich abgelöst und konnten nach Hause.
„Endlich.", murmle ich und fange an zu zittern, da meine Kleidung mittlerweile völlig durchnässt ist. Drew geht es nicht anders und wir fahren schweigend zurück. Nachdem wir uns verabschiedet haben und jeder seiner Wege geht, fällt mir auf, dass ich einen meiner Handschuhe verloren haben muss und stöhne genervt auf. Schnell drehe ich mich um und renne den Weg zurück bis zum Bahngleis, doch auch dort kann ich ihn nicht finden. Vielleicht liegt er noch irgendwo bei den Amite...
„Wo kommst du denn her? Hast du dich etwa mit den Schweinen im Schlamm gewälzt?"
Eine mir nur allzu bekannte, höhnende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich fahre herum. Vor mir steht ausgerechnet Alec. Er wurde ebenfalls als Ferox geboren und ich kannte ihn schon länger – leider. Wir waren auch in derselben Initiationszeit gewesen und er hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um mich vor anderen bloßzustellen und mich niederzumachen. Alec war auch einer der Gründe, warum es mir schwer fällt, ein gutes Bild zu Männern zu haben. Erst mein Vater, der meine Mutter schlug und vergewaltigte, und dann Alec, der mich seit ich 10 war schikanierte und andere gegen mich aufstachelte. Ich hasse ihn! Wenn ich sein Gesicht sehe, will ich ihm jedes Mal wehtun. Sehr, sehr wehtun. Damals war ich noch nicht stark genug, um es mit ihm aufzunehmen, doch nun war ich eine echte Ferox. Kalt sehe ich ihn an.
„Geh mir aus dem Weg, Arschgesicht.", knurre ich und will mich an ihm vorbei drücken, doch er packt mich am Hals und pinnt mich an die Wand. Wut blitzt in meinen Augen auf. Okay, er wollte Schläge, die konnte er haben! Ich packe ihn an den Haaren und reiße seinen Kopf zur Seite, gleichzeitig trete ich ihm mit einem Fuß gegen sein Schienbein, sodass sich sein Griff lockert. Dann packe ich seinen Arm und verdrehe ihn so, dass er schmerzerfüllt aufkeucht. Ich lächle ihn zuckersüß an. „Wage es nie wieder mich anzureden oder du wirst es bereuen." zische ich, lasse ihn los und will weitergehen, doch da packt er mich von hinten an den Haaren und schleppt mich abseits in einen Gang. Als er mich loslässt, verliere ich keine Zeit und schlage ihm mit voller Wucht ins Gesicht, sodass ich es knacken hören konnte. Seine Nase muss dabei wohl gebrochen sein. Alec hält sich die Hände ins Gesicht und beugt sich stöhnend nach vorn. Gerade als ich denke, wir wären hier fertig, packt er plötzlich wieder meinen Hals und würgt mich. In seinem Gesicht spiegeln sich Wut, Schmerz und Genugtuung. Verzweifelt versuche ich, ihn von mir weg zu bekommen, doch ich schaffe es nicht. Ich röchle nach Luft und spüre, dass mir schwindelig wurde. Mit zittrigen Fingern schaffe ich es, an das Messer zu kommen, das an meiner Gürteltasche befestigt ist und versuche es ihm drohend an seine Nierengegend zu halten. Er schluckt und hält inne. Noch bevor einer von uns reagieren kann, wird er jedoch von mir weggerissen und ich falle zu Boden. Durch den kurzzeitigen Luftmangel wird mir schwarz vor Augen und meine Hände fassen automatisch an meinen Hals, der wie verrückt pochte und höllisch weh tat.
„Was wird das hier, wenn's fertig ist?", schnauzt niemand Anderes als ein wutentbrannter Eric und drückt Alec gegen die Wand. Dieser nun völlig bleich geworden ist und versucht sich irgendwie aus der Situation zu retten.
„Wir haben uns nur unterhalten.", gibt dieser mit zusammengebissenen Zähnen von sich. Doch das scheint Eric nicht zu interessieren. Er funkelt ihn an und verpasst ihm blitzschnell einen Schlag in die Magengegend, sodass Alec sich krümmt und nun endgültig zu Boden ging.
„Sieh zu, dass du Land gewinnst." Obwohl Eric leise sprach, war seine Drohung unmissverständlich und Alec macht sich humpelnd und leise fluchend davon. Nun wendet sich der Anführer mir zu.
„Bist du okay?", fragt er und hält mir seine Hand hin, die ich ergreife, sodass er mich hochziehen kann. Ich nicke. „Alles bestens.", antworte ich knapp, doch es verlässt nicht mehr als ein Flüstern meinen Hals. Alec hatte mich so fest gewürgt, dass es schmerzt zu sprechen. Offenbar bemerkt Eric das und geht nicht weiter darauf ein. Er mustert mich von oben bis unten und erst jetzt fällt mir auf, wie mies ich eigentlich aussehe. Meine Kleidung ist völlig durchnässt und mit etlichen Schlammspritzern bedeckt. Meine Haare sehen auch nicht viel besser aus.
„Ich sollte duschen gehen." krächze ich und gehe zu seiner Wohnung. Er begleitet mich, als habe er Angst, Alec würde mich nochmal angreifen. Als wir an der Wohnungstür ankommen, nimmt Eric mein Handgelenk und bringt mich so dazu, ihn anzusehen. Erst jetzt merke ich, dass ich zittere, jedoch nicht aus Angst, sondern vor Wut. Da Alec mich jetzt einige Zeit in Ruhe gelassen hatte, bin ich davon ausgegangen, ich könnte damit abschließen. -Wie naiv ich war!- Doch das kann ich wohl doch nicht. Er war Schuld daran, dass ich kaum Freunde hatte, da er mein Selbstvertrauen angeknackst und mich immer bloßgestellt hat, sodass ich von anderen gemieden habe und selbst schief angeschaut wurde. Einzig Mia und nun auch Drew halten zu mir, wobei ich lange gebraucht habe , bis ich Drew vertrauen konnte, da er früher einer von Alecs Freunden war.
„Ich zeige dir, wie du ihm in den Arsch treten kannst, falls er das nochmal versucht.", sagt Eric, als würde er meine Gedanken verstehen. Ich nicke, er gibt mein Handgelenk wieder frei und er öffnet die Tür.
„Wieso tun Männer das.", flüstere ich gedankenverloren und starre vor mich hin.
„Was tun Männer denn?", fragt Eric und kramt in einer Schublade herum. Offenbar sucht er etwas.
„Ihr seid immer brutal und wollt auf die Kosten anderer euren Spaß haben. Mich kotzt das so an!", versuche ich nun lauter zu sagen. Erst als ich in Erics verblüfftes Gesicht sehe, merke ich, dass ich das gerade laut 'geschrien' hatte. Ich verstumme und unterdrücke die aufkommenden Tränen. Auf keinen Fall würde ich vor ihm anfangen zu heulen. So schnell ich konnte hole ich mir frische Klamotten und wollte ,an Eric vorbei, ins Bad, doch der Ferox-Anführer stellte sich mir in den Weg.
„Rede.", ist das Einzige, was er sagt während er mich durchdringlich ansieht. Spöttisch lache ich auf.
„Als würdest du das verstehen, Eric! Du bist doch auch nicht besser als Alec oder mein Vater! Das Einzige was ihr könnt ist gewalttätig sein und mich zu Sachen zwingen, die ich nicht will! Was denkst du denn warum ich so bin, wie ich bin? Warum ich keinen Respekt vor euch habe und diesen auch nicht zeigen werde? Weil ihr mich alle ankotzt!" Mit diesen Worten drücke ich mich an ihm vorbei und sperre die Badtür hinter mir zu. Er hindert mich nicht daran, offenbar haben meine Worte gesessen.
Schnell schäle ich mich aus meinen Klamotten und steige in die Dusche, wobei ich das Wasser so heiß einstelle, dass es schon fast weh tut. Ich hasse Männer. Alle nur schwanzgesteuert und wenn sie sich nicht zu helfen wissen, schlagen sie zu. Zwar nicht alle, aber die meisten, die ich kannte. Ich war gerade irgendwie sehr emotional.
Nachdem ich fertig geduscht, mir frische Unterwäsche und ein übergroßes schwarzes T-Shirt angezogen habe, wird mir plötzlich bewusst, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe. Ich verlasse das Bad, schmeiße meine dreckige Wäsche in den Wäschekorb und mache mich auf den Weg in die Küche, wo auch Eric sitzt. Er tut so, als würde er mich nicht beachten, aber mir ist sein musternder Blick nicht entgangen. Langsam nähere ich mich ihm und beäuge ihn skeptisch.
„Was machst du da?", frage ich schaue runter auf sein Werk.
„Pfannkuchen. Siehst du doch.", knurrt er und hat offensichtlich Probleme damit, die Pfannkuchen nicht anbrennen zu lassen. Er dürfte nicht allzu oft kochen. Obwohl die Ränder angebrannt waren, läuft mir schon allein beim Zusehen das Wasser im Mund zusammen. Doch ich wollte ihn nicht schnorren, noch weniger nachdem ich vorhin erst angeschrien habe.Als ich gerade einen Topf suche, um zu kochen, unterbricht mich der Ferox.
„Die Pfannkuchen sind für dich. Ich hab schon gegessen.", meint er kurz angebunden und hält mir einen Teller beladen mit ein wenig angebrannten, aber lecker riechenden Pfannkuchen vor die Nase. Mein Magen knurrt und ich weiß, ich würde das nicht ablehnen können.
„Du kochst für mich? Warum?", frage ich verwundert und sehe ihn misstrauisch an. Doch er zuckt nur mit den Schultern.
„Du siehst aus, als würdest du's jetzt brauchen.", gibt er zurück und geht ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen lässt. Sprachlos starre ich ihm nach. Das war gerade richtig...nett?
Ich entdecke eine Flasche Schokoladensauce auf der Anrichte und bediene mich, bevor ich mich ebenfalls mit meinem Teller auf die Couch fallen lasse. Während ich esse, läuft im Fernsehen ein Film, doch ich bekomme nicht mit, um was es geht, da ich zu sehr aufs Essen konzentriert bin. Ich mochte Pfannkuchen, ob er das gewusst hat?
„Danke fürs Kochen, Eric.", murmle ich, als ich fertig bin und mich erschöpft auf der Couch zusammenrolle. Ich war ganz schön müde. Eine Weile sagt niemand etwas, bis Eric plötzlich den Fernseher ausschaltet und mich ansieht.
„Erzähl mir von deinem Vater und von diesem Alec."
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Himmel und Hölle
FanfictionElena, eine gebürtige Ferox, lebt in einer familiären Problemwelt. Ihre Eltern sehen als einzigen Ausweg ihre chaotische Tochter einen Ehemann zu finden, der ihr den richtigen Weg weist und ihr Respekt beibringt. Alles andere als begeistert von ihre...