Kapitel 21 • Langeweile

414 34 0
                                    

>They've got all the right moves<

Am nächsten Morgen wachte ich auf und wurde dirket von einer Welle der Übelkeit übermannt.

Ich sprang sofort aus dem Bett und übergab mich auf der Toilette im Bad. Es war wirklich knapp und ich war froh, die Toilette getroffen zu haben.

Ich schleppte mich zurück und mir fiel ein, dass ich diese Hölle heute und morgen nochmal erleben musste und Mental war ich gerade ziemlich am Ende. Jetzt wusste ich ja, was auf mich zukam und ich hatte keinen Wiederholungsbedarf. Aber trotzdem musste ich da durch.

Ich fing an, weiter zu lesen aber es war nicht mal halb so schön wie es war, als Tim es gelesen hatte. Das Buch fand also wieder den Weg auf den Nachttisch und mir war wieder sterbenslangweilig. Dieses Buch war doch so schön, aber jetzt wirkte es lasch, wenn ich es selbst las.

Ich scrollte auf meinem Handy erst durch Twitter und dann durch Instagram. Ich konnte die Fotos von den ganzen, fröhlichen Menschen sehen. All den fröhlichen Menschen, die kein Krebs hatten und für ihr Leben im Krankenhaus lagen und sich die Seele aus dem Leib kotzten. Also legte ich mein Handy wieder beiseite, um meine Laune nicht noch mehr runter zu ziehen.

Ich wagte einen Blick auf den Wecker und sah, dass es kurz vor acht, also kurz vor Frühstück war. Ein Lichtblick an diesem Tag. Ich liebte Essen aber wenn es in der nächsten Zeit nicht bei mir bleiben würde, wäre diese Freundschaft dann auch zerstört.

Chris kam um kurz nach acht, also zu spät, mit einem Brötchen mit Fleischwurst an mein Bett.

"Keine Sorge, vegetarische Fleischwurst.", grinste er. Er hatte wohl meinen skeptischen Blick auf das Brötchen bemerkt.

"Auch guten Morgen Chris. JA, die Nacht war ok aber ich habe heute Morgen nochmal gekotzt." Ich wollte sauer klingen aber ich konnte nur lachen. Chris war einfach Chris. Ihn musste man irgendwie mögen. Er wirkte nicht wie ein strenger Krankenpfleger, eher wie ein guter Freund, der zufällig im Krankenhaus

"Ich hab' dich auch gern. Aber, du bekommst eine Mitbewohnerin. Sie ist echt hübsch, also, da kannst du besti-" "Ich bin schwul, Junge.", unterbrach ich ihn lachend.

"Dann krall ich die mir halt.", witzelte er.

"Ne, mal ernst. Die ist wirklich nett. Ein wenig speziell, aber nett. Die würde sich bestimmt gut mit dir verstehen. Sie kommt um zwölf Uhr hier in dein Zimmer."

Ich hätte gerne noch weiter gequatscht aber er bekam eine Nachricht, dass er gebraucht wurde und verabschiedete sich.

Um spätestens sechzehn Uhr würde er eh wieder hier sein, um mir die flüssige Hölle an meinen Port anzuschließen. Und heute würde meine Mutter definitiv dabei sein. Nochmal wird sie sich das nicht gefallen lassen.

Ich vertrieb mir meine Zeit mit Zähneputzen, den Schlafanzug gegen ein gammelieges T-Shirt und eine Jogginghose tauschen und den Flummi, den mir meine Mutter mitbegracht hatte, gegen die Wand zu werfen. Sie wusste einfach, wie sie meine Langeweile bekämpfen konnte.

Der Flummi prallte erst an der Wand ab, dann auf dem Boden und letzten Endes landete er fast immer wieder in meiner Hand. Ich musste nur zwei, dreimal aufstehen, um ihn vom Boden aufzuheben.

Nach einer halben Stunde kam dann ein älterer, genervter Herr mit einer schwazen, tiefsitzenden Lesebrille ,Morgenmantel und diesen komischen Hausschuhen  in mein Zimmer und bat mich, diese 'Lärmbelästigung' zu unterlassen.

Ich wollte keinen Ärger und so war mein letzter Zeitvertreib auch weg.

Es war erst kurz vor Elf und somit hatte ich noch über eine Stunde, in der ich mir alleine die Zeit vertreiben musste.

Also griff ich wieder in meine Tasche. Ich beschloss, meine Mutter durch zu knuddeln, wenn sie heute kommen würde. Ich griff mir den Block und meine Stifte, so wie das hölzerne etwas, das einem Klemmbrett ähnelte. Ok, es war ein Klemmbrett.

Ich griff nach meinem Handy, stöpselte die Kopfhörer ein und machte die Musik an. Es lief Spectre von Alan Walker und ich ging ziemlich ab auf dieses Lied. Es machte einfach gute Laune, diesem Lied zuzuhören.

Ich setzte den Bleistift auf dem Papier an und fing an zu zeichnen. Ich wusste nicht sofort, was es werden sollte aber nach den ersten Strichen hatte ich mich entschieden. Ich versuchte Mia, meine beste Freundin aus der fünften Klasse, welche ihr Gedächnis verloren hatte und weggezogen war, zu zeichnen. Aber ich zeichnete sie nicht so, wie sie vor fünf Jahre ausgesehen hatte, sondern so, wie ich sie mir jetzt gerade vorstellte.

Sie hatte leuchtende, blaue Augen. Sie waren so blau, wie der klare Himmel und wirkten einfach fesselnd. Die langen, dunklen Wimpern betonte ich auch. Ihre roten, dicken Haare hatte sie immer in einem Bauernzopf getragen und das brachte ich auch ein. Die Sommersprossen auf Nase und Wangen ließen ihr Gesicht kindlich wirken aber ich versuchte, sie trotzdem älter wirken zu lassen. Ihre schmalen, blassen Lippen formten ihr Lächeln wie eh und je und die Grübchen verziehrten ihre Wangen. Ihr spitzes Kinn blieb auf meiner Zeichnung so, wie es früher auch war. Sie hatte schon immer große Ohren, aber eine relativ kleine, Stupsnase gehabt. Aber das einzige, was ihr schönes Gesicht damals so entstellte, musste leider auch mit auf das Bild. Sonst wäre es nicht fair. Über ihre Stirn zog sich eine große Narbe. Ich stellte sie fast verheilt dar, da ich sie das letzte mal vor fünf Jahren gesehen hatte und besagte Narbe damals einigermaße gut verheilte.

Ich schaute das Bild an und war mir sicher, dass sie so ähnlich aussehen musste. Ein seufzen verließ meinen Mund und das erste mal, seit langer Zeit, wagte ich wieder, zu überlegen, wie es ihr wohl ging. Was sie wohl machte und ob sie ihre Erinnerungen zurück bekommen hatte. Die Ärzte konnten dies bezüglich nichts sagen und waren nicht sicher gewesen, ob die Amnesie nur über einen bestimmten Zeitraum halten würde.

Ich sah auf die Uhr. Eine Minute vor Zwöf. Bald würde ich meine neue Mitbewohnerin kennen lernen. Hoffentlich war sie so nett, wie Chris gesagt hatte. Aber ich vertraute ihm einfach mal und hoffte, dass er recht hatte.

Zwei Minuten später ging die Tür auf und eine Pflegerin kam hinein mit meiner neuen Mitbewohnerin.

Liedzeile: - All the right moves by One Republic -

*Ps: Song oben eingefügt. Mein Lieblingslied*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt