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Julien's Sicht:
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schlief Dima noch immer tief und fest. Er hatte sich keinen Millimeter mehr bewegt und lag immer noch so da, wie ich ihn ins Bett gelegt hatte.
Ich war noch immer besorgt und hoffte, dass er seinen restlichen Mageninhalt noch bei sich behalten würde auch wenn er aufwachte.
Natürlich konnte ich das nicht wissen, doch mit dem Eimer neben dem Bett hatte ich schon vorgesorgt.
Um ihn also nicht zu wecken, zog ich mich leise an und besorgte in der Bäckerei in der Nähe Brötchen, damit wir am Morgen nicht schon hungern mussten. Außerdem sollte Dima etwas essen, damit er nach einer versoffenen Nacht nicht umkippen würde.

Ich konnte mich noch selbst an die Nächte erinnern, in denen ich mir die Kante gegeben hatte, ohne am Tag zuvor einkaufen gegangen zu sein. So musste ich am nächsten Morgen vor einem leeren Kühlschrank stehen und mit einem schlimmen Kater noch etwas einkaufen gehen, um selbst nicht zu verhungern.

Anschließend ging ich bei meinem alten Freund vorbei, bei dem ich nun endlich wieder Mika abholte. Diese freute sich, ihren Besitzer wieder zu sehen und lief ohne zu zögern mit mir zu meinem Wagen, bevor wir wieder zurück zu meiner Wohnung fuhren.
Um mir die restliche Zeit zu vertreiben, ging ich zuerst mit Mika spazieren und installierte im Anschluss die letzten elektronischen Geräte und mein Equipment, sodass meine Wohnung wieder komplett war.

Erleichtert setzte ich mich auf meine Couch, bevor die Erinnerungen an letzte Nacht wieder hochkamen. Und mit diesen Erinnerungen kamen auch meine Sorgen zurück. Da sich Dima ja so wundervoll verplappert hatte, konnten wir beide nur hoffen, dass die Gang sein Gerede nur als Scherz abstempelte und sie meinen Ausreden glauben schenkten.
Um das zu überprüfen, checkte ich mein Handy auf neue Nachrichten, die aber zu unserem Glück ausblieben.

Ich war mir nicht sicher, ob es eine so gute Idee war, den Jungs zu erzählen, wie es bei Dima und mir schon seit geraumer Zeit aussah. Klar, im Battlerap sprach man sich gegen gleichgeschlechtliche Liebe aus. Selbst ich war davon nicht ausgenommen mit meinen Videos, doch das musste noch lange nicht bedeuten, dass man die selbe Meinung als Privatperson vertrat. Das hoffte ich zumindest. Immerhin war das meiste nur Image und nicht echt.
Dennoch würde es jedem Gegner eine riesige Angriffsfläche bieten, die man nicht so leicht vergessen würde. 
Sowohl Dima als auch ich standen in sozialen Netzwerken in der Öffentlichkeit und wenn Informationen durchsickern und ins Netz gelangen würden, würde es nicht lange dauern, bis jeder davon Bescheid wusste. Es würde sich wie ein Lauffeuer ausbreiten und alles was wir uns aufgebaut hatten niederbrennen.

Zumindest war ich davon überzeugt, da eine Rap Community ziemlich hart und direkt sein konnte.

Gegen Nachmittag hörte ich die ersten Geräusche aus meinem Schlafzimmer und war erleichtert, als Dima wenige Minuten später die Türe öffnete und sich umsah. Er entdeckte mich sofort, weshalb ich aufstand und auf ihn zuging.
"Was ist passiert?", fragte er und ich konnte ihm ansehen, dass er Kopfschmerzen hatte.
"Erklär' ich dir gleich. Geh' duschen, mein Lieber. Ich hab' uns Frühstück am Mittag geholt und werd' dir alles dabei erzählen." Ohne Widerrede oder ein weiteres Wort tat Dima, was ich ihm gesagt hatte und kam nach geraumer Zeit wieder frisch geduscht und vor allem gut riechend wieder.

Kleinlaut setzte er sich an den Tisch und sah mich an, so als würde er auf meine Bestätigung warten.
"An wieviel erinnerst du dich noch?", fragte ich also und wir begannen zu essen.
"Wir hatten 'ne gute Zeit. Wir haben einen Kampf geschaut. Wir saßen auf der Couch und haben darüber geredet, dass sie um einiges weicher ist. Ab da ist alles weg.", erklärte er mir und ich nickte neutral, bevor ich ihn wieder ansah.

"Ich werd' dir mal zusammenfassen, was passiert ist. Erstens. Du hast dich total besoffen und all deinen Freunden anschließend mitgeteilt, dass ich verdammt gut ficken kann."

Dima sah mich geschockt an, sodass ich abwehrend die Hände hob.

"Dein Wortlaut. Ich wiederhole nur, was du gesagt hast. Du hättest noch mehr gesagt, wenn ich dich nicht gestoppt hätte. Zweitens. Du hast dich übergeben, falls du das nicht gemerkt haben solltest. Ich hab' dich in der letzten Sekunde ins Bad geschafft. Drittens. Vollkommen besoffen wolltest du mir noch an die Wäsche gehen, doch du warst viel zu schwach, weshalb ich dich ins Bett gelegt habe. Du bist gleich eingeschlafen. Viertens. Ich hab' mich herausgeredet und ich hoffe, dass das alle die sich daran erinnern als einen Spaß deinerseits abtun."
Ich hielt inne und sah die Panik in Dima aufsteigen.
"Das tut mir so leid, man. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, sonst hätte ich das wohl kaum getan."

Er ließ seinen Kopf in seine Hände sinken, so als wollte er sich verstecken.

Ich schüttelte beschwichtigend den Kopf. "Die meisten haben es mit Humor genommen und abgetan. Sie sind gegangen, als sie gehört haben, dass du bereits schläfst. Ich hab' mich dann um den Rest gekümmert und dir das Zeug an's Bett gelegt. Erst dann bin ich selbst schlafen gegangen. Mehr hast du nicht verpasst.", sagte ich und versuchte zu lächeln. Ich war noch immer etwas müde, doch an Schlaf war nun nicht mehr zu denken bis heute Abend.

"Ich ... ich weiß nicht was ich mir dabei gedacht habe ...", fing Dima seinen Satz an und brach ihn ab, da er nicht mehr weiter wusste, sodass er nur noch den Kopf schüttelte.

"Du dachtest, dass du mich noch vögeln könntest in deinem Rausch. Deinen Humor hast du dabei nicht verloren.", heiterte ich ihn auf und erntete ein schwaches Grinsen seinerseits.
"Es ist schon das zweite Mal, dass ich aufwache und du dich um mich gekümmert hast. Ich versuch' mich das nächste Mal zu zügeln. Dann bist du an der Reihe dich zu blamieren.", entgegnete Dima nun.

"Keine Sorge. Das hast du schon wett gemacht, als du mir in meiner Zeit als halber Krüppel geholfen hast.", antwortete ich und aß weiter. "Was passiert ist, ist passiert. Wir sollten vorsichtig bleiben dann wird das schon."

Dima nickte gedankenverloren und starrte in seine Tasse vor sich, bevor er wieder zu Wort kam. "Ich bin froh dich zu haben, man. Ist kein Scherz." Er sah auf und wirkte ernst.
"Ich weiß. Geht mir auch so."
"Wie ich sehe hast du Mika geholt.", kommentierte Dima, als sie an uns vorbei in ihr Körbchen lief.
"Ja. Hat mich ganz schön vermisst.", fügte ich grinsend hinzu.
"Wie könnte man das nicht?"
Ich sah, wie er sich die Schläfen rieb und langsam weiter aß, so als würde er sicher gehen, nicht gleich alles wieder übergeben zu müssen.

"Wie geht's dir?", fragte ich also besorgt.
"Die Tablette und das Wasser haben kleine Wunder bewirkt." Dima stützte sich auf dem Tisch ab. "Es beginnt zu wirken und es ist gut zu spüren, dass der Kopf doch nicht explodiert."
Ich lachte leise auf. "Das will ich wohl hoffen." Ich schaute aus dem Fenster und sah, dass die Sonne schien. Da es sowieso schon warm war, als ich Mika abgeholt hatte, kam mir eine Idee.

"Wenn es dir dann besser gehen sollte ... Was würdest du davon halten, wenn wir an diese kleine Einbuchtung am Fluss gehen? Du weißt schon, die die wir mal gefunden hatten, als wir mit Mika eine längere Zeit spazieren gegangen sind.", fragte ich also und Dima schien sofort zu wissen, wovon ich sprach.
"Ja. Da sollte heute keiner sein, schätze ich. Außerdem glaube ich nicht, dass diese Stelle so viele Leute kennen. Die Chance ist gering, dass wir auf jemanden treffen.", unterstützte er meine Idee.

"Na dann wissen wir ja, was wir heute tun werden."

Freundschaft Plus  [Dima x Julien FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt