Kapitel 42

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Das alles ein Ende finden würde. Heute.
Das Gefühl war schon die ganze Woche da. Seit Montag, als sie mit dem schrecklichen Albtraum aufgewacht war.
Die Woche war abgesehen von Montag, wo sie den Zusammenbruch hatte, gut verlaufen. Dienstag und Mittwoch hatte Brad sie verschont und hatte ihr nichts getan. Doch vielleicht war das die Ruhe vor dem Sturm.
Vielleicht würde heute alles zu ende gehen. Eine Entscheidung getroffen werden. Vielleicht würde sie ihre Brüder nie wieder sehen. Ihre Eltern. Ihre neuen Freunde. Tom.

Saphira las noch mal die Nachricht von Brad.
'Komm sofort zum Friedhof. Heute kriegst du was ab.'
Vielleicht interpretierte sie auch zu viel in seine Worte. Es konnte doch auch gut sein, dass die Nachricht überhaupt nichts bedeutete. Dass sie einfach nur Angst hatte.
Angst vor dem Tod.
Angst davor, die Menschen zu verlieren, die sie liebte.
Angst vor Brad.
Jedoch sagte ihr irgendwas, dass sie die Nachricht richtig verstanden hat. 

"Jungs, ich muss mich noch kurz mit wem treffen.", informierte sie ihre Brüder. "Mit wem denn?", wollte Zack wissen. "Ist es dein geheimer Freund?", bohrte Jack weiter. Neugierig wie immer.
Sie verdrehte die Augen und setzte ein gespielt genervten Blick auf, damit ihre Brüder glaubten, sie würde sich wirklich mit ihrem 'Freund' treffen. In der Zwischenzeit hatte sie Tom auch eine kurze Nachricht geschrieben.

"Lasst sie doch mal in Ruhe.", verteidigte Jayden sie. Raffael verdrehte nur die Augen über seine Geschwister. "Ach, jetzt mach nicht wieder auf cool.", meinte Jack und sah ihn mit einem ernsten Blick an. Saphira lachte. "Ich muss mich beeilen. Vielleicht sehen wir uns später ja noch.", meinte sie und rannte dann los in Richtung ihrer Zimmers.
Sie wollte noch etwas erledigen, bevor sie zu Brad ging.
Auf ihrem Zimmer krallte sie sich ihren Laptop und ihr Notizbuch, das sie vor kurzen begonnen hatte und legte es nebeneinander auf ihr Bett. Dort sollte man es bemerken.
Dann riss sie ein Stück von einem Zettel ab und schrieb ihr Passwort für ihren Laptop und 'Mein Leben' drauf. Den Zettel legte sie unter den Laptop, sodass man ihn noch zur hälfte sehen konnte. Wenn es heute zu Ende ging, dann sollte man zumindest die ganze Wahrheit erfahren. Wenn sie starb, wollte sie sichergehen, dass niemand jemals wieder das durchleben musste, was Brad ihr angetan hatte. 

Wie ein Déjà vu kam es ihr vor, als sie zum Friedhof ging. Es war schon einmal so gewesen. An ihrem Geburtstag. Da war sie auch zum Friedhof gegangen. 
Zu Brad.
Und auch damals hatte sie gedacht, dass Brad sie umbringen würde.
Mit den Gedanken, dass sie keinen Schmerz zeigen würde, dass sie durchhalten würde, dass sie es nur schaffen musste Jake anzurufen und solange durchzuhalten, bis er da war, war sie zu ihm gegangen.
Mit den selben Gedanken ging sie nun wieder zu Brad.
Jake würde sie retten können, denn eins war klar, Brad würde sie quälend umbringen. Es würde niemals einfach nur ein Schuss ins Herz sein. Das wäre nicht genug. Wenn sie sterben würde, musste sie quälend sterben, damit ihre Brüder litten.
Das wollte er.
Das wollte Brad.

Ihre Hände zitterten, weshalb sie sie in die hinteren Hosentaschen ihrer Shorts vergrub. Sie wirkte dadurch alles andere als cool. Sie wirkte unsicher und ängstlich.
Tief in ihrem inneren war sie das auch immer. Ein unsicheres, ängstliches Mädchen.
Um nicht an das Bevorstehende zu denken, lenkte sie ihre Gedanken auf alles andere.
Auf das, was sie trug. Eine helle Hotpants und dazu ein weißes Top.
Hatte sie das gleiche nicht auch an, als sie an ihrem Geburtstag zu ihm gegangen war? Sie hätte nichts dagegen, wenn das Outfit ihr Glück brachte.
Ein Nachteil gab es aber, wenn man sich ablenkte. Die Zeit verging schneller und so kam Saphira, ihrer Meinung nach, viel zu schnell zum Friedhof.
Ich bin dran, dachte sie.

Zum Friedhof gab es genau zwei Eingänge. Um das ganze Friedhofsgelände war ein Zaun aus Eisenpfählen errichtet worden. Angeblich um die bösen Geister gefangen zuhalten, die hier beerdigt wurden. Wenn man den Geschichten Glaube schenkte, dann hieß es, dass die Geister von Marry Lou, John Daniels und Joseph Everden noch immer ihr Unwesen trieben.
Joseph Everden war der Älteste von ihnen. Er lebte um die Gründungszeit von Dallas und soll die Menschen immer gewarnt haben, dass der Bau der Stadt einen Fluch mit sich ziehen wird. Es würde eine Plage nach der nächsten folgen, hatte er gesagt. Mit allen Mitteln hatte er versucht den Bau zu verhindern und Anhänger zu finden.
Vergeblich. Man erklärte ihn für geisteskrank und verrückt.
'Das Geschwätze eines Wahnsinnigen Mannes', haben sie immer gesagt und so war es auch.
Es geschah nichts in den folgenden Jahren. Aber für eines war Joseph Everden dennoch verantwortlich. Am Tod der kleinen Schwester des Gründers.
Er solle sie erschossen haben, als die Stadt eingeweiht wurde. Das Mädchen starb sofort an einer Kugel, die sie mitten im Herz traf. 

The Brothers I lostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt