Kapitel 6

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Sie war dran.
Wer auch immer da war, würde sie gleich sehen.
Sie kniff die Augen zu und erwartete, dass jeden Moment das Licht auf sie scheinen würde. 

"Paul kommst du?", rief eine weitere männliche Stimme. Rose hing zu weit unten, als dass er sie sehen würde. Auch war das Gelände der Treppe davor, dass Rose ein wenig versteckte.
"Komme schon." Paul lief zu dem anderen Jungen und gemeinsam verschwanden sie. 

Rose wartete noch bis sie die Schritte der Jungen nicht mehr hörte. Dann drückte sie sich mit einer Hand ab und griff mit der anderen nach dem oberen Teil des Geländers. Als sie sich dann mit beiden Händen festhielt, stemmte sie ein Bein gegen das Steingelände und schwang ein Bein rüber. Schnell kletterte sie über das Gelände und hastete um die Ecke. 

Zwei Minuten später stand sie dann vor ihrem Zimmer. Geräuschlos machte sie die Tür auf. Kayla schlief noch tief und fest, aber in einer Stunde würde auch sie aufstehen.
Rose nahm noch ein paar Klamotten aus dem Schrank und ging ins Bad. Sie zog sich um, nahm die Kontaktlinsen raus und setzte die Perücke ab. Jetzt war sie nicht mehr Rose, die jeden fertig machte.
Nein. Jetzt war sie wieder Saphira, die versuchte stark zu bleiben, während sie fertig gemacht wurde. 

Ihr Handy klingelte und vor Schreck blieb ihr das Herz stehen. Betend, dass es nicht Brad war, schaute sie aufs Handy und sofort beruhigte sich ihr Puls.
Es war Tom. 

"Hi.", meldete sie sich.
"Hi. Ich wollte nur wissen, ob du heil angekommen bist."
"Ja. Alles gut. Ich habe mich fast von jemanden erwischen lassen, aber konnte mich gerade so retten."
"Du liebst das Adrenalin einfach, oder?", ertönte seine Stimme aus dem Handy. "Du kennst mich doch. Bist du noch dort?"
"Ne. Bin kurz nach dir auch losgefahren. Bin gerade auf dem Weg zurück." 

"Also telefonierst du mit mir, während du mit einer Hand Motorrad fährst? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst das lassen?", fragte sie etwas ängstlich. So wie sie Tom viel bedeutete, bedeutete auch er ihr viel. Er war der einzige, der sie irgendwie verstand und versuchte so richtig halt zu geben. Sie glaubte daran, dass die Menschen um sie herum wussten, was sie hatte oder zumindest vermuteten. Doch keiner tat etwas. 

Tom hatte Rose schon mehrere male gefragt, ob jemand sie verprügelte und ihr gesagt, dass sie nur etwas sagen soll und er würde sofort alles beenden.
Sie hatte bei solchen Gesprächen schon mal dran gedacht, ihm alles zu sagen, aber das konnte sie nicht. Sie traute es sich nicht. 

"Das hast du. Und deswegen stehe ich gerade an einer roten Ampel. Ich muss jetzt auch auflegen, damit ich mit beiden Händen fahren kann. Ruf mich später nochmal an."
"Geht klar. Tschau."
"Tschau, Süße." Tom hatte aufgelegt. Saphira legte das Handy zur Seite und wusch sich das Gesicht. 

Das Gesicht abtrocknend sah sie auf ihre Handy Uhr. Halb sechs.
Sie sammelte alles zusammen und räumte sie im Zimmer weg. Dann nahm sie eine Leinwand und ihre Buntstifte. Sie schloss die Zimmertür und ging auf den Flur. Saphira ging zum Trainingsraum der Halfbloods. Beim Training neulich hatte sie eine Tür bemerkt und sie war zu neugierig, als dass sie es einfach sein ließ. Unbedingt wollte sie wissen, was sich hinter der Tür befand. 

Sie griff nach der Türklingel und drückte sie runter. Aber sie hatte hier weniger Glück als beim Klassenzimmer. Die Tür war abgeschlossen.
Zu ändern war nichts. Sie müsste es wohl ein anderes mal machen. 

Saphira drehte sich um und ging zurück. Sie verließ das Gebäude und setzte sich draußen auf eine der Bänke. Die Sonne ging gerade auf und färbte den Himmel in ein schönes rosa. Es sah bezaubernd aus. Vor allem mit der Landschaft davor. Wenn Saphira das Bild so malen wollte, musste sie sich beeilen. Sie schoss für alle Fälle ein Foto, ehe sie anfing. 

The Brothers I lostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt