Kapitel 56 • ein letztes Mal

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>I whisper things, the city sings 'em back to you<

Ich spürte Küsse auf meinem komplettem Gesicht. Ich wurde langsam wach. Schleichend. Immer mehr glitt ich in die Realität. Meine Brust wirkte etwas zugeschnürt. Aber das tat sie mittlerweile öfter am Morgen. Ich schlug langsam die Augen auf. Tim. Ich ging ein bisschen mit dem Kopf hoch und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Morgen.", murmelte ich verschlafen. "Morgen", gab er zurück. Seine Morgenstimme war rau und noch tiefer als sonst. Ich musste lächeln. Er war perfekt. Von oben bis unten. "Hast du heute was vor?", fragte ich vorsichtig. "Nein, aber vielleicht jetzt doch. Was willst du machen?" Ich liebte diesen Jungen mehr als alles andere. Er war mein Leben. "Ich würde gerne nochmal schwimmen gehen. Ein aller letztes Mal.", lächelte ich. "Natürlich." Er küsste mich auf die Stirn und legte sich neben mir. Mein Kopf auf seiner Brust. Durch das Shirt fühlte ich seine straffen Muskeln. "Ich liebe dich.", murmelte ich. "Ich dich auch.", kam es zurück. Ich konnte das Lächeln auf seinen Lippen hören. Ich sah seine verträumten Augen vor mir, wie er an die Decke meines Zimmers starrte und in Gedanken versunken war. "Lass uns Frühstücken, ich hab Hunger." Also stand ich missmutig auf Tims Wunsch hin auf.

"Und, Jungs. Habt ihr heute was bestimmtes vor?", fragte meine Mutter fröhlich, als wir unten ankamen. "Wir wollten Schwimmen gehen. Ist das okay?", antwortete ich meiner Mutter. "Ja, kein Problem. Seid nur vor acht Uhr wieder da, nehmt eure Handys mit und zieht euch warm an. Und passt gut auf euch auf. Der Rest ist mir egal." Sie hatte heute einen sehr guten Tag. Und sie sah besser aus.

Nach dem Frühstück hatten wir uns langsam angezogen und meine Schwimmsachen gepackt hatten, fuhren wir mit dem nächsten Bus zu Tim, um dort seine Sachen zu holen und von dort aus zum Bahnhof zu laufen und mit dem Zug zum Schwimmbad zu fahren.

Im Zug mussten wir stehen, weil einige Leute ihren Rucksack nicht von den Plätzen nahmen. Aber ich fand es nicht schlimm. Einige Leute haben einfach Panik vor anderen neben sich. Und das sollte man akzeptieren. Wir standen da also. Nah aneinander gekuschelt. Mein Kopf gegen Tims Oberkörper gelehnt und seine Arme um mich. "Ey, ihr Schwuchten, müsst nicht hier im Zug so rumturteln. Schlimm genug, dass ihr zusammen seid.", schrie ein möchtegern-Cooler. "Schlimm genug, dass du hier so rumschreist und allen beweist, wie zurückgeblieben bist.", gab ich bissig zurück. Ich bekam von einigen ein bisschen Beifall für diesen Konter. Erdrängte sich durch die Menschen zu mir durch und Tim begab sich in Abwehrposition. Er wollte auf mich losgehen und Tim hielt ihn ohne Probleme fest. "Ich bring dich um, Junge!", schrie er zu mir. "Brauchst dir gar nicht die Mühe machen.", sagte ich kühl und zog die Kapuze meines Pullis samt Perücke von meinem Kopf. Ein leises Aufatmen ging durch die Menge. Ich zog alles wieder auf und da kam auch schon die richtige Station. Wir stiegen aus und liefen Hand in Hand zum Schwimmbad.

"Okay, lass uns zuerst ins große Becken.", beschloss Tim. Ich folgte ihm einfach. "Das ist kalt.", beschwerte ich mich, als ich die Temperatur des Wassers mit meinen Zehen testete. "Egal.", lachte Tim und gab mir einen stoß von hinten und beförderte mich ins Wasser. Ich schrie kurz auf, weil das Wasser noch kälter als erwartet war und der Stoß so unerwartet kam. Aber der Schrei wurde fast sofort vom Wasser gedämpft. Zwei Arme zogen mich wieder nach oben. "Du Arschloch.", zickte ich. Aber als er mich mit seinem Schmollgesicht ansah, konnte ich ihm nur noch kichernd auf die Brust hauen und sagen "Du bist blöd." Er lachte mit und wir hatten unseren Spaß.

Der Sprungturm wurde eröffnet. Eine Ruhe überkam mich, die sich nicht in Worte fassen lässt. Ich sah Tim an, er nickte wissend. Alles spielte sich in Zeitlupe ab. Ich stieg die Leiter hoch. Ich wollte jetzt meinen letzten Sprung für immer machen. Nicht noch einmal hier hoch gehen. Ich musste abschließen. Mit allem. Und ich fing mit dem hier an. Ich schloss mit meinem Talent ab. Mit dem, was ich wirklich konnte. Ich steig an die Kante, holte Luft. Sah mir ein letztes Mal alles von oben an. Das würde das letzte Mal sein, dass ich das hier sehen durfte. Mein letzter Sprung sollte vorwärts sein. Um die Aussicht zu geießen. Andertalb Schrauben vorwärts und abschließend ein Rückwärssalto. Und ich sprang ab, drehte mich, fühlte dieses Gefühl vom fliegen. Ich kam fast perfekt auf. Es hat gut funktioniert. Dieser Part meines Lebens hat ein schönes Ende gefunden.

"Tim, ich kann nicht mehr.", wir kamen aus dem Schwimmbad und hatten gerade mal hundert Meter zurückgelegt, als meine Lunge anfing zu pfeifen. Es war ein Wunder, dass das Schwimmen ohne Probleme gelaufen war. Ja, ab und zu hatte ich Druck auf dem Brustkorb gehabt. Er lächelte mich nur sanftmütig an. "Nimm meine Tasche und ich nehm dich.", sagte er, gab mir seine Tasche und ging in die Hocke. "Aber das schaffst du nicht.", sprach ich meine Befürchtung aus. "Für dich schaffe ich alles. Und ich will nicht, dass du mir jetzt schon stirbst. Also komm, hoch jetzt." Also kletterte ich etwas unbeholfen auf seinen Rücken. Wir wurden von einigen Leuten komisch angesehen. Verständlich. Ich saß auf Tims Rücken und wir lachten so laut und so viel, wir fielen einfach auf. Mein Lachen ging ab und zu in ein Husten über, aber trotzdem war das Lachen toll.

In der Bahn waren zum Glück Sitzplätze frei. Für Tim schien es doch anstrengender gewesen zu sein, als er erwartet hatte. Als entschuldigung kuschelte ich mich an ihn. Bis mein Handy klingelte. Es war Mia. "Stegi!", schrie sie total überdreht in den Lautsprecher und ich hielt das Handy schlagartig von meinem Ohr weg, bis sie leise war. "Erstens: schrei nicht so. Zweitens: was ist los?" Sie atmete ein paar Mal durch. "Das hübscheste Mädchen dieser Erde ist gerade in mein Zimmer gezogen. Stegi, hilfe. Sie ist zu hübsch für mich. Mein Herz. Man ey!" Tim fragte, was los sei und ich schilderte ihm die Situation. "Sie soll sie beschreiben.", flüsterte Tim mir in mein freies Ohr. "Wie sieht sie aus?", fragte ich also. "Ist etwas größer, schlank, braune Haare, fast bis zu den Hüften, braune Augen und das süßeste Gesicht dieser Erde.", schwärmte Mia. Sie war hin und weg. "Name?", fragte ich. "Celina", antwortete Mia. Sie war ganz hibbelig. "Ich komme morgen-", Tim sah mich böse an "Wir  kommen morgen mal vorbei.", berichtige ich mich.

Zuhause fiel ich in mein Bett. Tim musste nach Hause. Aber der Tag war perfekt. Irgendwie konnte ich abschließen. Mit allem. Es tat gut. Und ich schlief ein.

Durch den Song und ein Bild hat sich meine kurzzeitige Schreibblockkade gelöst. Danke Lorde! Jap, *wirft Chapter hin*

Liedzeile: -Green light by Lorde-

*Ps: Song oben eingefügt*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt