Rätselndes Liebespaar
„Sag mal, Caylin. Wie läuft es denn eigentlich mit Jack?"
Bei Yvanas plötzlicher Frage verschlucke ich mich an meinem belegten Brot, das ich im Moment esse und muss automatisch ein paar mal husten. Freundlicherweise klopft mir meine beste Freundin auf den Rücken, was es bisschen besser macht.
Als ich endlich das Gefühl habe keine dämlichen Brotkrümel in der Nähe meiner Lunge zu haben, schaue ich sie mit feuchten Augen und einem etwas bösen Blick an, während sie mich bloß doof angrinst.
„Deine plötzliche Reaktion nehme ich auch als Antwort hin", schmunzelt sie, sodass ich sie bloß in die Seite boxe und sie sich schmerzhaft diese Stelle reibt. Wenn sie nur wüsste, wie nah Jack und ich uns stehen, beziehungsweise auf welche Weise, wäre sie alles andere als begeistert. Dass sie mich immer noch mit dem für sie unschuldigen Mädchenschwarm Jack verkuppeln möchte, finde ich immer noch lächerlich und weiß nicht, wie ich sie davon abbringen könnte, mich damit zu nerven. Meine Augen verdrehend beiße ich wieder in mein Brot und schlucke den Bissen diesmal vorsichtiger runter, ehe ich ihr antworte.
„Yvana, wie oft denn noch; ich will nichts von ihm. Du könntest mir das mal ruhig glauben. Ich bin ein glücklicher Single und brauche keinen dämlichen Freund, der mir an meiner Backe hängt."
Vielsagend grinst mich die Blondhaarige an und zeigt mit ihren Fingern Anführungsstriche in die Luft.
„Ach, ja? Du willst nichts von ihm? Vor paar Tagen wart ihr beide schön einen Kaffee trinken. Du triffst dich normalerweise nie mit Jungs. Erst recht nicht in einem Cafe."
Genervt stöhne ich auf und krame in meinem Rucksack nach meiner Wasserflasche. Dieses Mädchen lässt wirklich nicht locker.
„Na und? Ich war halt mit ihm einen Kaffee trinken. Was ist daran bitteschön so abnormal? Man kann doch auch mit männlichen Wesen befreundet sein, ohne gleich mit ihnen in die Kiste zu springen, ist das so schwer zu verstehen? Ich finde Jack nett und ziemlich cool, aber auch nicht mehr."
Ich selber bin natürlich unglaublich stolz auf meine Verteidigung und hoffe, dass Yvana endlich mal aufhört Jack und mich zu shippen, aber da hab ich mich glatt getäuscht. Denn anstatt, dass sie endlich mal aufgibt das zu machen und ich ihr Grinsen aus dem Gesicht wischen konnte, nähern sich ihre Mundwinkel noch mehr ihren Ohren.
Bei ihrem immer noch verschwörerischen Blick seufze ich und stehe von der Bank auf, die schon die ganze Pause von uns zwei besetzt wurde.
Meine Papiertüte werfe ich in einen Mülleimer, während Yvana mir folgt und neben mir herläuft. Wir beide machen uns auf dem Weg zurück ins Schulgebäude, mit der Absicht zum Chemieraum zu gelangen, wo ich Jack heute zum ersten mal wieder treffen werde. Die ersten zwei Stunden hatte er nämlich einen anderen Kurs, wie ich besucht und in der Pause hab ich ihn auch noch nicht gesehen, was wahrscheinlich während Yvanas Anwesenheit auch besser ist.
„Du findest Jack also nett und cool? Ich komme meinem Ziel immer näher. Caling-ching, du musst dir keine Sorgen machen, du musst es nicht gleich zugeben. Ich sehe es auch so schon. Du kannst dir ruhig Zeit mit Jack lassen und wenn du doch mal einen Rat von einer wahren Spezialistin brauchst, kannst du ruhig bei mir anklopfen, ich helfe dir unheimlich gerne. Ich kenne dich und weiß, dass du es nicht so mit Gefühlen hast, deswegen setze ich dich nicht zu sehr unter Druck."
Allmählich werde ich wütend und immer noch völlig genervt starre ich sie an.
Besonders bei meinem Spitznamen, den sie mir vor paar Jahren gegeben hat, steigt mein Blutpegel, was sie definitiv geplant hat. An ihrem Gesicht sehe ich, dass sie meine Reaktion fehl interpretiert und nicht verstehen will, was ich ihr versuche weiszumachen.
„Nenn mich nicht so, ich hasse es, wenn du mich so nennst und das weißt du ganz genau. Ich weiß gar nicht, wie man nur auf so einen bescheuerten Namen kommen kann."
Meine Freundin lacht aber nur.
„Außerdem weiß ich nicht, wie oft ich dir das noch sagen soll, wann deine wenigen Gehirnzellen diese Information endlich aufnehmen können und dein hohler Verstand endlich versteht, dass du falsch liegst, aber ich stehe verdammt noch mal nicht auf Jack, ich will nichts von ihm, wir sind nur Freunde und das wird auch so bleiben."
Bevor Yvana etwas erwidern kann, halte ich meine Hand -, die außerdem immer noch von einem Verband umwickelt ist, - vor ihren Mund und hebe meinen Zeigefinger.
„Du bleibst jetzt endlich still, du hast schon genug Müll über deine Lippen schweben lassen."
Gespielt unschuldig schaut mich Yvana an, als ich meine Hand wieder entferne und wir den Chemieraum betreten. Augenblicklich entdecke ich den Grünschopf, der zwischen anderen Braun- und Blondschöpfen aufblitzt. Jack sitzt zwischen ein paar Jungs aus meiner Klasse und unterhält sich angeregt mit ihnen. Über was genau sie sich so leidenschaftlich unterhalten, weiß ich allerdings nicht. Als Yvana und ich uns ihnen nähern und uns zwei Reihen hinter ihnen auf unsere Plätze hocken wollen, schaut er in meine Richtung und hebt grüßend seine Hand. Lächelnd erwidere ich seinen Gruß und setze mich auf meinen Platz, darauf wartend, dass unsere chemiebegeisterte Lehrerin den Raum betritt und ihre Leidenschaft mit uns in Form von langweiligem Unterricht teilen möchte. Yvanas dämliches Grinsen versuche ich derweil einfach zu ignorieren.
Als unsere Lehrerin auch irgendwann hereinspaziert und den Unterricht beginnt, höre ich nur mit halbem Ohr zu. Schließlich kann ich diesen Stoff schon in- und auswendig - er ist weder schwer noch unbekannt für mich, weshalb ich es mir erlauben kann nur halbherzig und ohne jegliches Interesse ein paar Notizen zu machen und dabei die Hälfte wegzulassen.
Währenddessen starre ich geistesabwesend auf Jacks Hinterkopf und überlege mir, mit was für einem weiteren Rätsel ich ihn beschäftigen könnte, in der Hoffnung natürlich, dass er das Rätsel von gestern lösen konnte und mir die Antwort in der Pause vorlegen kann.
Nachdem der Unterricht endlich als beendet erklärt wird, schnappe ich mir meinen Rucksack und schultere ihn, während ich mich von meinem Platz erhebe.
„Wir sehen uns nachher in Kunst, viel Spaß mit Jack!"
Yvana verabschiedet sich mit einem freundschaftlichen Boxer auf meine Schulter, während sie mir grinsend zuzwinkert und an mir vorbei zu ihrem Kurs geht.
„Wenn du nicht bald dein eigenes Grab schaufeln möchtest, behalte diese Kommentare endlich für dich!", rufe ich ihr noch leicht grinsend hinterher, sodass sie sich wieder umdreht und mir einen ironisch gemeinten Luftkuss zuschickt.
Ich verdrehe bloß meine Augen und fange an mit ein paar anderen Mitschülern aus dem Raum zu gehen, bis ich einen bekannten Geruch und eine mir all zu vertraute Gestalt neben mir wahrnehme.
Als ich meinen Kopf hebe und in Jacks Gesicht schaue, sehe ich sein für ihn typisches Grinsen, sodass ich zurück schmunzeln muss.
„Deine Drohung an deine Freundin klang ziemlich echt, muss ich mir Sorgen machen, dass du sie schon auf deine Todesliste gesetzt hast?", fragt mich mein neu gewonnener Psycho-Kumpel leise und schaut mich belustigt an.
Ich aber schüttle lachend meinen Kopf, während wir zwei uns auf den Pausenhof begeben. Während dem Weg dorthin werden wir von irgendwelchen Kindern, die ein paar Stufen unter uns sind, angerempelt, sodass ich ein paar unschöne Worte murmle. Als wir an der frischen Luft sind, machen wir uns auf dem Weg zu einer Betonwand, auf die wir uns setzen und ungestört unterhalten können.
„Yvana ist - egal ob du es mir glauben kannst oder auch nicht - meine Freundin, auch wenn dieses Leben nur eine Art Spiel für mich ist. Auf die Todesliste setzen werde ich sie nie in meinem Leben, auch wenn sie sich von mir abwendet, nur weil sie über meine zweite Identität Bescheid weiß", erkläre ich und springe auf den kalten Beton, während sich Jack zu mir gesellt und beeindruckt kichert.
„Sehr loyal, liebe Theodora, das ist wirklich bewundernswert."
Grinsend knuffe ich ihn in die Seite und schaue ihn an.
„Darf ich fragen mit welchen Kommentaren sie aufhören soll, damit sie nicht ihr eigenes Grab schaufeln muss?"
Neugierig blinzelt er ein paar Mal und schaut mich direkt an.
„Drei Mal darfst du raten", antworte ich entnervt.
„Ich kann es mir schon denken."
Seltsam grinsend wackelt Jack mit den Augenbrauen, sodass ich lachen muss.
„Bezüglich uns zwei natürlich. Sie denkt immer noch, dass ich auf dich stehe und wir zwei bald das glücklichste Pärchen der Schule werden."
Auch Jack muss ein wenig lachen, wird aber schnell wieder ernst und schaut mich gespielt beleidigt an.
„Ach, du stehst gar nicht auf mich?"
Schmunzelnd wende ich meinen Blick ab, um nicht mehr in sein trauriges Gesicht schauen zu müssen.
„Ich muss dich leider enttäuschen, Jack."
Der Junge neben mir muss wieder ein bisschen lachen und fährt sich durch die grünen Haare.
„Ich bin mir sicher, dass Theodora etwas anderes geantwortet hätte."
Belustigt hebe ich eine Augenbraue und verschränke meine Arme vor der Brust.
„Ach, ja? Was macht dich denn da so sicher, Mr J?"
Sein Mund kräuselt sich zu einem erneuten Lächeln und Jack zuckt unschuldig mit den Schultern.
„Ich bin mir bei allem sicher, was ich mache und denke, Liebes, das solltest du langsam wissen."
Ich gebe zustimmende Laute von mir, ehe ich mir räuspere und das Thema wechsle.
„Ich hoffe du möchtest dich mit dieser Konversation nicht vor meinem Rätsel retten?"
Überzeugt von sich selbst schüttelt Jack seinen Kopf und schaut mich stolz an.
„Es hat lange gedauert, bis ich die Antwort hatte, aber letztlich hab ich es rausgefunden."
Gespannt warte ich auf seine Antwort auf die Frage, wie ein toter Mann in einem Fluss neben einem Seil gestorben ist.
„Der Mann ist mit einem Bungee-Seil von einer Brücke gesprungen und dabei ist das Seil gerissen."
Beeindruckt klatsche ich in meine Hände und klopfe ihm auf die Schulter.
„Richtig, ich hätte nicht gedacht, dass du drauf kommst."
Empört schaut Jack mich an und legt seinen Kopf schief.
„Denkst du etwa ernsthaft, dass ich so dumm bin? Das ist echt taktlos von dir, so was zu einem genialen Mörder zu sagen, Theodora."
„Sei doch nicht so beleidigt, mein Lieber, so war das nicht gemeint. Ich denke du bist bereit für das nächste Rätsel? Das vorherige war vielleicht doch etwas zu einfach."
„Zu einfach? Ich lag stundenlang knobelnd in meinem Bett und konnte nicht einschlafen, nur wegen diesem blöden Rätsel, also rede hier nichts von ‚zu einfach'."
Abwehrend hebe ich meine Hände und lache ein wenig.
„Bist du jetzt bereit für das nächste Rätsel oder nicht? Bis heute Abend möchte ich die Antwort, sodass du dich danach auf das Strategieentwerfen konzentrieren kannst, damit wir Edward aus dem Weg räumen. Nicht dass du die ganze Zeit nur über das Rätsel nachdenkst."
Jack schüttelt seinen Kopf und schaut mich gespannt an.
„Ich bin mehr als nur bereit, also raus mit der Sprache, du Riddler 2.0."
Bei meinem neuen Spitznamen runzle ich die Stirn und denke an das Rätsel, das ich mir im Chemieunterricht für Jack überlegt habe.
„Alos, Herr Maier fuhr in seinem Auto gemächlich auf der Autobahn, als ihm plötzlich völlig unerwartet ein anderes Auto entgegen kam, dem er nicht mehr ausweichen konnte. Es kam zum Zusammenstoß bei dem er aber nur leicht verletzt wurde. Der Geisterfahrer wurde allerdings in seinem Auto eingeklemmt, und konnte erst nach Stunden befreit werden. Dennoch hat er überlebt. Obwohl nur die beiden Autos in den Unfall verwickelt waren, gab es trotzdem einen Toten. Beide Autos hatten keine Beifahrer dabei, aber wer ist der Tote?"
Schmunzelnd nickt Jack, zeigt mir somit, dass er sich meine Frage gemerkt und alles verstanden hat. Herausfordern blicke ich ihn an und lehne mich ein wenig nach hinten, während der Grünhaarige mich etwas überfordert anschaut.
„Das ist nicht einfach, aber dennoch lösbar. Bis heute Abend hast du deine Antwort, noch bevor wir uns mit dem Riddler beschäftigen werden."
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Two Identities [Joker FF]
FanfictionIn der Nacht eine Mörderin, am Tag eine unschuldige Schülerin und gleichzeitig die Sitznachbarin eines Psychopathen - das ist das Leben von Caylin Peters alias Theodora, die sich nach einer zufälligen Begegnung mit dem Joker zusammentut.