Kapitel 12 • Tumor

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>Birds flying high<

Ich wachte auf. Meine Mutter lag neben mir und las in ihrem Buch.

"Du bist ja wach. Geht es wieder?", fragte sie mich einfühlsam.

"Ja. Das tat echt mal gut. Aber wenn jemand das erfährt, bin ich am Arsch.", stellte ich etwas frustriert fest. Ich wurde sowieso schon als der kleine Schwächling angesehen und das wollte ich jetzt nicht unbedingt unterstreichen.

"Du kennst mich schlecht wenn du denkst, dass jemand davon erfährt." Ich hörte den leicht beleidigten Unterton in ihrer Stimme. Sie erzählte ihren Freundinnen icht viel über mich. Mal hier, mal da, aber sie redete nicht durchgehend von mir.

Nach einigen schönen Minuten im weichen Bett beschloss ich dann doch mich aufzustehen und mich zu bewegen.

Mein erster Weg führte mich ins Bad. Ich ging auf Klo und unterzog mich einer kurzen Katzenwäsche mit kaltem Wasser.

"Was soll ich heute Mittag kochen?", fragte sie mich, als ich mich mit einem Glas Orangensaft und einem Nutellabrötchen auf einen Stuhl am Küchentisch fallen ließ.

"Mama, ich hab nicht 'mal angefangen zu Frühstücken. Aber wie wäre es mit Kartoffelpüree?", schlug ich vor und sie nahm es mit einem Nicken auf.

"Du natürlich mit drei scheiben Leberkäse, oder?", witzelte sie und brachte mich zum Grinsen. Seit gut drei Jahren verzichtete ich nun auf Fleisch und Witze dieser Art brachte sie seit dem immer wieder.

Den restlichen Vormittag verbrachte ich mit nichts tun. Und wenn ich ,nichts' sage, dann meine ich auch wortwörtlich nichts. Außer im Bett liegen und durch Instagram, Twitter und so weiter scrollen.

Bis meine Mutter mich zum Essen rief, hatte ich also nichts geschafft. Rein gar nichts.

Nach dem Essen beschloss ich dann, noch etwas für die Schule zu tun.  Also setzte ich mich an meinen Schreibtisch und kramte meine Englischsachen aus meinem Tornister. Ich hatte keine Probleme in der Schule, eher im Gegenteil. Und es hing vielleicht auch ein bisschen damit zusammen, dass ich nichts besseres zu tun hatte, außer eben lernen und Hausaufgaben.

Nach zwei Stunden lehnte ich mich zurück und war zufrieden. Ich beherrschte den Stoff nun annähernd perfekt und jetzt hatte ich wieder nichts zu tun.

Wie abgepasst rief meine Mutter mich. "STEGI!". Ich ging die Treppe hinuter.

"Der Arzt hat angerufen. Sie würden gerne eine Lungenbiopsie bei dir durchführen. Damit abgeklärt ist, ob der Tumor gutartig oder bösartig ist."

Ich wusste was eine Biopsie war und warum man eine druchführen musste. Mir war aber ebenso klar, dass der Tumor bösartig war. In unserer Familie gab es noch keinen, den ich als  außerordentlichen Glückspilz beschreiben würde. Egal wer was hatte, es war immer schlimm. Oder zumindest nicht gut. Keiner hatte bis jetzt richtig Glück gehabt. Niemand. Und das war ziemlich traurig. Andere hatten fast durchgehend irgendwie Glück oder etwas positives, das passierte, aber ich nicht, meine Mutter nicht und generell niemand in meiner Familie hatte jemals so eine Situation gehabt.

Also machte ich mich fertig und beschloss, Tim eine Nachricht zu schreiben. Ich wollte doch eigentlich nicht, dass er mir wichtig war. Das wollte ich weder ihm, noch mir antun. Vielleicht hatte ich ihn einfach zu schnell an mich heran gelassen. Wollte wieder so jemanden wie einen besten Freund haben. Und ich war vielleicht etwas übereifrig. Und dann entschied ich mich aber doch dazu, ihm eine Nachricht zu schreiben.

Hoffentlich ging ich ihm nicht auf die Nerven aber er war nunmal mein bester Freund. Ok, mein einziger Freund. Und das machte ihn zu meinem besten.Waren wir denn überhaupt Freunde? Wir hatten uns ja nicht mal richtig getroffen. Und doch schien es da irgendeine Verbindung zu geben.

Stegi 15:36 : > Hey, rate mal bitte, wer eine Lungenbiopsie machen muss. Im Krankenhaus. Jetzt. Na geil. Keine Ahnung, wann ich mich wieder melden kann, nh?<

Im Krankenhaus angekommen hatte er mir immer noch nicht zurück geschrieben.

Auch nicht, als ich von Doktor Blühmer in sein Büro gebeten wurde und meine Mutter aufforderte mit zu kommen.

"Wir werden eine Biopsie an ihnen durchführen. Das heißt-" -"Das heißt, sie werden mir unter Vollnarkose eine Gewebeprobe des Tumors entnehmen und im Labor wird dann festgestellt, ob er gut- oder bösartig ist.", unterbrach ich den Arzt genervt. Er sollte nicht so tun, als wäre ich ein nichts wissendes Kleinkind.

Wir klärten noch einie Dinge ab und ich wurde wieder auf den Gang geschickt. Dieser Arzt regte mich auf. Dieser Tumor regte mich auf. Alles hier regte mich auf.

Meine Muter ging zum Kaffeeautomaten und ich beauftragte sie, mir eine Cola mitzubringen aber sie meinte, ich müsse einen nüchternen Magen haben.

Kurz nachdem meine Mutter um die Ecke gebogen war, wurde ich gerufen. Ich ging von einem Arzt aus und drehte mich genervt in Richtung der Stimme. Konnte man mich nicht einfach einmal in Ruhe lassen?

Dort stand Tim.

"Ich kann auch wieder gehen.", sagte er und griste mich an. Ich grinste zurück.

Er ließ sich neben mich fallen. "Na, freust du dich schon?" Das zog meine Laune runter.

"Ich hab eh Krebs also. Ich fang im Kopf schon mal an, eine Löffelliste zu erstellen. Hast du gute Vorschläge, was man in seinem letzten Lebensabschnitt noch erleben kann und erleben sollte?", fragte ich ihn und er sah mich leicht schockiert an.

"Erstens: was ist eine Löffelliste und zweitens: es ist noch nicht klar, was du hast. Schreib dich nicht ab. Und wenn schon, Krebs is' heilbar." Er versuchte mich aufzumuntern.

"In 'ne Löffelliste schreibst du Dinge, die du unbedingt machen willst. Wie zum Beispiel einmal im Leben nach Australien fliegen oder so." Er nickte und wir schwiegen. Aber es war angenehm.

Einige Zeit später wurde ich dann von einer Schwester aufgefordert, ihr zu folgen.

Zum Abschied klopfte Tim mir einmal auf die Schulter und ich lächelte ihn etwas ängstlich zu.

Er zeigte mir lediglich seine gedrückten Dauen und lächelte aufmunternt.

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Ich wollte mich für über 100 reads bedanken. Find ich krass XD

Liedzeile: -Feeling good by avicii-

*Ps: Song oben eingefügt. Ich liebe dieses Lied*

Angels can fly • stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt