15. Das wusste ich garnicht (√)

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Lesenacht: 2/4

Die folgenden Tage verlaufen...eigenartig. Eric und ich sind uns eindeutig näher gekommen, unsere Differenzen sind jedoch nach wie vor allgegenwärtig. Offenbar wissen wir beide nicht, wie wir damit umgehen sollten. Ich stehe gerade in der Küche und bereite einen Salat zu, als ich höre, wie Eric nach Hause kommt. Augenblicklich verstärkt sich das Kribbeln in meinem Bauch und mein Herz beginnt, schneller zu schlagen. Obwohl ich nicht von meiner Arbeit aufblicke, nehme ich wahr, wie er auf mich zukommt und hinter mir stehen bleibt. Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe und stelle fest, dass ich mich nicht mehr darauf konzentrieren kann, die Tomate in meinen Fingern richtig zu schneiden. Das passiert mir in letzter Zeit ständig in seiner Gegenwart und ich bin schon richtig genervt von mir selbst.
„Was machst du da?", fragt er schließlich und legt sein Kinn auf meine rechte Schulter. Kurz zucke ich zusammen und lege das Messer beiseite.
„Einen Salat. Abendessen.", antworte ich ruhig und lehne mich automatisch an ihn an.
„Das ist doch keine Mahlzeit. Da fehlt eindeutig Fleisch.", kommentiert er skeptisch und legt einen Arm um meinen Bauch. Seit unserer Aussprache vor einigen Tagen ist vieles anders -  wir haben zwar nach wie vor Streit, aber er hat mich kein einziges Mal geschlagen. Fast so, als will er mir beweisen, dass er auch anders sein kann, wenn ich es zulasse. Ich schlafe nach wie vor auf der Couch, davon lasse ich mich nicht abbringen, aber ich habe aufgehört, ihn von mir zu stoßen. Es fällt mir ehrlich gesagt auch immer schwerer, mich von ihm fernzuhalten. Seine Gegenwart ist angenehm und ich liebe es, ihn zu berühren. Es fühlt sich gut an und meine Befürchtung, er würde mir wehtun, hat sich bis jetzt nicht bewahrheitet. Irgendwie beginne ich, ihm zu vertrauen.
Schließlich räuspere ich mich verlegen und deute auf das Gemüse neben uns, das ich noch waschen und schneiden muss, woraufhin der Ferox zurücktritt und in den Trainingsraum nebenan geht. Schweigend setze ich meine Arbeit fort und grüble darüber nach, wie es nun weitergehen soll. Ich fühle mich definitiv noch nicht bereit, ihm so richtig nahe zu kommen, geschweige denn zu heiraten. Außerdem sträube ich mich immer noch dagegen, mir von ihm etwas vorschreiben zu lassen. Nicht dass ich keinen Respekt vor ihm habe, aber ich will frei sein und mich niemandem unterordnen. Ich will nicht nachgeben. Ich will mich nicht ändern. Eric jedoch auch nicht. Obwohl wir beide wissen, dass dies zwischen uns liegt, hat keiner von uns ein Wort darüber verloren. Eric denkt vermutlich, wenn man nicht darüber redet, würde es sich von allein lösen. Und ich weiß, dass eine Diskussion mit Eric nicht viel bringen würde außer Streit. Es ist zum Haareraufen.

Nach dem Essen mache ich mich noch schnell zurecht und greife gerade nach der Türklinke, als mich seine forsche Stimme zurückschrecken lässt. Wie konnte er wissen, dass ich weggehen wollte? Er war doch die ganze Zeit im Trainingsraum.
„Wo willst du so spät noch hin?", fragt Eric und ich überlege, ob es schlau wäre, ihm zu erzählen, dass ich einer seiner Initiantinnen beim Trainieren helfe. Entweder es wäre ihm egal oder er wäre angepisst und würde nur noch mehr auf Tess herumhacken. Ich entscheide, ihm nicht davon zu erzählen und stattdessen nur: „Ich gehe trainieren'' , zu antworten.
Er zieht eine Augenbraue nach oben. „Du warst heute schon trainieren. Lügst du mich gerade an?"
„Nein.", gebe ich vorsichtig zurück. Das ist nicht mal gelogen, immerhin ist es für mich ebenfalls ein Training.
„Keine Panik, ich mach schon nichts Verbotenes.", füge ich noch schnell hinzu und will mich aus dem Staub machen, als der Anführer den Abstand zwischen uns überbrückt und mich zurückhält, indem er die Tür mit dem freien Arm zustößt.
„Sie wird die Initiation sowieso nicht schaffen, Elena. Du verschwendest nur deine Zeit.", sagt er gleichgültig. Fassungslos und mit größer werdenden Augen sehe ich ihn an.
„Woher weißt du davon? Hast du mir hinterher spioniert oder was?", entfährt es mir vorwurfsvoll. „Ich lass dich doch nicht verletzt spätabends alleine durch das Quartier laufen. Und da hab ich das halt mitbekommen.", meint er schlicht und zuckt mit den Schultern, als wäre es das Normalste auf der Welt jemandem nachzustellen, beziehungsweise ihn zu stalken.
„Du...kannst mich doch nicht wie ein Kind behandeln! Ich bin eine Ferox, ich muss nicht beschützt werden!", zische ich und verschränke die Arme. Zugegeben, es entspricht nicht ganz der Wahrheit da ich beispielsweise gegen jemanden wie Eric nie ankommen würde, aber das interessiert mich momentan herzlich wenig. Traut er mir seit der Sache mit Alec gar nichts mehr zu?
„Schon mal daran gedacht, dass ich das alles nicht mache um dich zu nerven, sondern weil ich nicht will, dass dir etwas passiert?!", knurrt er leicht verärgert und zieht mich am Handgelenk zu sich. Darauf gebe ich keine Antwort und seufze. Ja, ich weiß, dass das einfach seine Art ist und er es nicht böse meint. Aber man kann es auch übertreiben.
„Ich weiß.", gebe ich deshalb leise zurück und hebe meinen Blick, um ihm in die Augen zu sehen. „Aber trotzdem werde ich jetzt gehen." Mit diesen Worten löse ich mich langsam aus seinem Griff und mache mich auf in Richtung Trainingshalle.
Dort angekommen, stelle ich fest, dass Tess schon auf mich wartet.
„Hey.", begrüße ich sie und werkel am Stromkasten, der an der Wand hängt, herum, sodass wir wenigstens schwaches Licht haben und es nicht komplett dunkel ist.
„Also...wo liegen deine größten Schwächen?", beginne ich und sehe Tess fragend an. Sie blickt nervös zu Boden.
„Nun ja...also im Nahkampf bin ich ziemlich schlecht. Messerwerfen kann ich auch nicht besonders gut. Im Schießen bin ich einigermaßen gut, das sagt zumindest Four.", erzählt das Mädchen.
Ich nicke. „Okay, dann verlieren wir am besten keine Zeit. Erstens solltest du lernen, selbstbewusster aufzutreten. Hör auf dich klein zu machen, steh gerade und zeig deinem Gegner nie, dass du Angst oder Bedenken hast. Selbst wenn du weißt, dass du schwächer bist." Sie nickt und ändert sofort ihre Haltung. „Gut, dann wärmen wir uns auf und starten mit den wichtigsten Nahkampftechniken."

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