- Elenas POV -
Nachdem Eric gegangen ist, bleibt mir noch etwas Zeit bis zu meinem Dienstbeginn. Gelangweilt sitze ich auf der Couch und betrachte nachdenklich das Funkgerät in meiner Hand. Hm. Vielleicht sollte ich mal testen, ob es funktioniert. Selbstverständlich nur um sicherzugehen. Ich drücke also den entsprechenden Knopf und halte es mir ganz nahe an den Mund.
„Anführer Eric, Anführer Eric, bitte melden."
Stille.
Irritiert halte ich inne. Habe ich etwa den falschen Knopf gedrückt?
Doch dann rauscht das Gerät plötzlich und ich höre Erics überraschte Stimme.
„Was ist?", fragt er und ich halte mir die Hand vor den Mund, um nicht zu lachen. Als Kind wollte ich immer ein Spielzeugfunkgerät haben, allerdings habe ich nie eins bekommen. Daher macht mir das hier umso mehr Spaß.
„Falsch. Du musst sagen 'Anführer Eric hier'. Weißt du denn nicht, wie man ein Funkgerät benutzt?", frage ich amüsiert und höre ihn am anderen Ende genervt ausatmen.
„Das brauche ich mir gewiss nicht von dir sagen lassen, Elena! Und wenn du deinen Zug noch erwischen willst, solltest du dich ernsthaft beeilen.", schnauzt er und ich werfe einen gehetzten Blick auf die Uhr. Oh, schon so spät.
„Roger!", antworte ich und warte darauf, dass von ihm ebenfalls ein Roger kommt. Aber zu meiner Enttäuschung legt er einfach auf. Etwas beleidigt lege ich das Funkgerät auf den Tisch vor mir. Tzz. Zuerst gibt er mir ein Funkgerät, und dann ist er so eine Spaßbremse.
Wenige Minuten später renne ich auch schon dem Zug hinterher. Ja, ich habe wirklich zu lange getrödelt. Verbissen beschleunige ich mein Tempo auf das Maximum und nähere mich dem hinteren Zugabteil ebenso wie dem Abgrund. Die Waggontür wird geöffnet und Drew streckt mir unterstützend die Hand entgegen.
Perfektes Timing.
Ich springe und schaffe es, mich mit einer Hand am äußeren Griff des Abteils festzuhalten, während Drew mich am Ellenbogen des anderen Armes packt und hineinzieht.
„Das war echt knapp. Wenn du den Sprung nicht geschafft hättest, wärst du hinabgestürzt und vermutlich tot.", kommentiert er vorwurfsvoll und gibt mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.
„Ich hab ihn aber geschafft.", erwidere ich und lehne mich mit dem Rücken an die Wand. Ich freue mich darauf, den ganzen Tag an der frischen Luft sein zu können. Doch plötzlich erinnere ich mich daran, dass ich Erics Funkgerät in der Hektik nicht eingesteckt habe. Es liegt immer noch auf dem Tisch in seiner Wohnung.
„Fuck.", murmel ich. Ich kann nur hoffen, dass er nicht vor mir nach Hause kommt und das Teil dort liegen sieht, denn dann wäre er wohl ziemlich angepisst.
„Was ist?", höre ich Drew neben mir fragen, aber ich winke ab.
„Ach, nichts."- Erics POV -
„Findest du nicht, du bist ein wenig zu streng mit ihnen?", fragt mich Four, welcher mit verschränkten Armen neben mir steht. Emotionslos blicke ich geradeaus.
„Wir sind hier bei den Ferox und nicht bei den Amite oder Altruan. Wer nicht gut genug ist, fliegt raus.", erkläre ich leise und beobachte den Initianten, welcher mit nur einer Hand am Geländer über der Schlucht hängt.
„Eric."
Genervt verdrehe ich die Augen und funkel Four gereizt an. Ich kann seine nervige Stimme schon langsam nicht mehr hören.
„Du vergisst, wer hier das Sagen hat.", knurre ich ihn an und lasse ihn somit verstummen.
„Ich gebe auf!"
Mühsam und mit Tränen in den Augen starrt dieser Schwächling zu mir hoch. Wortlos gehe ich auf ihn zu, packe ihn am Kragen und ziehe ihn zurück nach oben. Keuchend bricht er zusammen. „Pack deine Sachen.", sage ich an ihn gewandt und drehe mich um zu den restlichen Initianten. „Wenn noch jemand von euch meine Autorität anzweifelt, kann er oder sie gerne vortreten. Dann klären wir das.", sage ich gefährlich ruhig und sehe jeden Einzelnen von ihnen an. Stumm starren sie auf den Boden, meiden meinen Blick. Besser so.
„Das Training ist für heute beendet. Heute Nachmittag ist Besuchstag und ihr bekommt die Möglichkeit, eure Familien zu sehen. Glaubt aber ja nicht, ihr könnt euch bei ihnen ausheulen, denn dann seid ihr schneller fraktionslos als ihr Ferox sagen könnt.", verkünde ich noch, bevor ich verschwinde. Manchmal frage ich mich wirklich, ob die Initianten von Jahr zu Jahr dümmer werden. Froh darüber, ein paar Stunden Ruhe zu haben, marschiere ich nach Hause und setze mich an meinen Schreibtisch. Seit Elena hier wohnt, vernachlässige ich den ganzen Papierkram, den ich zu erledigen habe, enorm und ich muss das schleunigst nachholen.
Apropos Elena, was macht sie wohl gerade? Nachdenklich fische ich mein Funkgerät aus der Jackentasche und betrachte es. Es ist schon seit Stunden still. Entweder, es ist alles in Ordnung, oder ihr ist etwas passiert. Hm.
Nun ja, vielleicht hole ich mir nur ganz kurz einen Lagebericht. Als Vorwand. Doch als ich es einschalte und ihren Namen hinein spreche, höre ich unerwartet meine eigene Stimme im Raum, nur wenige Meter von mir entfernt. Misstrauisch stehe ich auf und gehe in die Mitte des Raumes, von wo das Geräusch gekommen ist. Und da sehe ich es mitten auf dem Tisch liegend. Meine Augen verengen sich.
„Dieses...Mädchen!", knurre ich und halte das Funkgerät, welches Elena eigentlich dabei haben sollte, in die Höhe. Was zur Hölle ist nur so schwer daran, das dämliche Ding mitzunehmen?! Wütend trete ich gegen die Couch. Sie ist verletzt. Ich hoffe nur, dieser Drew würde gut auf sie aufpassen.
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Himmel und Hölle
أدب الهواةElena, eine gebürtige Ferox, lebt in einer familiären Problemwelt. Ihre Eltern sehen als einzigen Ausweg ihre chaotische Tochter einen Ehemann zu finden, der ihr den richtigen Weg weist und ihr Respekt beibringt. Alles andere als begeistert von ihre...