Kapitel 9 • Sport

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>Ich sitz' in meinem Turm aus Eis, hab nur ein Fenster<

Ich hätte niemals gedacht, dass ich bei einer sportlichen Veranstaltung so mitfiebern könnte. Es war echt cool. Erst lagen sie sogar relativ weit hinten. Also, Tims Mannschaft, aber irgendwann haben sie es dann doch noch rumgerissen und ich fand nicht, dass Tim wenig dran beteiligt war. Er hatte echt nicht schlecht gespielt, fand.

Es war die letzte Spielminute und es stand 40 zu 40. Tim hatte den Ball, er dribbelte auf den gegnerischen Korb zu doch ein Gegenspieler stellte sich genau vor ihn und er war noch gut sechs Meter vom Korb entfernt doch er sprang einfach hoch, warf den Ball und dieser landete perfekt gezielt im Korb. Es war die perfekte Mischung aus Glück und Können.

Wenige Sekunden später pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab und ich sprang, wider meiner Erwartung, auf und fing an zu jubeln und zu applaudieren. Endlich kam ich mal aus mir raus und hatte Freude an etwas. Jedoch ließ ich mich relativ schnell wieder auf meinen Platz sinken. Mit den klatschen und rufen hörte ich jedoch nicht auf.

Nachdem Tim sich aus der Gruppenumarmung mit der Mannschaft und dem Trainer befreit hatte, kam er breit grinsend auf mich zu und gab mir ein High Five. "ich habe zwar die Regeln nicht ganz verstanden, aber du hast nicht schlecht gespielt.", sagte ich erfreut. "Ich bin auch zufrieden.", antwortete er darauf. Und danach schwiegen wir. Und das war ziemlich unangenehm.

"Wer wollte nochmal nicht jubeln?", fragte er sarkastisch und echt verdammt gut gelaunt. Ich wurde so angesteckt von diesem Lächeln und musste ebenfalls grinsen. Ich mochte sein Lächeln. Es wirkte mir gegenüber so ehrlich.

"Also, ich hab keine Ahnung, wer das behauptet hat!", gab ich, ebenfalls sarkastisch und halb lachend, zurück. Die freude hatte mich da einfach gepackt, da konnte ich doch nichts für.

Er boxte mir gegen die Schulter. "Ist doch schön, dass du so mit gefiebert hast." "Ich bin auch ganz überrascht von mir.", sagte ich erstaunt und fing an ein wenig zu lachen.

"Ich geh mich dann mal weiter freuen. War schön, dass du hier warst." Mit diesen Worten verabschiedete Tim sich von mir und ging wieder zu seinem Team, welches seinen Sieg immer noch nicht fassen konnte. Schien wohl ein starker Gegner gewesen zu sein.

Die Mannschaft feierte noch ein bisschen und ich begab mich zum Kuchenstand und saß wenig später im Park, mit meinem Erdbeerkuchen in der Hand auf einer Bank. Mein Fahrrad lehnte an dieser, und sah den Leuten zu, wie sie durch den Park joggten oder mit ihren Kindern an der Hand spazieren gingen. Diese Leute hatten irgendwie ein erfülltes Leben.

Es tat verdammt gut, die Sonne auf meiner Haut zu spühren und Kuchen zu essen. Ich hatte mir extra das größte Stück geben lassen und daran hatte ich auch wirklich lange gegessen. Aber ich aß nunmal gerne und dieser Kuchen war auch echt lecker gewesen.

Als der Pappteller bis auf ein paar Krümel leer war, warf ich ihn mit der Pastikgabel zusammen in den nächsten Mülleimer und machte mich mit dem Rad langsam aber sicher auf den Weg nach Hause.

Vor der Haustür hielt ich jedoch inne. Wieso sollte ich das Haus betreten, wenn ich nichts anderes zu tun hatte, als zu lernen, Fernsehen zu schauen oder an meinem Handy zu sein?

Also beschloss ich, in die Innenstadt zu gehen, um ein wenig durch das Einkaufszentrum zu laufen und mir vielleicht noch ein Eis zu holen.

Gesagt getan. Ich schwang mich wieder auf meinen Drahtesel und fuhr Richtung Innenstadt. Der Weg war nicht weit und nach einer Viertelstunde war ich auch schon angekommen.

Unsere Innenstadt war nicht hässlich. Es war sehr bunt denn die Häuser waren in allen möglichen Farben gestrichen. Für jede Kleinigkeit gab es auf der Einkaufsstraße einen Laden.

An den Fahrradständern angekommen schloss ich mein Rad an und trat den Weg zur besagten Einkaufsstraße an. Nach den drei Kilometern, die ich mit dem Rad gefahren war, war ich ein wenig aus der Puste. Mir fiel auf, dass ich auch mal wieder etwas mehr Sport machen könnte.

Und da ich an jenem Tag ausnahmsweise mal richtig motiviert war, ging ich in den nächst besten Klamottenladen und suchte die Sportabteilung. Ich war viel zu motiviert und irgendwie war mir klar, dass ich diese Sachen nur zum Schulsport anziehen würde.

Nach einigen Minuten der Orientierungslosigkeit fand ich sie dann und war überwältigt, von der Auswahl. Bis mir auffiel, dass ich bei den Frauen gelandet war. Ich ging weiter, als ob es mir nicht passiert wäre. Ich fand es nicht schlimm, wenn Männer Frauenkleidung oder andersrum trugen, aber einen Sportbh wollte ich mir jetzt auch nicht kaufen.

Endlich in der richtigen Abteilung fing ich dann an, mich zu fragen, was für einen Sport ich eigentlich machen wollte.

Ballsport kam nicht in Frage. Man brauchte nur kurz gegen meine Nase kommen und schon fing sie an zu bluten.

Auch Teamsport befand ich nicht für gut. Ich war eher Einzelgänger und mochte viele Menschen auf einem Haufen nicht besonders gerne.

Einfach nur Joggen gehen, war mir dann auch etwas zu unspektakulär und langweilig.

So langsam gab ich die Hoffnung auf, dass ich überhaupt etwas machen konnte, wobei ich mich körperlich anstrengen musste.

Dann wurde mir klar, dass ich ja nichtmal in einen Verein gehen musste. Ich konnte auch zu Hause Workouts machen oder irgendwas bei uns im Garten. Da konnte mich keiner sehen und darüber war ich auch erstmal froh.

Wo ich die Motivation zum Sportmachen her hatte? Ich wusste es nicht. Sie war einfach da und wollte akzeptiert werden. Und ich akzeptierte sie.

Am Ende entschied ich mich für eine schwarze, etwa Knielange und lockere Hose so wie ein neongelbes, eng anliegendes Sport-Shirt. Wenn ich Muskeln gehabt hätte, hätte man sie durch das Shirt gesehen. Ich hatte mit mir selber abgemacht, bei mir im Garten zu trainieren. Ein paar Muskeln würden mir definitiv nicht schaden.

Ich hatte relativ wenig bezahlt und somit noch Geld über, um mir bei der Eisdiele auf dem großen Platz der Altstadt eine Kugel Eis zu kaufen und mich mit dieser an den Brunnen zu setzten.

Ich war in Gedanken versunken und merkte nicht, dass es immer später wurde, bis meine Mutter mich anrief, um mich zu fragen, wo ich bliebe. Es gäbe Abendessen. Ich hatte tatsächlich vergessen, ihr bescheid zu sagen. Sowas passierte mir sonst eigentlich nie.

Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und hechtete zu meinem Rad.

Im Eiltempo fuhr ich nach Hause, wo mich meine Mutter leicht angenervt empfing.

"Wo ist der werte Herr denn gewesen?", fragte sie mich, als wir am Küchentisch saßen und Pancakes aßen. Ich liebte ihre Pancakes. Vor allem mit Nutella.

"Erst war ich beim Basketballspiel von Tim und danach in der Stadt. Hab mir Sportklamotten gekauft. Ich dachte, ein bisschen Sport würde mir gut tun.", schilderte ich meiner Mutter meinen Vormittag.

"Der Tim aus dem Krankenhaus? Aber du willst doch nicht mit Sport anfangen, um ihn zu beindrucken, oder?", fragte sie neugierig.

"Da läuft nichts, Mama. Ehrlich! Und ich will ihn nicht beindrucken. Wenn du das denkst, kennst du mich aber schlecht!", widersprach ich ihr empört.

Sie nickte einfach und wir wanden uns beide wieder unserem Essen zu.

Liedzeile: -Ghost by Darkviktory-

*Ps: Song oben eingefügt*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt