„Also ich will ja nicht eingebildet sein, aber wir können uns echt sehen lassen.", raunt mir Mia zu und dreht sich vor dem Spiegel um die eigene Achse. Sie trägt ein dunkelviolettes Kleid, welches ihr unglaublich gut steht. Ohne es ausgesprochen zu haben, ist uns beiden klar, dass sie damit Kyle beeindrucken will. Und da er nicht schwul ist, würden die beiden sich heute garantiert näher kommen. Ich selbst trage ein dunkelblaues Kleid mit leichtem V-Ausschnitt, welches an der Taille eng anliegt und nach unten hin lockerer wird. Es reicht mir bis zu den Knien und da ich in hohen Schuhen nicht wirklich laufen kann, habe ich mich dazu entschieden, mir das zu ersparen und Ballerinas zu tragen. Meine Haare sind offen und haben schönen Wellen, die Mia mir mit einem Lockenstab gedreht hatte und dezent geschminkt bin ich mit Maskara und etwas Lipgloss.
„Wann kommt Drew?", frage ich beiläufig und schlüpfe in meine Schuhe.
„Er hat gesagt, er findet mich schon.", ist Mias Antwort. Sie versucht ruhig zu klingen, doch ich überhöre den bissigen Unterton nicht. Sie ist enttäuscht, dass er sie nicht abholt und mit ihr gemeinsam zur Party geht. Vielleicht hätte ich es ihm deutlicher klar machen sollen, aber zu sehr will ich mich dann auch nicht einmischen.
Als wir fertig sind, machen wir uns auf den Weg in die Grube, wo die Party stattfindet. Obwohl es noch relativ früh ist, sind schon sehr viele Leute da und amüsieren sich. Wir setzen uns an die Bar und bestellen etwas zu trinken, während ich unauffällig nach Eric Ausschau halte. Einerseits will ich mir nichts von ihm vorschreiben lassen, aber andererseits möchte ich auch nicht, dass er ausflippt weil ich ihm nicht gesagt habe, dass ich zur Party gehe. Doch er ist nicht zu sehen und ich nippe zufrieden an meinem Getränk, während Mia und ich die Musik genießen.
„Dort drüben ist er.", sagt meine Freundin plötzlich und deutet mit dem Kinn nach links, wo Kyle mit drei anderen Ferox steht und offensichtlich Spaß hat. Ich schlucke. Mia war schon immer eine eifersüchtige Person und ich muss ihr nicht ins Gesicht sehen, um zu wissen, wie sie das Mädchen ansieht, welches Drew gerade spielerisch in die Seite geboxt hat.
„Komm, lass uns zu ihnen rüber gehen.", schlage ich vor und stehe auf. Mia sieht mich ungläubig an. „Wir können da doch nicht einfach rüber gehen Elena!", flüstert sie und sieht mich an, als wäre ich geistesgestört. Ich verdrehe die Augen.
„Wenn Drew zu dämlich ist, um den ersten Schritt zu machen, dann musst du ein bisschen nachhelfen! Oder willst du ihr weiter die Gelegenheit bieten, sich an ihn ranzumachen?", frage ich provokant und deute auf das Mädchen. Noch bevor Mia antworten kann, packe ich sie am Ellenbogen und ziehe sie mit mir.
„Hey!", begrüße ich Sekunden später die Gruppe freundlich und umarme Drew kurz, bevor er sich an Mia wendet und sie umarmt. Allerdings viel länger als nur freundschaftlich. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie uns die Blondine giftig anschaut und sich nun zügig aus dem Staub macht.
„Ich wollte dich gerade suchen.", erzählt Drew und reicht Mia sein Bier, von dem sie kurz nippt. Sie strahlen sich förmlich an und ich grinse. Offenbar scheinen sie mich nicht mehr zu bemerken und ich entferne mich langsam aber sicher, um das ganze aus der Entfernung zu beobachten. Stören will ich die beiden sicher nicht.Es ist mittlerweile viel Zeit vergangen und ich habe es satt, den beiden beim Turteln zuzusehen. Ich habe schon mein dritten Drink und langsam wurde es langweilig, allein zu sitzen. Alkohol macht mich immer etwas hibbelig. Nachdem ich mir ein Bier bestellt habe, nehme ich es und wandere ein wenig herum. Die Musik gefällt mir, aber allein und mit einer Flasche Bier in der Hand zu tanzen würde ziemlich peinlich und verzweifelt wirken. Nein, so viel Anstand habe ich.
Nach einer Weile lehne ich mich etwas abseits an eine Wand und leere die Flasche. Man sagt zwar, Alkohol löst keine Probleme, aber ich fühle mich nun wirklich deutlich besser. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie jemand auf mich zukommt und drehe mich zur Seite. Es ist Drew. „Hey.", sage ich überrascht und sehe mich nach Mia um, doch sie ist nirgends zu sehen.
„Was stehst du hier so alleine 'rum?", fragt Drew und lehnt sich neben mich an die Wand.
„Ach, ich mach mal kurz ne Pause vom Tanzen.", lüge ich und nippe an meiner Bierflasche, nur um festzustellen, dass diese ja schon leer ist.
„Ich hab ein schlechtes Gewissen, El. Mia und ich sind deine einzigen Freunde und wenn wir...also wir wollen dich nicht ausgrenzen. Wir amüsieren uns und du stehst hier allein mit einer Flasche Bier in der Hand.", erklärt er und sieht mich entschuldigend an. Ich winke ab.
„Drew, hör zu. Ich freue mich wirklich für euch zwei und mir ist klar, dass ihr mich nicht ausgrenzen wollt. Aber das gehört nun mal zum Leben dazu und wenn ihr zwei zusammen seid, ist es nun mal so, dass ihr Sachen zu zweit machen wollt, ohne mich. Das ist echt okay. Mach dir da bitte keine Gedanken darüber. Ich komm' allein klar ", beschwichtige ich ihn und zaubere mir ein Lächeln auf die Lippen.
„Weißt du...", beginne ich, werde aber von einer bekannten Stimme unterbrochen.
„Na sieh mal einer an. Es stört euch doch nicht, wenn ich mich zu euch geselle, oder?", säuselt Alec und schiebt sich zwischen mich und Drew. Ich funkle ihn böse an undDrews Hand ballt sich zur Faust.
„Zisch ab.", knurrt Drew und verpasst Alec einen Stoß gegen die Schulter. Die beiden sehen sich ausdruckslos an. Drew gehörte früher zu Alecs engsten Freunden.
„Verräter, wie du, sollten den Mund nicht zu voll nehmen.", zischt Alec und baut sich vor Drew auf, welcher Alecs Beispielt folgt. Wie zwei Hähne, die kurz davor waren, aufeinander los zu gehen. Oh Mann.
„Was willst du?", frage ich genervt und stelle mich neben Drew. Augenblicklich löst sich die Anspannung in Alecs Gesicht und er strahlt mich an. Dass an seinem Lächeln nichts echt ist, weiß ich.
„Ich möchte ein wenig mit dir quatschen. Alleine, wenn du deinen Bodyguard wegschicken könntest.", sagt er und sieht Drew verächtlich an. Dieser schnaubt.
„Vergiss es.", knurrt er und geht einen Schritt auf Alec zu. Da ich nicht will, dass die Situation eskaliert, sage ich bemüht desinteressiert: „Ist schon okay, Drew. Vermutlich braucht er nur einen Tampon, es wird nicht lange dauern." Er starrt Alec noch einige Sekunden an und entfernt sich, doch ich weiß, dass er nicht weit weg gehen würde. Genervt atme ich aus. Mit verschränkten Armen sehe ich zu ihm hoch.
„Es war ein Fehler von dir, Eric auf mich zu hetzen, Kleine. Er macht mir das Leben zur Hölle, wo es nur geht.", zischt er und schlug gegen die Wand neben meinem Kopf, sodass ich zusammenzucke.
„Ich hab ihn doch gar nicht auf dich gehetzt!", entgegne ich, doch er schüttelt nur den Kopf. „Dein Kleid ist wirklich wunderschön. Pass auf, dass es dir heute niemand vom Leib reißt. Wer weiß, wer sich heute alles in den dunklen Gängen herumtreibt.", sagt er mit drohendem Unterton in der Stimme, die mich erstarren lässt. Bevor ich etwas erwidern kann, wendet er sich ab und verschwindet in der Menschenmenge. Instinktiv werfe ich einen Blick in meine Handtasche, nur um festzustellen, dass ich mein Messer, welches ich sonst immer mit mir trage, nicht dabei habe.
„Hey, ist alles in Ordnung? Was wollte der Mistkerl von dir?" Drews besorgte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
„Nichts was von Bedeutung ist.", murmle ich und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich bin eine Ferox, wovor habe ich Angst? Auch wenn ich keine Waffe dabei habe, bin ich immer noch gut im Nahkampf. Alec kann mir rein nichts. Das rede ich mir zumindest weiter ein.
„Lass uns Mia suchen.", schlage ich vor und bahne mir einen Weg durch die Menschenmenge. Ich brauche definitiv etwas Ablenkung.Ich weiß nicht, wie lange wir nun schon an der Bar sitzen, aber wir haben so viel Spaß wie schon lange nicht mehr. Der Alkohol zeigt nach und nach seine Wirkung, ich werde offener und kann für den Moment meine Sorgen vergessen. Selbst als ich den Anführer der Ferox auf mich zu marschieren sehe, kann das meine Laune nicht trüben.
„Hey Eric!", rufe ich und winke ihm zu. Der Gepiercte verdreht nur die Augen.
„Genau dich habe ich gesucht!", sage ich fröhlich und tippe ihm an die Brust. Mia und Drew sitzen neben mir und haben offensichtlich damit zu tun, nicht in Lachen auszubrechen. Ich sehe, wie ihre Gesichter rot anlaufen und Mia sich mit einer Hand den Mund zuhält.
„Komm mit!", knurrt er und packte mich am Arm. Achselzuckend nehme ich mein Getränk und stehe auf, doch keine Sekunde später hat er mir das Glas auch schon wieder abgenommen und murrt: „Du hattest schon genug Alkohol für heute.". Ohne mir Zeit zu lassen, etwas zu erwidern, zieht er mich durch die gewaltige Masse an Ferox-Mitgliedern, bis wir an einem ungestörteren Platz ankommen. Eine Minute lang starrt er mich einfach nur an und fährt sich schließlich mit der Hand übers Gesicht. Eric seufzt und zieht mich näher zu sich heran.
„Willst du mir vielleicht etwas sagen, Elena?", blafft er mich auch schon an. Verwirrt sehe ich zu ihm hoch.
„Ähm...gut siehst du heute aus? Ich meine, dieses T-Shirt steht dir echt hervor-", beginne ich, werde jedoch unterbrochen.
„Bitte, provoziere mich nicht mehr, als du es ohnehin schon tust.", entgegnet er und lässt mich anschließend los.
„Was meinst du dann?", frage ich verwirrt und stütze mich an der Wand hinter mir ab, da es schon etwas anstrengend ist, gerade zu stehen.
„Alec hat dich heute bedroht, nicht wahr? Und ich musste es von Four erfahren, anstatt von dir! Weißt du eigentlich, wie das für mich ist?", fährt er mich an. Ich schlucke und runzle die Stirn. Wie das für IHN war? Für IHN?! Und woher weiß Four davon? Hatte er das Gespräch belauscht?
„Nein Eric, ich hab keine Ahnung wie das für dich ist, vor allem, weil es MEIN Problem ist und ich diejenige bin, die damit zurechtkommen muss, verstanden?!", zische ich und baue mich vor ihm auf. Gerade will ich mich an ihm vorbeidrücken, als er mich an der Schulter packt und zurück gegen die Wand drückt. Verdammt, wieso machen das immer alle mit mir? Dieses ständige An-die-Wand-gepinnt-werden nervte mich extrem!
„Jetzt pass mal auf, Prinzessin.", beginnt er mit ruhiger, aber deutlich angestrengter Stimme.
„Du gehörst jetzt zu mir. Wenn dir jemand droht, droht er damit auch mir. Also erwarte ich, dass du mir davon erzählst, wenn das jemand tut, kapiert? Ich kann dich sonst nicht beschützen!". Sprachlos starre ich zu ihm hoch. Ihn scheint die Sache mit Alec wirklich aufzuregen. Ich weiß nur nicht, ob er das tut, weil ich ihm irgendetwas bedeute, oder ob er nur seinen Ruf verteidigen will. Da Eric offenbar auf eine Reaktion meinerseits wartet und ich weiß, dass es ohnehin keinen Sinn hat, mit ihm zu streiten, nicke ich einfach und warte darauf, dass er mich loslässt.
„Es tut mir leid, okay?", sage ich leise und hoffe, dass er etwas runterkommt, wenn ich ihm meine Kooperation überzeugend vorspiele. Natürlich tut es mir nicht leid, wieso denn auch?
Eric sieht mich noch einige Sekunden an, dann löst er seinen Griff und ich atme erleichtert aus. Als ich ihn genauer mustere, bemerke ich, dass sein Körper bebt. Gerade als ich ihn darauf ansprechen will, überbrückt er den Abstand zwischen uns, legte seine Arme um mich und vergräbt seinen Kopf in meinen Haaren. Perplex stehe ich da und weiß nicht recht, was ich machen soll. Schließlich lege ich eine Hand auf seinen Rücken und streiche leicht auf und ab.
„Ist alles okay bei dir?", höre ich mich leise fragen, genieße die Wärme seines Körpers, die auf mich übergeht. Er sagt nichts, hebt aber seinen Kopf, sodass er auf mich herabsehen kann.
„Bist du okay?", fragt er.
Ich stutzte. „Ja klar.", antworte ich und sehe ihn mit gerunzelter Stirn an. Was zum Teufel ist mit ihm los?
„Gut.", erwidert er und lässt mich los. „Möchtest du zurück zu deinen Freunden?", fragt er ohne mich anzusehen.
„Eigentlich nicht.", murmle ich.
„Was denn dann?" Er sieht mich leicht erstaunt und mit hochgezogener Augenbraue an.
„Ich möchte bei dir bleiben."
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Himmel und Hölle
FanfictionElena, eine gebürtige Ferox, lebt in einer familiären Problemwelt. Ihre Eltern sehen als einzigen Ausweg ihre chaotische Tochter einen Ehemann zu finden, der ihr den richtigen Weg weist und ihr Respekt beibringt. Alles andere als begeistert von ihre...