Kapitel 49 • blaue Raben

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>Wir sind ein Insiderwitz, den von uns beiden scheinbar keiner versteht.<

Ich hatte echt gut geschlafen und von dem Feuer geträumt. Ich hatte geträumt, dass das Feuer mich fraß, aber immer wieder ausspuckte und ich mich immer wieder neu formte.Ob es jetzt ein guter oder schlechter Traum war? Keine Ahnung.

"Stegi, Tim! Wir wollen in einer halben Stunde los!", schallte Corinnas Stimme durch das kleine Haus. "Jaja, wir kommen ja!", rief Tim genervt zurück und stand auf. Ich nörgelte und drehte mich auf die andere Seite. Ich wollte einfach nicht aufstehen. Aber diese Rechnung hatte ich nicht mit Tim gemacht und er riss mir erst die wärmende Decke weg und kitzelte mich dann durch. Lachend wand ich mich aus seinem Griff und stürmte ins Bad. "Du kleiner Bastard", rief ich ihm zu. "HEY! SOLCHE AUSDRÜCKE WILL ICH HIER NICHT HÖREN!", schrie Sven aus der Küche. "SORRY!", brüllte ich lachend zurück. Mittlerweile war Tim bei mir im Bad angekommen und schloss die Tür. "Junge, ich will duschen.", sagte ich empört. "Also ich geh' heute Abend. Du wirst schon dreckig genug werden heute." Tim zuckte mit den Achseln und verteilte Zahnpasta auf seiner Zahnbürste. Ich tat es ihm gleich. Während wir unsere Zähne putzen sah ich kurz hoch in den Spiegel. Mein blasses Gesicht war ein wenig eingefallen und meine Augenringe waren deutlicher als sonst. Die Blonden Haare fielen mir unordentlich in die Stirn. Sie waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Sie gehörten mir nicht mehr richtig. Sie waren an ein feines Netz geknotet. Alles scheiße. Meine Augen wurden auch immer Matter. Die Farbe strahlte nicht mehr so wie früher. Insgesamt war ich ziemlich hässlich geworden. Tim dagegen hatte ein kantiges, definiertes Gesicht. Seine braunen Augen hatten einen warmen touch und seine Haare saßen immer gut. Selbst jetzt, nach dem Aufstehen sah er gut aus. Er war einfach zu jeder Tageszeit heiß und ich war nur in vollkommener Dunkelheit schön. "Stimmt nicht.", unterbrach Tim meine Gedankengänge. "Was?", fragte ich verwirrt. "Du bist wunderschön." Er spuckte seine Zahnpasta ins Waschbecken und spühlte sich kurz den Mund aus. Ich tat es ihm gleich. Er nahm mich in den Arm und gab mir einen langen Kuss auf die Stirn. Ich sog seinen Duft ein. Er roch so gut. "Woher wustest du, was ich denke?", fragte ich ganz perplex. "Man hat es deinem Blick einfach angesehen. Du hast dich so abwertend angesehen und dann mich. So, ja, fast sehnsüchtig. Stegi, du bist der schönste Mensch, den ich je gesehen habe." Ich drückte mich immer fester an ihn. "Ich bin nichts gegen dich. Jeder schaut dir nach. Jeder will dich. Und mich? Mich will niemand." "Weißt du, Stegi, die anderen sind mir egal. Ich will dich. Niemand anderen." "Aber du könntest jemanden haben, bei dem du keine Angst haben musst, dass er in zwei Monaten tot ist. Oder sogar noch früher." Eine Träne tropfte auf meine Perücke. "Stegi, du stirbst nicht. Und wenn ich jemand gesunden hätte haben wollen, hätte ich dir niemals meine Nummer im fucking KRANKENHAUS gegeben. Im Krankenhaus ist die Wahrscheinlichkeit, jemand kranken zu treffen relativ hoch." Ich musste heulen und gleichzeitig lachen. "Du bist doof.", sagte ich nur. "Jaja, ich dich auch.", gab Tim zurück. "JUNGS! Ich will euch nicht stören, aber ich muss echt mal auf Klo.", drang Max' Stimme von draußen zu uns rein. Also lösten wir uns von einander und traten aus dem Bad. "Zehn Minuten noch.", sagte Max noch, bevor er im Bad verschwand und die Tür hinter sich zuzog.

"Ich hoffe, die Hose darf dreckig werden.", mahnte Tim mich bein Schuhe anziehen. "Als hätte ich eine neue Hose mit in den Wald genommen. Ich bin schon doof, aber nicht SO doof.", schmunzelte ich gespielt beleidigt.

Wir folgten im Wald einem unsichtbaren Pfad. Die ganze Familie schien zu wissen, wo sie hin mussten und nur ich hatte keinen Plan von irgendwas. Was ich wusste war, dass wir nicht Richtung dem brennenden Baum, wie ich ihn getauft hatte, gingen, sondern genau in die andere. Mehr Informationen hatte ich nicht.  "Wohin gehen wir?", fragte ich komplett erschöpft ach circa einer verschwiegenen halben Stunde. "Lass dich überraschen.", grinste Max. Nach weiteren drei Minuten rasselte mein Atem und ich nahm einen großzügigen Zug an meinem Spray. Ich konnte wieder besser atmen und schloss wieder auf.

Der Wald änderte sich Ständig. Mal liefen wir durch Laubwald und einige braune Blätter rieselte von oben auf uns herab und dann waren wir wieder in einem Nadelwad und es drang kaum Licht bis zu uns durch und wir liefen durch das halb Dunkle. Merhmals fiel ich über Dornenranken, die ich einfach nicht gesehen hatte und wurde jedes Mal von Tim wieder auf die Beine gehoben. So ging es bestimmt eine Stunde und ich liebte es. Die stänig wechselnden Geräusche. Dass der Boden im Nadelwald alle Schritte und Geräusche verschluckte und viel ruhiger erschien und dass im Laubwald alles doppelt so laut wirkte. Die Eichhörnchen, die die Baumstämme hochflitzten und die Vögel die über unseren Köpfen sangen. Sogar ein Reh konnten wir aus der Ferne beobachten. Es war wunderschön.

Irgendwann stießen wir auf eine Lichtung. Sie ersteckte sich bestimmt zweihundert Meter und dann ging es genauso mit dem Wald weiter. Und mitten auf der Lichtung stand ein Haus, das fast vollständig von Efeu umschlugen war. Es wirkte alt, aber noch gut in Schuss. Wir gingen geradewegs auf das Haus zu. "Glaubt ihr, sie sind noch hier? Wir sind spät dieses Jahr.", fragte Tim skeptisch. "Es qualmt noch. Sie haben noch nie ein Feuer angelassen.", erklärte Corina. "Was ist hier denn jetzt los?" Ich war komplett verwirrt. "Von Mai bis Oktober wohnt hier eine kleine Familie. Sie machen das schon ewig." Das war interessant. Und kaum hatte Tim zuende gesprochen, kam ein kleiner Junge aus dem Haus. Er war vielleicht fünf Jahre alt und rannte sofort zu Tim. "Timsi!", reif er und Tim hob ihn hoch und nahm ihn auf den Arm. "Du bist aber ganz schön groß geworden.", sagte er. Das war so knuffig. Der kleine war so knuffig. Und Tim war sowieso knuffig. "Ja! Wer ist das?" Er deutete mit seiner kleinen Hand auf mich. "Das ist Stegi.", lächelte Tim. "Ich will auch auf Stegis Arm!", bestimmte er. Ich lächelte und nahm Tim den kleinen süßen Fratz ab. "Du hast schöne Haare." Und schon begann er, an meinen Haaren herum zu ziehen. "Nicht an meinen Haaren ziehen, bitte." Sofort zog er seine Hände weg. "Meine Mama hat gekocht.", erzählte der kleine Junge und ich ließ ihn runter. Er nahm meine und Tims Hand und lief Richtung des Hauses.

Das Haus war von innen nicht sonderlich viel eingerchtet. Es standen einige Regale an den Wänden, die so aussahen, als seinen sie selbst zusammengebaut worden. In der Küche gab es nur ein offenes Feuer, über welchem auf einem Grillrost Töpfe standen. Die Reagle hier waren voll mit Konserven. Von der Decke hingen alle möglichen Kräuter und ein totes Kaninchen. Mir kam es unheimlich vor. "Warum leben sie so?", flüsterte ich Tim so leise wie möglich zu. "Weil wir kaum Geld haben. Ich und mein Mann finden kaum Arbeit und wenn, dann sind es zeitlich begrenzte Verträge. Hier haben wir die Kosten auf ein Minumum reduziert.", antwortete eine Frauenstimme hinter uns. Sie war groß. Größer als ich, aber kleiner als Tim. Ihr Körper war hager und ihre schwarzen, langen Haare fielen ihr ins Gesicht. Ich blickte beschämt zur Seite. "Keine Sorge. Du musst dich für die Frage nicht schämen. Sie ist ja berechteigt. Nenn mich doch bitte Raven.", sie streckte mir ihre Hand hin und ich schüttelte diese. Sie war anders. Das alles hier war anders. Aber irgendwie auch besonders. Ich wusste, dass es nicht ihr richtiger Name war, aber das war mir egal. "Mein Mann ist zur Zeit nicht da. Aber Blue freut sich immer auf neue Leute. Aber ihn habt ihr ja schon gesehen." Sie lächelte und setzte sich vor das Feuer, um zu kontrollieren, wie weit das Essen war. Ihre Kleidung war älter, aber nicht zerfetzt. Ihre Haare waren unordentlich,  aber nicht verfilzt. Und es war klar, dass auch Blue nur ein Spitzname für ihren Sohn war.

Wir blieben lange bei Raven und Blue und sprachen viel. Sie erzählte von ihrem leben hier und wie lange sie um die Erlaubnis ringen mussten, im Wald jagen zu dürfen. Sie konnten kein Fleisch bezahlen und jagten deshalb. Es war für sie aber auch das Leben, was sie immer haben wollten und dann wurden sie schon fast dazu gezwungen. Die Kräuter stammten ebenfalls aus dem Wald. Die Konserven kauften sie während des Winters, um sie dann mit dort hin zu nehmen. Ich war beeindruckt, wie sie das schafften. Und dann hatte sie uns erzählt, dass Blue im kommenden Jahr auf die Schule müsse und sie keine Ahnung hatte, wie sie das schaffen sollten. Im Winter schliefen sie immer bei Ravens Bruder in der Stadt, aber sie wollten ihm ihren kleinen Sohn nicht aufs Auge drücken. "Wenn wir achtzehn sind, können wir ihn ja nehmen.", witzelte Tim. Und so schlecht fand ich die Idee nicht. Aber vorerst wollten wir nicht darüber reden.

Dieses Wunderschöne Zitat ist von @grauinbunt , weil mir die Zitate ausgehen. Danke dafür nochmal :)

Liedzeile:  -Nach der Demo gings Bergab by Casper

*PS: Song oben eingefügt*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt