Fluchtpläne
„Danke", ich atme erleichtert auf, als endlich alle Scherben aus meiner Haut entfernt und meine zwei Hände ich dunkelblaue Verbände gewickelt wurden. Dankbar schaue ich zu Yomo, der tatsächlich ein Lächeln aufbringen kann, obwohl ich das von ihm nicht erwartet hätte. Schließlich hat Yomo immer diesen kühlen und desinteressierten Blick, wobei ich mich immer frage, ob er überhaupt Emotionen zeigen kann. Vielleicht ist er ja ein Vampir oder so was Ähnliches.
„Keine Ursache."
Wir beide stehen wieder vom Boden auf und währenddessen versuche ich mich nicht auf meine frisch verarzteten Hände zu stützen, sondern eher auf meine Handgelenke. Seufzend setze ich mich auf den Tisch, der hier im Zimmer steht und schaue auf meine Uhr. Ich sehe, dass wir bereits vier Uhr morgens haben und muss an die Schule denken. Theoretisch gesehen müssten Jack und ich in ungefähr vier Stunden in dem Bildungsgebäude sitzen und uns mathematische Formeln anhören, aber in unserer jetzigen Lage bin ich mir ziemlich unsicher, was das betrifft. Wenn Jack wieder zurück ist, müssen wir uns unbedingt was überlegen. Auch sollten wir herausfinden, was unserer nächster Schritt bezüglich Harvey sein wird. In Sachen Schule könnten wir beide unsere Tarnung absetzen und so unauffällig aus diesem Gebäude schleichen, natürlich so, dass uns niemand entdeckt. Was aber ziemlich schwierig sein wird, da die Polizei immer noch hinter uns her ist und überall rum lungert. Natürlich werden wir nicht ins Gefängnis gesteckt, schließlich laufen wir dann als Jack und Caylin über die Straße, dennoch wäre es äußerst unnötig den Bullen über den Weg zu laufen, besonders bei dieser Uhrzeit. Und das andere Problem ist, dass wir beide bereits hier in diesem Versteckt unsere Masken ablegen müssten, was wiederum bedeutet, dass Yomo mich ohne mein Tuch, Schminke und Kontaktlinsen sehen würde. Ich könnte ihm sagen, dass er sich umdrehen und mich nicht anschauen soll, aber die Gefahr, dass er doch noch einen kleinen Blick erhaschen könnte, ist ziemlich groß. Yomo ist zwar echt ein netter Kerl und komischerweise finde ich ihn sogar sympathisch, was bei den meisten anderen Menschen auf diesem Planeten nicht der Fall ist, aber trotzdem wäre es mir unangenehm, wenn noch eine weitere Person von meinen zwei Identitäten wüsste. Dass Jack bereits davon weiß, reicht mir schon. Gerade als ich über Jack nachgedacht habe, schwingt die Tür auf und ein frisch geduschter und angezogener Joker betritt mit neu aufgetragener Schminke den Raum.
„Fertig?", frage ich ihn und er nickt schmunzelnd.
Kurzes Schweigen kehrt ein, das aber nicht lange anhält.
„Wie geht es jetzt weiter? Wir haben Harvey immer noch nicht getötet und die Mafia erwartet spätestens in zwei Stunden seine Leiche", frage ich nämlich und schaue fragend zu Jack und Yomo.
Mit einem nachdenklichen Gesicht stellt sich Yomo an das Fenster, während sich Jack neben mich setzt.
„Wie wäre es, wenn du den Deal mit der Mafia einfach verschiebst?"
Yomo schaut kurz zu dem Joker, welcher auch kichernd nickt.
„Was anderes bleibt mir ja wohl nicht übrig, was? Uns jetzt noch auf die Suche nach dem Staatsanwalt zu machen, wäre viel zu gefährlich und nicht gerade schlau. Obwohl ich Konfrontationen natürlich liebe, aber dennoch sollten wir es lassen."
Erstaunt hebe ich eine Augenbraue und starre Jack schmunzelnd an.
„Joker? Bist du es wirklich? Du möchtest nicht zu Harvey und Batman rennen und mit ihnen Stress anfangen, sondern suchst lieber eine Alternative? Hast du Fieber?"
Sarkastisch schaue ich ihn an, während er grinsend die Augen verdreht.
„Bild dir mal lieber nichts ein. Wie ich bereits sagte: Ich liebe Konfrontationen, aber gleichzeitig bin ich ein Mensch, der strategisch alles gut durchdenkt. Deshalb müssen wir uns etwas anderes überlegen."
Ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue nun zu Yomo, der Jacks und meinem Dialog aufmerksam angehört hat. Jetzt aber räuspert er sich und kommt wieder zu Wort.
„Unser erster Schritt wird natürlich sein, dass Jack den Deal verschieben wird. Die Mafia wird darüber bestimmt nicht erfreut sein und drüber nachdenken, den verrückten Clown umzubringen, aber sobald sie merken, dass mit dir nicht zu spaßen ist, werden sie die Zähne knirschend nicken und dir eine zweite Chance geben", währenddessen geben Jack und ich verständliche Laute von uns und hören aufmerksam zu, „der zweite Schritt wird sein, dass wir beobachten. Wir beobachten, was in der Stadt passieren wird, sobald alle von der Entführung, Harveys voraussichtlichen Tod und natürlich Rachel Dawes Untergang erfahren."
Jack lacht kurz und steht vom Tisch auf.
„Es wird das reinste Chaos ausbrechen und sobald wir Harveys dreckige Vergangenheit ans Licht bringen, wird dieses Chaos noch größer."
Yomo stimmt ihm zu, während ich nachdenke.
„Theodora, was meinst du?", fragt der Weißhaarige Junge und blickt mich fragend an.
Auch ich richte mich wieder auf und nicke bei seiner Frage.
„Ich finde auch, dass wir vorerst noch warten, still sein und beobachten sollten. Es wird interessant sein, was alles in Gotham passieren wird, wenn alle von unseren Taten erfahren werden. Dadurch wird genug Angst und Chaos verursacht, weshalb es unnötig wäre noch mehr Salz in die Wunde zu streuen und Harveys Geheimnis zu verraten."
Irritiert schauen mich die beiden Männer vor mir an - besonders Jack.
„Was meinst du? Genau das wollen wir doch! Salz in die Wunde streuen und Harvey beim Untergehen zusehen und dabei Popcorn essen."
Leicht schmunzelnd verdrehe ich die Augen und schüttle meinen Kopf.
„So war das nicht gemeint."
Jack hebt nun fragend seine Augenbrauen und auch seine Hände.
„Damit hab ich bloß gemeint, dass wir warten sollten. Wir werden Harvey weiter zittern lassen. So wie bisher. Er weiß ganz genau, dass wir über sein Geheimnis bescheid wissen und wir es jederzeit der ganzen Welt erzählen könnten. Besonders nachdem er uns so knapp entkommen ist. Außerdem weiß er auch, dass wir ihn auf dem Gewissen haben und umbringen wollen. Das sind schon mal zwei Sachen, warum er nicht mehr ruhig schlafen wird in der nächsten Zeit."
Verständlich schauen mich nun die zwei an.
„Das heißt wir zögern den Spaß noch ein wenig hinaus?"
Bei Jacks Frage nicke ich.
„Das ist ein guter Plan. Also - Jack, du wirst das mit der Mafia klären und danach gehen wir alle nach hause und leben erstmal normal weiter, so wie bisher. Den Fall Harvey verschieben wir. Und zwar solange, bis wir selber finden, dass die Zeit gekommen ist, die Bombe platzen zu lassen. Sind wir uns da einig?" Yomo schaut uns an und wir beide antworten mit „Ja".
Jack zückt sein Handy und geht Richtung Tür.
„Ich ruf die Mafia-Idioten an und teile ihnen unsere kleine Änderung mit. Ich bin bald wieder da. Solange könnt ihr euch ja überlegen, wie genau wir von hier weg kommen sollen, schließlich will ich nicht den ganzen Tag noch hier versauern, nur weil uns die Polizei noch ein paar Stunden lang intensiv suchen will."
Mit einer letzten Handbewegung verschwindet der psychopathische Clown wieder, sodass Yomo und ich alleine zurückbleiben. Seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken und fange an zu überlegen. Yomo macht genau das selbe.
„In dieser Gegend und auch überall anders sind Unmengen an Polizisten unterwegs und treiben sich herum, nur um euch zu finden. Ich denke diese Unruhe legt sich in wenigen Stunden, sobald sie merken, dass es hoffnungslos ist, euch zu suchen und dann aufgeben mit dem Aufspüren. Die eine Option wäre demzufolge, dass ihr das noch abwartet und noch bis morgen ungefähr hier bleibt. Allerdings wäre das ein Problem für euer zweites Leben."
Fragend schaue ich Yomo an bei seiner Erklärung und in mir kriecht ein mulmiges Gefühl hoch.
„Du weißt, dass ich ebenfalls ein zweites Leben habe?"
Yomo zuckt mit den Schultern und nickt.
„Ja, ich weiß davon. Keine Angst, ich erzähle es niemandem. Außer natürlich Jack, der weiß das schließlich schon. Ich habe es mitbekommen und es war auch keine große Überraschung. Jack macht es auch so: tagsüber ein unschuldiger Schüler, nachts hingegen ein kaltblütiger Mörder. Außerdem ist Theodora ebenfalls nur nachts unterwegs, was meine frühere Vermutung, dass du eine zweite Identität hast, wachsen ließ."
Verständlich blicke ich ihn an und weiß ehrlich gesagt selber nicht, was ich davon halten soll, dass noch eine weitere Person von meinem Geheimnis weiß. Obwohl Yomo natürlich nicht weiß, wie ich ohne meine Theodora-Verkleidung aussehe und wie ich in Wirklichkeit heiße.
„Ich weiß nicht, wie du wirklich aussiehst und wie du heißt", bestätigt Yomo meinen Gedankengang.
Dazu sage ich nichts mehr, sondern seufze bloß.
„Na ja. Wie dem auch sei. Wie gesagt: wenn ihr den ganzen Tag hier bleiben würdet, wäre das ziemlich seltsam für eure Mitmenschen aus eurem anderen Leben. Man würde sich wundern, wo ihr seid und warum ihr gerade beide zur selben Zeit fehlt. Es würde niemand drauf kommen, dass ihr Theodora und der Joker seid, aber trotzdem würde ich so was vermeiden. Deshalb solltet ihr so wie immer, das Leben als Kriminelle nach der Nacht beenden und in andere Rollen schlüpfen."
Jack kommt wieder in das Zimmer herein.
„Wir müssen also irgendwie hier weg kommen. Und zwar so, dass uns keiner bemerkt", sage ich noch und Yomo stimmt mir zu.
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Two Identities [Joker FF]
FanficIn der Nacht eine Mörderin, am Tag eine unschuldige Schülerin und gleichzeitig die Sitznachbarin eines Psychopathen - das ist das Leben von Caylin Peters alias Theodora, die sich nach einer zufälligen Begegnung mit dem Joker zusammentut.