– Elenas POV -
„Das nenne ich ein ordentliches Feilchen.", murmelt der Arzt, Domenik, als er mit der Versorgung fertig ist. Der Kampf gegen Eric hat natürlich Spuren hinterlassen, wie ein Feilchen, geprellte Rippen und enorme Blutergüsse. Aber es hat sich gelohnt, denn obwohl ich körperlich komplett erledigt bin, habe ich viel Nützliches von ihm gelernt. Zwar auf die harte Tour – typisch für Eric – aber immerhin. Langsam drehe ich mich nach links und beobachte den Anführer, welcher sich gerade seine gebrochene Nase richten lässt. Leicht muss ich schmunzeln. Richtig, ich habe es tatsächlich geschafft, Eric, dem Eric, die Nase zu brechen. Darüber freuen kann ich mich allerdings nicht wirklich, denn es war viel mehr ein Missgeschick als eine beabsichtigte Tat gewesen.
Geduldig warte ich, bis auch Eric fertig verarztet ist, bevor ich aufstehe und mit ihm die Krankenstation verlassen will.
„Einen Augenblick noch.", beginnt Domenik und sieht uns mit ernster Miene an. Fragend bleiben wir stehen. Was denn noch?
„Fürs Protokoll: Trainingsverletzungen?", hakt er nach und mustert zuerst mich und dann Eric mit einem etwas skeptischen Blick. Erics Gesichtsausdruck verfinstert sich.
„Ja.", gebe ich etwas verwirrt zurück und beobachte Eric, welcher deutlich angespannt ist.
„Alles klar.", antwortet der Arzt ruhig und vervollständigt das Protokoll. Noch bevor ich weiter nachfragen kann, hat Eric auch schon einen Arm um meine Schultern gelegt und schiebt mich mehr oder weniger bestimmend nach draußen.
„Er denkt, ich misshandle dich.", brummt Eric und ich kann ihm ansehen, dass er äußerst verärgert ist.
„Aber wir haben ihm doch beide gesagt, woher die Verletzungen kommen.", erwidere ich nachdenklich. Der Ferox schnaubt.
„Du kennst meinen Ruf, wie über mich geredet wird. Er ist nicht der Einzige, der denkt, ich würde meine Aggressionen zum Spaß an anderen auslassen. Da reicht es, meine Verlobte mit diversen Verletzungen zu sehen und schon brodelt die Gerüchteküche wieder. ", erklärt er mit leiser, aber deutlich angespannter Stimme.
Ich schweige. Eric hat mich schon oft außerhalb des Trainings geschlagen, aber das war, bevor wir einander näher gekommen sind. Hatten die Leute echt nichts Besseres zu tun?
„Lass sie doch denken, was sie wollen. Würdest du mich misshandeln, hätte ich dich schon längst kastriert und in die Schlucht geworfen.", sage ich übertrieben überzeugt und boxe ihm leicht in die Seite. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie sich seine Mundwinkel nach oben ziehen.
„Ganz sicher.", meint er und nimmt meine Hand. Bis auf uns ist niemand in dem Gang unterwegs, ansonsten würde er das nicht tun. Er hasst es, öffentlich Zuneigung zu zeigen.
Nachdem wir wieder zurück in der Wohnung ankommen sind, setze ich mich auf die Couch, da mein Kopf noch immer schmerzt.
„Fang.", ruft Eric und als ich mich zu ihm drehe, kann ich gerade noch die Packung mit dem Tiefkühlgemüse fangen, welches er mir zugeworfen hat. Ich bedanke mich und halte mir die kalte Packung an die Schläfe. Die Kälte tut extrem gut.
„Wenn dich dein Ruf so stört, warum änderst du nicht etwas daran?", will ich wissen und sehe den Anführer fragend an, welcher sich nun ebenfalls auf die Couch fallen lässt.
„Mein Ruf stört mich nicht, im Gegenteil. Nur die Gerüchte, die immer wieder die Runde machen, gehen mir auf die Nerven.", antwortet er und lehnt sich zurück. „Aber das gehört dazu.", fährt er fort und ich nicke langsam. Eine Weile ist es still und ich schließe die Augen.
„Was hältst du von einer Dusche?", höre ich den Ferox wenige Sekunden später fragen und ich nicke zögerlich. Nach dem Training habe ich es sicher nötig, vermutlich müffel ich schon so sehr, dass mich Eric darauf hinweisen musst. Ich schnappe mir frische Anziehsachen und schlendere ins Bad, aber als ich die Tür hinter mir schließen will, steht da plötzlich Eric.
„Ich kann nicht abschließen, wenn du da stehst.", sage ich und runzle die Stirn.
„Natürlich nicht.", gibt er zurück und kommt nun ebenfalls ins Bad. Verwirrt blinzle ich, bevor ich mich langsam zu ihm umdrehe.
„Eric?!" Meine Stimme überschlägt sich fast, aber der Ferox funkelt mich nur auffordernd an. Seine Nase ist gebrochen, wie kann er nur so gut drauf sein?!
Mit halb offenem Mund registriere ich, wie er sich langsam aus seinen Klamotten schält.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst.", sage ich tonlos, aber er sieht mich nur unbeeindruckt an.
„Sag bloß, du traust dich nicht.", meint der Anführer und zieht herausfordernd eine Augenbraue nach oben. Ich starre ihn unfassbar und ziemlich überfordert an. Er will, dass wir zusammen duschen? NACKT?!
„I-ich..", beginne ich, stoppe aber, als ich feststelle, dass ich keine Ahnung habe, was ich eigentlich sagen will. Als Eric nun nur noch in seiner Unterhose vor mir steht und auf mich zukommt, greife ich instinktiv zur Türklinke und will verschwinden, aber seine starken Arme um meiner Hüfte halten mich zurück.
„Hiergeblieben.", raunt er und legt eine Hand in meinen Nacken, sodass sich automatisch wieder dieses wohlige Gefühl in mir ausbreitet. Wie macht er das nur?
„Ich kann nicht mit dir duschen.", stammel ich und spüre, wie mir allein bei dem Gedanken daran die Röte ins Gesicht steigt. Tief in mir drin muss wohl doch eine kleine, verklemmte Altruan sein.
„Vertraust du mir?", fragt er rau und ich starre ihn lange an. Viel zu lange.
Dann nicke ich.
Als sei dies Antwort genug, dreht er mich um und ehe ich mich versehe, hat er mir mein Shirt über den Kopf gezogen. Anschließend fährt er mit seinen Händen nach unten zum Knopf meiner Hose. Ich erstarre. Wenn ich untenrum nichts mehr anhabe...was, wenn er einfach...so wie ich es von meiner Mutter mitbekommen hatte, müssen die Schmerzen furchtbar sein...
Augenblicklich spüre ich wieder den Drang, ihn von mir zu stoßen. Und das tue ich auch.
„Lass mich!", fahre ich ihn an und klinge dabei viel aggressiver und böser, als ich es beabsichtigt habe.
„Elena." Erics Stimme ist ganz leise und ich komme mir plötzlich vor, als rede er mit mir wie mit einem bockigen Kind.
„Lass mich. Hör einfach auf damit!", fauche ich und drehe mich abrupt um. Ich will einfach nur weg von hier und irgendwo allein sein. Aber das wird mir offenbar nicht gegönnt, denn schon werde ich am Handgelenk zurückgezogen. Da meine Handgelenke vom Training noch weh tuen, kneife ich schmerzhaft die Augen zusammen.
„Wenn du sagst, du vertraust mir, sagst du das nur so oder ist das auch die Wahrheit?", fragt der Ferox und zwingt mich, ihn anzusehen. Wütend funkle ich ihn an. Er soll mich gefälligst loslassen.
„Eric, lass mich sofort los.", fordere ich und ich merke, wie zittrig meine Stimme klingt. Ich muss hier weg bevor ich noch vor ihm die Fassung verliere.
Doch er lockert seinen Griff nicht, egal wie sehr ich versuche, freizukommen.
„Das ist die Wahrheit, ich vertraue dir, Eric.", sage ich schließlich ergeben um ihn dazu zu veranlassen, mich gehen zu lassen. Sein Blick wandert prüfend über mein Gesicht.
„Wovor hast du dann solche Panik?", hakt er nach und als ich an die Antwort auf seine Frage denke, kommen mir plötzlich die Tränen hoch. Genau das habe ich befürchtet.
„Ich hab keine Panik! Du weißt nicht mal was Panik ist!", knurre ich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Ich erkenne Panik, wenn ich sie sehe. Und ich sehe sie in deinen Augen.", murmelt er.
„Es ist okay. Okay? Es ist alles okay.", versuche ich ihn abzuwimmeln und bemühe mich, ruhig zu sprechen, auch wenn es mir absolut nicht gelingt. Oh Gott, ich bin so dämlich! Was muss Eric jetzt von mir denken? Dass ich ein schwaches kleines Mauerblümchen bin? Verdammt, ich bin eine gebürtige Ferox! Ich sollte wie alle anderen vor nichts zurückschrecken und einfach ins kalte Wasser springen...
„Ich denke, wir lassen das.", sagt Eric tonlos und lässt mich schließlich los. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Er ist gekränkt. Beleidigt. Vermutlich denkt er, ich will es nicht. Dass ich es nicht mit ihm will und ihm nicht vertraue. Aber das tue ich.
„Eric...", beginne ich, aber er schiebt mich nicht gerade sanft aus dem Bad.
„Ich geh jedenfalls jetzt duschen.", unterbricht er mich barsch und ich zucke zusammen. Er hat wieder seine kalte Maske aufgesetzt und es ist allein meine Schuld. Traurig sehe ich zu, wie er die Tür zumacht und mich stehen lässt.
Ich stöhne genervt auf und schlage meinen Kopf gegen die Wand. Wieder mal klasse hinbekommen, Elena!
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Himmel und Hölle
FanfictionElena, eine gebürtige Ferox, lebt in einer familiären Problemwelt. Ihre Eltern sehen als einzigen Ausweg ihre chaotische Tochter einen Ehemann zu finden, der ihr den richtigen Weg weist und ihr Respekt beibringt. Alles andere als begeistert von ihre...