Kapitel 17 • Schule

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>The kids of tomorrow don't need today <


Ich musste lächeln. Er sah so entspannt und glücklich aus. So friedlich.Und jünger. Sein gesamter Körper war entspannt.

"Ich hab dir noch was mitgebracht.", sagte meine Mutter übertrieben geheimnisvoll.

Da wurde ich wieder zum Kind und meine Augen begannen zu funkeln.

Mit einer ausladenden und übertrieben mysteriösen Handbewegung griff sie in ihre Tasche. Und mindestens genauso übertrieben ausladend zog sie ihre Hand wieder aus ihrer Tasche.

"Danke!", flüsterte ich glücklich und ließ die Schokolade ganz schnell in der Schublade meines Nachtschränkchens verschwinden.

Wir setzten uns an den kleinen Tisch, der hier im Raum stand und redeten.

Nicht, wie Mutter und Sohn. So distanziert. Sondern wie beste Freunde. Ich erzählte meiner Mutter auch Dinge, die ich nur meinem besten Freund erzählen würde. Aber ich hatte ja nur sie. Und Tim. Aber den hatte ich ja noch nicht lange. Und bis dahin hatte meine Mutter die Rolle meiner besten Freundin übernommen.

Um sieben Uhr verabschiedete meine Mutter sich von mir. Ich war traurig. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Meine Mutter würde zuhause ganz alleine sein. Das erste Mal, seit immer. Es war immer jemand da gewesen und in den meisten Fällen war ich die Person gewesen, die immer da war. Natürlich war ich auch in der Schule, aber ich meine Nachts.

Wir schliefen selten nicht zumindest in einem Gebäude. Das war so ungewohnt für mich.

Apropos schlafen. Tim schlief immer noch und machte nicht den Anschein, dass er in der nächsten Zeit aufwachen würde.

Ich musste mich also entscheiden, ob ich ihn wecken wollte oder nicht. Es sah so niedlich und unbeschwert aus, wie er da lag. Als würde keine Last auf diesen breiten Schultern liegen.

Ich weckte ihn. Mir blieb doch eigentlich nichts anderes übrig. Es gab ja sowas wie eine Besuchszeit hier.

"Tim, du musst aufwachen! Die Besuchszeit ist fast vorbei." Ich rüttelte leicht an seiner Schulter aber er schlief wie ein Stein.

Also griff ich ein Wasserglas und füllte dies im Bad auf. Dann entleerte ich es über seinem Kopf und plötzlich saß er Kerzengerade in seinem, 'tschuldigung, meinem Bett. Er wusste im ersten Moment gar nichts was los war. Ich war vielleicht doch etwas fies gewesen. Aber anders hatte ich ihn nunmal nicht geschafft.

"Dein Ernst?", fragte er etwas wütend, verwirrt und nass.

"Du hast geschlafen wie ein Stein und in drei Minuten musst du hier raus. Du kannst dich am Wochenende gerne hier im Bad verstecken und wir beide feiern in diesem Zimmer eine Pyjamaparty zu zweit. Aber eben erst am Wochenende.", sagte ich bestimmt.

Er nickte genervt und stand aus meinem, jetzt nassen Bett, auf. Das hatte ich nicht bedacht und ich hasste mich in diesem Moment so sehr für meinen Move mit dem Wasser.

Einige Minuten später kam Melissa rein und bat Tim zu gehen, da die Besuchszeit vorbei war.

Er winkte mir noch einmal zu und verschwand dann mit geschultertem Rucksack aus meinem Zimmer. Irgendwie etwas ernüchternd. Ein "Bis Morgen" oder zumindest ein "Bis bald mal" wäre schön gewesen. Ich hatte irgendwas falsch gemacht. Ich konnte einfach nicht mit Freunden umgehen. Ich hatte es mit der Zeit verlernt und vielleicht, ja, vielleicht hatte ich es einfach nie richtig gelernt.

Und wieder war ich komplett alleine.Niemand war hier. Außer irgendwelche Nachtschwestern und Pfleger. Aber niemand, dem ich meine Gedanken mitteilen konnte. Niemand, der mir nahe stand. Das war ein komisches Gefühl.

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt