Kapitel 38 • Schwimmbad

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>Dich und mich - sowas gibt's unglaublich selten<

Wir hatten noch lange über das Universum geredet. Darüber, wie unwichtig wir eigentlich sind. Wie unwichtig unser Planet eigentlich ist und dass man sich kaum vorstellen kann, dass das Universum sich immer weiter ausbreitet. Aber worin breitet es sich denn aus? Solche Themen konnte man nicht am Tag besprechen und deshalb taten wir es Nachts. Auf einer Straße liegend.

Um vier Uhr hatten wir uns dann mit steifen Gelenken und schmerzenden Rücken auf den Weg zu Tim gemacht. Und dieses Mal waren wir auch wirklich ins Haus hinein gegangen.

In seinem Zimmer hatten wir die Schlafcouch ausgeklappt und uns bettfertig gemacht. Schlafen wollten und konnten wir immer noch nicht. "Was macht dein Bruder eigentlich für Sport?" Diese Frage stellte ich mir schon die ganze Zeit. "Er sagts nicht gerne, aber ich denke, dir kann ich vertrauen." Nur ein Nicken meinerseits. "Er tanzt Ballett." Ich mochte es eigentlich schon immer, wie die Balletttänzer sich bewegten. So elegant, aber doch so kraftvoll. "Oha, das is voll geil! Er ist so das ziemliche Gegenteil von dir, zumindest in Sachen Sport!", stellte ich fest. "JA, meine Eltern finden sein Ballett auch viel geiler als mein Basketball. Bei jedem Auftritt sind sie dabei und nehmen sich immer Zeit, aber wenn ich ein wichtiges Turnier hab, ist die Badewanne auf einmal wichtiger." Er wirkte zerknirscht und ich kuschelte mich einfach an ihn. "Kommst DU denn nächste Woche Sonntag?" Da musste wohl ein wichtiges Turnier sein und ich hatte weder andere Freunde, die bei mir wohnten, noch irgendwas anderes vor. Was sollte ich auch sonst machen? "Klar, wie wichtig ist es denn?" Das interessierte mich jetzt. "Das wohl wichtigste Turnier, dass ich je gespielt habe.", berichtete Tim stolz. "Da sind Talentscouts, die Nachwuchs für den Bundeskader suchen. Wenn ich gut spiele, kann es sein, dass sie sich noch andere Spiele von mir ansehen und wenn ich sie überzeuge, habe ich eine Chance auf den Bundeskader." So aufgeregt hatte ich Tim selten erlebt und es machte mich glücklich.

Viel hatten wir dann nicht mehr gesprochen und ich war, an ihn gekuschelt, eingeschlafen. Um Zwölf Uhr wachte ich auf und entschied mich kurzerhand, ihm mein Kissen mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen. "Aufstehen, Schlafmütze!", gluckste ich und kassierte einen Todesblick von Tim. "Lass uns Frühstücken.", murrte er und schälte sich aus dem Bett. Er hatte tiefe Augenringe und meine ware wohl auch nicht besser als sonst. "Trägst du mich?", fragte ich ganz unschuldig und Tim verdrehte die Augen, ließ mich jedoch trotzdem auf seinen Huckepack gehen. "Du musst mehr essen, Stegi!", bemerkte er, als er mich hochhob. "Ich hatte mir nicht gewünscht, das immer wieder auszukotzen.", gab ich bissig zurück und bereute meinen Ton sofort wieder. Als Entschädigung drückte ich ihm einen schnellen Kuss auf den Haaransatz. Einfach als Entschuldigung. Ich wollte nicht so fies klingen. Und diese ganz leichte Wärme die in mir aufstieg nahm ich kaum wahr.

"Was willst du essen?" Während Tim das fragte, holte er zwei Gläser aus dem Schrank über der Spühle und hielt fragend den Orangensaft in die Höhe. Ich nickte und fragte "Was habt ihr denn?" "Also, Müsli, Brot und, ach, guck selbst in den Kühlschrank." Diesen öffnete ich und entschied mich für ein total nährreiches Schokoladenmüsli. Tim auch. Sein Kommentar dazu war einfach "Du brauchst eh mal mehr auf den Hüften." Das konnte man tatsächlich nicht abstreiten.

"Was sollen wir heute machen?" Er räumte gerade unser Geschirr in die Spühlmaschiene und ich stand daneben und fühlte mich dezent nutzlos. "Ich bin unkreativ." Ich zuckte teilnahmslos mit den Schultern. "Da ist aber jemand motiviert." Für den Spruch bekam er einen Mittelfinger. Zwei Stück sogar, heute war ich mal gnädig. "Ich kenne ein Schwimmbad mit einem Zehnmeterturm." Er wusste, wie er mich locken konnte. Meine Aufmerksam keit galt wieder ihm und ich war ganz Ohr. "Zwei Orte weiter. Mit Bus und Bahn 'ne knappe halbe Stunde. Ein bisschen weiter also als das, in dem wir letztes Mal waren." Ich grinste breit. Erstens, weil ich das zweite Mal in meinem Leben vom zehner springen würde und weil Tim einfach wusste, wie man mich Ködern konnte. Ich hatte sogar, für alle Fälle, Schwimmsachen eingepackt. Einfach, weil ich mitgedacht hatte. Wenigstens einmal war die Kompetenz auf der Seite meines Vergangenheits-Ich.

"Komm,  spring doch. Das kommt doch komisch, wenn das Muskelpaket wie so ein Weichei nicht springt und wieder runter geht und das Knochengestell ohne Haare ohne zu zögern über die Kante geht!" Wir standen schon seit gut zwei Minuten hier oben und ich versuchte Tim davon zu überzeugen, den Sprung zu wagen. "Ich will aber niemandem was beweisen. Mir doch egal, was die von mir denken. Die fünf Meter waren schon krass.", tat er mit patziger Stimme ab. "Für mich?" Jetzt hatte ich ihn. "Du gehst jetzt da vorne hin, schaust einmal kurz, ob da unten jemand ist und hopst einfach runter. Ganz cool. Und ohne schreien." "Wenn das mal so einfach wäre.", murmelte er aber befolgte meinen Rat und sprang hinunter. Er tauschte ziemlich gerade ein und ich stieß erleichtert Luft aus. Wenn man Angst hatte, machte man schon ziemlich verheerende Fehler. Aber er nicht. Es war alles gut gegangen. 

Nun war ich wieder dran. Ich stellte mich in rückwärts Pose und holte tief Luft. Mehr als schief gehen konnte es nicht. Aber andererseits war ich noch nie vom Zehner gesprungen und es war vielleicht nicht die beste Idee, sofort irgendeine Figur zu versuchen. Aber es war mir egal. Ich nahm Schwung und sprang rückwärts ab. Der erste Salto war nahezu perfekt aber zu lang. Dieses kleine Defizit korrigierte ich im zweiten, indem ich die Beine näher an meinen Körper zog und mich somit schneller drehte. Die Landung war ziemlich gut. Fast perfekt. Ich bekam von Tim einen Applaus und ich tauchte verlegen unter Wasser, um meine roten Wangen zu verstecken.

"So schlimm war das garnicht, von da oben.", behauptete Tim, als wir uns mit einer Portion Pommes auf die Wiese auf unsere Handtücher gesetzt hatten. "Wer's glaubt wird seelig.", lachte ich und kassierte einen Schlag auf die Stirn. Nicht feste, aber unerwartet. Und das beste daran: er hatte Ketchup an seiner Hand und ich nun auf der Stirn. "Du kleiner Faggot!", sagte ich und wischte energisch den Ketchup mit einer Serviette von meiner Stirn. "Du hast es nicht weggemacht sondern einfach nur verteilt." Tim lachte. Noch. "Du bist so lächerlich. Dann machs weg!" Immer noch lachend schnappte er sich eine neue Serviette und wischte mir sorgfältig den Ketchup von der Stirn. Ich überprüfte es aber sicherheitshalber nochmal mit der Innenkamera meines Handys. "Trotzdem lächerlich.", murrte ich. "Naw." "Halt einfach deine lächerliche Fresse!", fuhr ich Tim an. Es fühlte sich nicht gut an, ihn so anzumeckern. Deshalb setzte ich mich kurzerhand neben ihn und lehnte mich an ihn. Um ihm zu zeigen, dass er ihn nicht so anfahren wollte.

"Du hättest dich nicht so aufregen müssen!", auf dem Weg nach Hause, war ein kleiner Streit entflammt. "Stop, halt mal, Tim!" Ich hielt abrupt an und drehte ihn an den Schultern zu mir. "Es tut mir leid, ich wollte dich nicht so anschreien." Er nahm mich einfach in den Arm. "Ich hab überreagiert, es tut mir auch leid", nuschelte er in meine Glatze. Es fühlte sich witzig an, wie sein warmer Atem über meine Kopfhaut strich und ich musste lachen, denn es kitzelte auch ein wenig. Deshalb lachte ich kurz auf und Tim sah mich fragend an. "Das kitzelt.", erklärte ich und jetzt pustete er wieder, dieses mal provozierend, über meinen kahlen Kopf.Und irgendwie war die kleine Diskussion von gerade war einfach vergessen.

Liedzeile: -Monster by Darkviktory-

*Ps: Song oben eingefügt*

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