Kapitel 52 • Von Sternen, Galaxien und Menschen

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>But you'll never be alone I'm waiting from dusk till dawn<

Zuhause angekommen, fiel ich meiner Mutter in die Arme, als sie die Tür öffnete. "Wieso so stürmisch?", lachte sie. Dann sah sie mein ernstes Gesicht. "Komm rein." Sie schob mich ins Haus und winkte Tims Familie nochmal zum Abschied.

Sie kam zu mir in die Küche. "Stegi, was ist passiert?" Sie klang besorgt und ich überlegte, wie ich es ihr sagen konnte, ohne sie zu sehr zu schocken. Aber das war unmöglich. "Mama, ich hatte einen 'Zwischenfall'." Ich holte Luft. Ich konnte ihr doch nicht sagen, dass ich fast nicht wiedergekommen wäre. "Ich hab keine Luft bekommen. Weil Tim das Spray geholt hab lebe ich noch." Sie bewegte sich nicht. Sah mich an. "Könnt ihr mal bitte aufhören, fast nur schlechte Nachrichten mitzubringen? Wisst ihr beide eigentlich, was für Sorgen ich mir mache?" So hatte ich meine Mutter noch nie erlebt. Sie war außer sich. sie war verzweifelt. Und mir war klar, dass etwas mit Mia nicht stimmte. "Was hat Mia?", fragte ich besorgt. Sie sah mich aus verweinten Augen an. Augen, die nicht nur jetzt geweint hatten, sondern schon länger. Sie war gebrochen, kaputt, am Boden. "Der Tumor hat sich nicht verkleinert. Wenn die letzte Chemo nicht wirkt, und davon geht keiner aus, muss eine radikale Operation durchgeführt werden. Ihre ganze Brust muss entfernt werden." Sie weinte. Und ich nahm sie in den Arm, Gab ihr den Halt, den sie mir gab. Sie durfte brechen. Jeder darf brechen. Und ihr ist so viel passiert, es war okay. Sie durfte kaputt sein. Und wir mussten sie wieder aufbauen.

Wir hatten uns am Abend zusammen mit Chips und dem dritten Harry Potter Film auf die Couch gesetzt und die Sorgen für einen kurzen Moment verdrängt. Ich hatte zwischendurch mit Mia geschrieben, deren Chemo vorgezogen worden war. Den Grund dafür hatte weder sie noch ich verstanden.

Als wir in Bett gingen, ging ich mit meiner Mutter. Ich wollte sie nicht alleine lassen. Vielleicht hatte ich Angst, sie würde sich was antun. Einfach, weil sie es nicht mehr aushielt. Damals hatte ich es noch nicht ganz verstanden. Damals, als mein Vater gestorben war. Ich hatte die Narben an ihrem Bein nicht verstanden. Sie sagte, die wären von den Dornen in unserem Garten und ich hatte es akzeptiert. Es waren nicht viele, nicht besonders tief. Sie hatte sich helfen lassen. Und als dann meine Schwester starb, da war sie stark. Für mich. Aber jetzt, wie sollte man da noch stark bleiben? Wie sollte man da noch richtig denken? Und ich konnte es irgendwie nachvollziehen.

Sie schlief schnell ein. Ich brauchte etwas länger. Meine Gedanken waren wieder viel zu laut. Aber irgendwann fand auch ich den Weg ins Land der Träume.

Am nächsten Morgen fuhr meine Mutter mich dirket ins Krankenhaus. Einmal wegen Mia und dann, weil ich ja diese Atemattacke hatte und das abgeklärt werden sollte. Wir wollten nicht das Risiko einer Wiederholung eingehen. 

Chris empfing mich. "Na, willst du nach Mia schauen?", fragte er grinsend. "Auch. Hab Probleme gehabt.", antwortete ich ehrlich. Er sah mich fragend an. "Hab auf einmal keine Luft mehr bekommen. Mein Hals war wie zugeschnürt. Tim hat mich mit dem Spray gerettet. Wir würden das gerne abklären, denn seit der Chemo hatte ich das icht mehr." "Na, dann komm mal mit.", sagte Chris und brachte mich zu Doktor Blühmer. Er schob mich irgendwo zwischen, nachdem ich ihm kurz meine kleine Geschichte erzählt hatte.

"Stegi, du kannst wieder aufstehen.", ertönte die Stimme von Chris durch den CT-Raum und ich erhob mich von der Liege, mit der man in die Röhre gefahren wird. Ich durfte noch zu Mia, da meine Bilder erst ausgewertet werden mussten.

"Was machst du denn?", begrüßte ich sie und nahm sie vorsichtig in den Arm, da sie gerade Chemo hatte. "Ich weiß auch nicht. Aber es ist, wie es ist.", sagte sie niedergeschlagen. "Rück mal.", befahl ich fast und schob sie zur Seite. Ich legte mich neben sie. "Und selbst wenn du deine Brust verlierst. Macht es dich nicht besonders?", fragte ich sie leise. "Aber ich will nicht 'besonders' sein. Ich will Ich sein.", argumentierte sie. "Aber bist das dann nicht du? Bist du nicht du, wenn du nur eine Brust hast? Du bist immer das, was du sein willst. Weißt du, andere vergleichen ihre Liebsten mit Sternen. Aber Sterne, die sind sich ähnlich. Einige groß, andere klein. Aber da sind im Prinzip keine Unterschiede. Irgendwie gibt es jeden Stern zwei mal. Es Aber weißt du, für mich sind die tollsten Menschen Galaxien. Im Prinzip sind alle gleich, aber jede einzelne Galaxie ist anders. Galaxien sind aus Gas, Staub und Sternen. Aber jede hat eine andere Anordnug. Jede Galaxie sieht anders aus, hat andere proportionen. Keine ist wie die andere. Alle sind gleich, aber anders. Alle sind auf die gleiche Weise schön, aber anders. Du bist du. Und du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe."

Ich strich ihr über ihren Kopf. Da, wo ihre feuerroten Haare sein sollten. Mia hatte das hier nicht verdient. Ich hätte sie vielleicht niemals wieder gesehen, aber sie wäre gesund. Und das war das, was ich jedem wünschte. Gesundheit. Und ich drückte so sehr die Daumen, dass sie sich verwirklichen konnte.

"Stegi, danke.", flüsterte sie leise. "Wofür?", fragte ich ganz perplex. "Dafür, dass du mir Mut gemacht hast. Du, - wie machst du das?", sie stockte ab und zu, weil sie nicht wusste, was sie sagen wollte. "Was mache ich denn?" "Du findest Vergleiche, die ich niemals hergestellt hätte. Du weißt genau, was du wann sagen musst, damit die andere Person sich geborgen fühlt. Ich kann das schaffen, ich schaffe das. Und das hast du mir gerade gezeigt. Du hast es mir wieder vor Augen geführt, wofür ich hier liege. Und ich habe gerade wieder gemerkt, wie sehr ich dich brauche. Wie sehr wir dich alle brauchen."

Sie nahm mich in den Arm, wollte mich nicht loslassen. So, als ob sie mich so davor bewahren wollte, zu gehen. Vielleicht davor, dass ich aufstand und den Raum verließ, vielleicht wollte sie mich aber auch nicht sterben lassen. Vielleicht wollte sie mir sagen, dass ich sie nicht verlassen sollte.

Wir lagen lange so, bis die Tür aufging. "Stegi, Doktor Blühmer möchte dich und deine Mutter sprechen." Chris schaute herein. "Ich bin gleich wieder da.", flüsterte ich Mia zu und wand mich aus ihren Armen.

"Da rein." Chris deutete auf die Bürotür des Büros. Ich rief meine Mutter schnell an, dass die Ergebnisse da sind und ging schonmal rein.

"Hallo, Stegi.", begrüßte der Arzt mich. Meine Mutter kam kurz darauf und Doktor Blühmer fing ohne Umschweife an zu erzählen. "Also, wie wir schon vermutet hatten, hängt der Anfall mit dem Krebs zusammen." Das war mir fast klar gewesen. "Aber das, was wir gesehen haben, hatten wir so nicht erwartet." Das konnte gut sein, weil der Tumor weit zurück gegangen war, oder es war ziemlich beschissen und er war gewachsen. Ich hielt den Atem an. "Stegi, ich mach es kurz."

Liedeile: -Dusk till dawn by Zayn feat. Sia-

*Ps: Song oben eingefügt*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt