17.

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Julien's Sicht:
Wir kamen nur langsam vor ran, da ich zu müde war, um schneller zu handeln. Gerade als ich in meine Schuhe schlüpfen wollte, um Dima nicht länger warten zu lassen, vibrierte mein Smartphone und die Nummer des Krankenhauses war zu sehen.
Verwundert nahm ich ab und zog somit auch Dima's Aufmerksamkeit auf mich.

"Hallo?"
"Spreche ich hier mit Julien Sewering?", fragte mich nun eine fröhlich klingende Frauenstimme.
"Ja, das bin ich. Wieso?", hinterfragte ich nun den Anruf.
"Wir haben gute Nachrichten für Sie. Ich kann Ihnen hiermit mitteilen, dass wir beim Röntgen ihres Schienbeins einen Fehler gemacht hatten. Nach Ihrem Besuch und Check vergleichten wir Ihre Bilder und konnten feststellen, dass wir sie mit einem ähnlichen Patienten verwechselt haben. Ihr Schienbein ist gar nicht angebrochen, Sie haben nur sehr starke Prellungen, die in der ersten Woche die selben Schmerzen auslösen können. Dies tut uns sehr Leid und ich entschuldige mich hiermit im Namen aller Ärzte. Wenn Sie heute also noch Zeit haben sollten, könnte ich Ihnen einen Termin in der kommenden halben Stunde geben, damit der Hausarzt Ihre Gelenke und die Prellungen noch einmal ansieht. Ansonsten können wir Ihnen sowohl Gips als auch Krücken abnehmen."
Ich kam aus meinem Grinsen gar nicht mehr heraus. Zugleich wollte ich jeden einzelnen Angestellten zur Strecke bringen, da sie mich durch so eine Tortur schickten. Ich hatte mich sowieso schon gewundert, weshalb die Schmerzen so schnell abgeklungen waren und ich schon wieder beinahe vollkommen aufstehen konnte.
"Ich bin gleich da. Danke für die Information.", gab ich freundlich zurück und versuchte, nicht sie für diesen Fehler zur Rechenschaft zu ziehen.
"Selbstverständlich. Und noch einmal bitte ich Sie um Verzeihung wegen den Umständen."
"Das ist kein Problem." Doch, das war es, doch ich konnte es nicht mehr ändern. "Auf Wiedersehen."

Ohne auf eine Antwort zu warten legte ich auf und spielte Dima eine depressive Laune vor. Ich wollte sehen, wie er reagieren würde.
Als ich zu ihm aufschaute, sah er mich besorgt an. "Was ist passiert. Du hast gegrinst und jetzt siehst du so aus, als würde eine Welt zusammen brechen."
Ich schüttelte den Kopf. "Lass uns einfach ins Krankenhaus fahren.", sagte ich monoton und war von meinen eigenen Schauspielkünsten beeindruckt.
"Ins Krankenhaus? Was ist passiert?" Dima ging vor mir in die Knie und sah mich noch besorgter an wie zuvor. Ich hingegen mied den Blickkontakt und schüttelte erneut den Kopf.
"Bitte, tu' einfach, was ich dir sage und stell keine Fragen. Zumindest nicht jetzt."
Dima gab sich geschlagen und zusammen fuhren wir schweigend zum örtlichen Krankenhaus.
Dort angekommen Parkte Dima direkt vor dem Eingang und sah mich nun vom Fahrersitz aus äußerst beunruhigt an. "Bitte, sag mir was los ist. Ich kann es nicht sehen, wenn du so aussiehst, als würdest du große Probleme haben.", versuchte er es nun und legte mir eine Hand auf die Schulter.
Ich konnte ihn selbst kaum mehr Leiden sehen, doch ich wollte ihn noch ein wenig hinhalten. "Wenn ich rauskomme, weiß ich mehr. Bis dahin. Warte bitte genau hier. Versprich mir das."
Widerwillig gab Dima nach und nickte. "Verdammt, okey. Ich warte hier."

Die Behandlung an sich und das Entfernen des Gipses gingen schneller als ich es geglaubt hatte. Anscheinend hatte jeder einzelne dieser Kittelträger ein schlechtes Gewissen und sogar mein Hausarzt entschuldigte sich noch einmal für das Missverständnis. Es war ein Zufall unter wenigen Millionen gewesen und mich musste es treffen. Dennoch teilte er mir mit, dass ich nun wieder einigermaßen ordentlich laufen konnte. Ich sollte allerdings extreme Belastungen und Läufe noch einige Tage vermeiden. Auch meine Schmerzen kamen nicht von irgenwo. Mein Bein war noch vollkommen blau und gelb von den vielen Schlägen mit einem Baseballschläger, der sicherlich die Absicht hatte, mir das Bein zu brechen.
Schnell schüttelte ich die Gedanken wieder ab und checkte aus.

Wie erwartet war Dima noch immer an Ort und Stelle. Er lehnte an seinem Wagen und rauchte eine Zigarette. Als er mich sah, warf er diese sofort auf den Boden und kam auf mich zugelaufen.
Nun konnte auch ich nicht mehr so tun, als wäre etwas schlimmes passiert. Mit einem Grinsen im Gesicht zeigte ich ihm mein frei gelegtes Bein.
"Tut mir Leid, aber ich wollte sehen wie du reagierst wenn dein bester Freund in Gefahr schweben sollte, obwohl er einfach nur mitgeteilt bekommen hat, dass der Gips abkommt.", sagte ich nun und konnte Dima die Erleichterung ansehen.
"Du verdammter ...", begann Dima, doch ihm fiel nichts ein, um mich wirklich zu beleidigen. Stattdessen fielen wir uns beide in die Arme und ich drückte ihn fest an mich.
"Wie? Warum?", fragte er nun als wir uns wieder lösten und zurück zum Auto liefen.
"Mein Bein war noch nie gebrochen. Nur geprellt. Ich hatte die ersten Wochen dennoch die selben Schmerzen wie bei einem Bruch. Warum zeig ich dir im Auto. Sie haben mein Röntgenbild vertauscht mit einem anderen Patienten, das ist alles." Ich grinste und stieg wieder auf der Beifahrerseite ein. Auch Dima stieg ein und lachte auf.
"Können die Hurensöhne nicht einen Job richtig machen? Auf jeden Fall bin ich froh, dich wieder ohne Hindernis zu sehen.", entgegnete er grinsend.
Jetzt hob ich das Hosenbein an, um meine blauen Mäler freizulegen, die noch immer böse aussahen.
"Man, das sieht übel aus. Tut mir echt leid für dich." Dima sah mich mit ernstem Blick an.
"Kein Ding. Ich bin nur froh, den Gips und die verdammten Kücken los zu sein.", gab ich zurück. Erst jetzt fiel mir auf, dass auch ich nun neue Möglichkeiten hatte.
Wir fuhren vom Gelände runter und in Richtung des Supermarktes.

"Wir sind nun wieder auf einem Level, mein Freund. Überleg' dir also gut, wie du mich in Zukunft behandeln wirst, verstanden?", gab ich nun angriffslustig von mir und lachte siegessicher auf.
Dima konnte seinen Blick zwar nicht von der Straße abwenden, doch ich konnte ihm ansehen, dass sein Kopf grad mit tausenden Gedanken zu kämpfen hatte, ehe er mir antwortete.
"Nein, das bedeutet nur, dass du keinen Krankheitsbonus mehr hast. Du solltest genauso aufpassen.", konterte er und lachte auf.
"Wir werden ja sehen.", flüsterte ich.
"Was? Hey, hier wird nichts heimlich geplant, verstanden?", sagte Dima nun in einem gespielt strengen Ton.
Ich sah zu ihm hinüber, ehe ich meine Hand auf seinen Oberschenkel legte. "Ich kann auch ganz spontan sein.", entkräftete ich seine Überlegenheit sofort und packte fester zu.
Beinahe zog der Wagen einen Schlenker, als Dima meine Hand wegschlug. "Nein. Ich bin an der Reihe, schon vergessen?"

Das hatte ich nicht.

Freundschaft Plus  [Dima x Julien FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt