23. Es wird Zeit für dein Training (√

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- Elenas POV - 

Es ist kurz nach halb acht, als ich mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch sitze. Da ich die ganze Nacht über nicht schlafen konnte, bin ich nun dementsprechend müde. Was gestern passiert ist, beschäftigt mich ziemlich. 
Schließlich werde ich durch ein Klopfen an der Tür aus den Gedanken gerissen, und da Eric gerade duschen ist, öffne ich. Doch sobald ich das Gesicht meines Vaters erblicke, bereue ich meine Tat und überlege, ob ich die Tür nicht einfach wieder zuknallen soll. 
„Willst du mich nicht hereinbitten?", erklingt nach einigen Sekunden seine auffordernde Stimme. Trotzig erwidere ich seinen herablassenden Blick. 
„Wüsste nicht wieso.", antworte ich desinteressiert. 
„Ich bin dein Vater!", schnauzt er und ist drauf und daran, mich zur Seite zu schubsen, aber ich reagiere blitzschnell und hindere ihn daran, nur um ihn danach einen Schritt zurück zu stoßen. 
„Denkst du etwa, ich gebe dich einem der Ferox-Anführer und lasse mich dann von euch ausschließen?!", faucht er und ich zucke unmerklich zusammen. Darum ist es ihm also gegangen. Um durch Eric als Schwiegersohn an noch mehr Macht zu kommen. 
„Du hast von mir nichts mehr zu erwarten, Dad.", sage ich tonlos und blicke ihn ernst an. Kurz darauf knalle ich die Tür zu, gerade noch rechtzeitig, denn nun kommt Eric aus dem Badezimmer. 
„Wer war das?", fragt er, nur mit einem Handtuch um die Hüften, sodass ich mich zusammenreißen muss, um ihn nicht anzustarren. 
„Drew hat gefragt, ob ich zum Frühstücken in die Grube komme.", lüge ich und gehe in die Küche, wo ich mir noch eine Tasse Kaffee einschenke. Ich will nicht über meinen Vater reden. 
„Er nervt.", brummt Eric, nimmt mir die Tasse aus der Hand und trinkt sie leer. Unfassbar starre ich zu ihm hoch. 
„Wer nervt?", frage ich und beginne, neuen Kaffee aufzusetzen. Er beobachtet mich. 
„Dieser Drew. Weswegen habt ihr euch neulich auf dem Gang gestritten?", fragt er und ich wende den Blick ab. 
„War nur ein Missverständnis. Nichts von Bedeutung.", antworte ich. 
„Und deswegen wird er handgreiflich?", hakt Eric nach und ich stöhne innerlich auf. Was soll ich denn sagen? Nein Eric, er wurde handgreiflich, weil Mia unbestimmt ist und ich ihm gedroht habe. Ich lache nervös auf. 
„So sind wir Ferox eben, oder? Ziemlich aufbrausend.", erkläre ich und konzentriere mich darauf, amüsiert zu klingen. Doch innerlich wurmt mich die ganze Sache ziemlich. Sind Drew und ich nun keine Freunde mehr? 
Ich weiß nicht, wie lange ich reglos in der Küche gestanden habe, aber ich schrecke hoch, als mir ein mittlerweile vollständig angezogener Eric auf die Schulter tippt. 
„Ich muss los. Sei nach dem Mittagessen zuhause, es wird Zeit für dein Training.", sagt er und ich runzle die Stirn. 
„Mein Training? Ich bin keine deiner Initiantinnen.", entgegne ich verwirrt. Der Anführer nickt. 
„Aber du musst lernen, dich auch gegen ältere, erfahrenere Kämpfer verteidigen zu können. Du kämpfst zwar gut, aber es reicht nicht, um gegen einen Ferox wie mich zu gewinnen. Daran kann man arbeiten."    
Dann verschwundet er. Seufzend reibe ich mir die müden Augen. Ich habe Eric oft dabei beobachtet, wie er das Initiantentraining durchführt, und ehrlich gesagt finde ich ihn dabei ziemlich abschreckend. Sich von ihm trainiert zu lassen ist reinster Wahnsinn. Ich gähne. Heute habe ich wieder keinen Dienst, vielleicht ist es doch gut, vor dem Training noch ein wenig zu schlafen. Also schlürfe ich wieder zurück ins Bett und diesmal dauert es nicht lange, bis mir die Augen zufallen.

- Erics POV - 

Als ich die Trainingshalle erreiche, hat das Training bereits begonnen und Four lässt sämtliche Initianten an den Sandsäcken üben. 
„Sind sie bereit für einen richtigen Kampf?", frage ich Four tonlos und bleibe neben ihm stehen. Dieser schüttelte den Kopf. 
„Nicht mal annähernd.", ist seine Antwort und ich verdrehe die Augen. Dann müssen sie es eben auf die harte Tour lernen.
„Erster Springer und letzte Springerin – in den Ring!", rufe ich, sodass Unruhe unter den Neuankömmlingen ausbricht. Nervös blicken sich die beiden an. Meine Augen verengen sich. „Was genau habt ihr an meinem Befehl nicht verstanden?", schnauze ich und trete auf sie zu. Sofort begeben sie sich in den Ring. 
„Ihr kämpft solange, bis einer nicht mehr kann. Aufgeben gibt es hier nicht.", erkläre ich ruhig und stelle mich mit verschränkten Armen an eine Stelle, von der ich den Kampf gut beobachten kann. Die letzte Springerin ist dieses Mädchen, welchem Elena beim Trainieren hilft. Ich bezweifle, dass sie etwas drauf hat. Vermutlich würde sie bereits nach der ersten Phase bei den Fraktionslosen landen. 
„Wartet ihr auf eine schriftliche Einladung? Fangt an!", brülle ich genervt. 
Dämliche Initianten, am liebsten würde ich sie gegen die nächste Wand knallen. 
Zögerlich fangen die beiden an, einander zu umkreisen und zu meiner Überraschung ist es dieses kleine Mauerblümchen, welches als Erste die Initiative ergreift und ihrem Gegenüber in die Seite tritt, sodass dieser sich krümmt. Sie hat beim ersten Anlauf sofort die Nierengegend getroffen, weshalb ich anerkennend eine Augenbraue nach oben ziehe. Zugegeben, das hat mich überrascht. Als nächstes versucht Kilian - der erste Springer – ihr einen Faustschlag in den Bauch zu verpassen, aber sie lässt ihm keinen Angriffspunkt. Ihre Deckung hat sich gewaltig gebessert. Tess wagt eine Scheinattacke, nur um kurz davor zu stoppen, unter seinem abwehrenden Arm hindurch zu schlüpfen und ihm hinten in die Kniekehlen zu kicken, sodass er gezwungenermaßen einknickt und für kurze Zeit seine Deckung vernachlässigt. Diesen Moment nutzt sie, um ihn in den Schwitzkasten zu nehmen und ihm die Luft abzudrücken. Anfangs versucht er sich noch mit lächerlichen, halbherzigen Ellenbogenschlägen zu wehren, aber durch den Sauerstoffmangel schafft er es nicht sehr effizient. Fast muss ich schmunzeln. Diese Taktik stammt eindeutig von Elena. Ich habe sie schon oft beim Training beobachtet und kenne einige ihrer Lieblingstechniken. Ich beobachte, wie Tess innehält und mich fragend ansieht. 
„Bis einer nicht mehr kann.", wiederhole ich genervt meine Worte und blicke sie kalt an. Zuerst zögert sie, aber dann verstärkt sie ihren Griff solange, bis ihr Gegner das Bewusstsein verliert. 
„Das kam unerwartet.", kommentiert Four neben mir und ich nicke unmerklich.
„Schwächlinge sind sie beide.", gebe ich als einziges dazu, bevor ich jemanden anweise, den bewusstlosen Initianten auf die Krankenstation zu bringen, sodass wir die Kämpfe fortsetzen können.

Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt