>Will auf und davon und nie wiederkommen<
Wir beschlossen, uns irgendwas zu erzählen. Ob es aus unserem Leben war, wobei meins am uninteressantesten und traurigsten erschien, oder von Freunden, oder einfach Bücher, die wir aus Langeweile gelesen hatten. Es machte verdammt Spaß zu erfahren, dass einer von Tims ehemaligen Freunden, den Hamster seiner kleinen Schwester eingesaugt hatte und ihr einen neuen besorgte. Aber es flog auf und er hatte mächtigen Ärger bekommen.
Mia erzählte auch über die Zeit, in der sie nach und nach ihre Erinnerungen wiedererlangt hatte. Es war oft mit starker Konzentration und darauf folgenden Kopfschmerzen verbunden gewesen, aber sie hatte es durchgezogen und letzten Endes war sie froh gewesen, diese Therapie gemacht zu haben.
Wir redeten lange und die Zeit verging um einiges schneller, als wir erwartet hätten. Aber da wir um halb eins noch keine Müdigkeit empfanden, beschlossen wir, uns hinaus zu schleichen.
Ich zog mir nur eine kurze Jogginghose an, denn in Boxershorts wollte ich jetzt nicht unbedingt raus gehen. Tim sah das genauso und auch Mia striff sich eine luftige Hose über die Unterhose. Ein Oberteil hatte sie an.
So leise, wie letzte Nacht, bewegten wir uns nach draußen. Aber dieses Mal weiteten wir den Weg aus. Wir wollten nicht nur mehrere Runden über diesen öden Kiesweg laufen. Immer und wieder den gleichen Weg, bis man keine Lust mehr hatte, immer das gleiche zu sehen. Ein wenig wie das Leben. Man arbeitete jede Woche darauf hin, das Wochenende zu erreichen. Immer und immer wieder. Anstatt zu leben. Aber das waren Gedanken fürs Alleinsein und nichts fürs miteinander.
Wir beschlossen, ein wenig weiter zu gehen und das Gelände des Krankenhauses zu verlassen, um in den großen Wald nebenan zu gehen und dort die Nacht zu genießen. Ich kannte mich, obwohl der Wald ziemlich groß war, dort so gut aus, dass ich auch blind jede Stelle finden würde. Früher hatten wir dort immer gespielt und ich war auch oft alleine dort gewesen. Oft war untertrieben. Ich habe, bis letzten Winter, meine gesamte Freizeit dort verbracht. Bin herum gelaufen oder habe gegen imaginäre Gegner verherene Schlachten geführt. Ich war auf gefühlt jeden Baum geklettert, aber meinen Lieblingsbaum konnte keiner übertreffen. Er war über einem versteckten Teich gewachsen und man konnte sich gut drauf legen, da der Stamm sehr dick war. Ich war häufig in diesem Teich schwimmen und die Sterne spiegelten sich immer wunderschön auf dem Wasser.
"Du willst es Tim zeigen, oder?" Mias Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Ich nickte nur und führte uns weiter durch den Wald. Ab und zu scheuchten wir Tiere auf, denn leise sind Menschen nun mal nicht. Wir sind laut, egal wie wir uns anstrengen leise zu sein.
"Was willst du mir zeigen?" Schwang da etwa Argwohn in seiner Stimme mit?
"Wenn ich es dir verrate, ist es nur noch halb so schön, wie, wenn du es ohne Beschreibung zum ersten Mal siehst.", plädierte ich und er folgte mir einfach schweigend. Mia gab auch keinen Laut von sich.
Nach fünf Minuten trafen wir auf den Bach, der uns zu dem Teich führte. Wir folgten seinem Verlauf ein paar Minuten und schon war das, scheinbar undurchdringliche, Buschwerk vor uns, dass den schönsten Platz der gesamten Stadt verbarg. Wenn nicht sogar den schönsten Ort der Welt.
Ich schob die Äste zur Seite und mir folgte erst Tim und dann Mia. Als er den Teich sah, weiteten sich seine Augen und seine Kinnlade klappte hinunter.
Alles war wunderschön und wirkte so vollkommen. Hier vergaß man seine Sorgen. Keiner störte einen und man dachte über alles nach. Dieser Ort wirkte magisch und es war jedes mal schwer, diesen Teich zu verlassen, um in den grauen Alltag zurück zu kehren.
"Stegi, das, das ist unbeschreiblich.", hauchte Tim, immer noch ganz verblüfft von diesem märchenhaften Anblick, der sich ihm bot.
"Können wir nicht darin baden?", fragte Mia. Ich dachte kurz nach und kam zu dem Entschluss, dass es nicht schaden könnte.
Wir zogen uns bis auf die Unterwäsche aus, Mia hatte bei sowas noch nie große Hemmungen gehabt und ich genauso wenig. Ok, Mia schwamm oben ohne, beim Schlafen trägt man ja nichts drunter und da wir in Schlafsachen gekommen waren hatte sie nichts drunter. Mich störte es nicht. Ich interessierte mich halt nicht dafür. Tim schien etwas skeptisch.
"Du schläfst auch in Boxershorts.", argumentierte Mia und Tim befand das Argument für überzeugend.
Ich ließ mich ganz langsam in das Wasser gleiten. Der Teich hatte vielleicht einen durchmesser von zehn Metern und am Ufer wirkte es so, als ob er sehr flach wäre aber nach dem ersten Meter fiel der Boden stark ab.
Das Wasser war kühl, als ob das kalte Licht der Sterne ihm die letzte Wärme entzogen hätte. Aber diese Kälte war nicht unangenehm. Es fühlte sich eher so an, als würde das Wasser all das, was man jemals falsch gemacht hatte, von einem waschen. Als ob die Sterne, die in das Wasser schienen ihre Kälte an das Wasser abgaben und es zum reinsten machten, was es jemals auf diesem Planeten gegeben hatte. Eigentlich sind Sterne riesige, heiße Sonnen aber hier wirkten sie kälter als Eis. Nur über dem Wasser des Teiches konnte man die Sterne sehen, denn auch das Ufer wurde von Bäumen überschattet. Ich genoss diesen kleinen Schwimmausflug und den anderen beiden anderen erging es scheinbar nicht anders.
Als uns dann doch kühl wurde, schwammen wir wieder zum Ufer und blieben dort noch, fast bis Sonnenaufgang, sitzten.
Doch wir wollten vor den Kontrollen um acht im Krankenhaus sein und auch möglichst unbemerkt in unser Zimmer kommen.
Mittlerweile waren wir auch wieder trocken. Somit konnten wir uns die Klamotten wieder anziehen und voll bekleidet den Rückweg antreten.
Auch dieses mal gelang es uns ohne Schwierigkeiten, unbemerkt wieder in das Zimmer zu kommen. Wir gingen auf der Stelle ins Bett, denn die Müdigkeit hatte sich rasend schnell nach dem Marsch in unseren Körpern breit gemacht.
Ich drehte mich mit meinem Körper auf die linke Seite und somit lag mein Kopf richtung Mia und dem Fenster und von der Tür abgewandt.
Tim zog es vor, auf dem Rücken zu schlafen, wobei ich nicht verstehen konnte, wie man so Schlaf finden konnte. Aber so lange er gut schlafen konnte, war es mir recht.
Morgen würden wir sicherlich etwas schönes machen, denn morgen hatte ich weder Chemo, noch Bestrahlung oder ähnliches. Ich hatte frei und konnte dem Krebs und seiner Bekämpfung wenigstens für einen Tag aus dem Weg gehen und Distanz zwischen mich und diese verdammte Krankheit bringen.
Mit diesen Gedanken schlief ich ein.
Liedzeile: -Im Ascheregen by Casper-
*Ps: Song oben eingefügt*
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Angels can fly • stexpert
Fanfiction[Abgeschlossen; Überarbeitet] Manchmal macht das Leben dir einen Strich durch die Rechnung. Und manchmal kann es damit einfach nicht aufhören. Nur Liebe und Freundschaft, schaffen es manchmal, alles zusammen zu halten aber wenn dann auch noch eine t...