Weg nach Hause
„Wow, die Veränderung ist echt drastisch."
Als ich wieder zu Yomo und Jack stoße, starrt mich Yomo überrascht an, während Jack neben ihm bloß schmunzeln muss. Schließlich kennt er schon mein wahres Aussehen. Auch er sieht wieder aus, wie ein normaler Bürger. Er sieht eben aus wie ein Jack und kein Joker. Die Schminke hat er abgewaschen - was nebenbei ziemlich witzig ist, da er sie vorher erst frisch aufgetragen hat - und hat sich normale Klamotten angezogen. Klamotten, wie sie ein üblicher Teenager trägt: eine Jeans, ein einfaches T-Shirt mit einer schlichten Jacke drüber und Sneaker. Jack so zu sehen ist echt seltsam, besonders weil er vor wenigen Minuten noch ein Psycho-Clown-Outfit getragen und sich mit Batman gezankt hat. Grinsend schaue ich zu Yomo, der ab jetzt ebenfalls mein richtiges Aussehen kennt. Etwas beunruhigen tut mich das schon, aber ich hab für mich selber beschlossen, diesen Schritt zu machen und ich hoffe doch, dass ich das nicht bereuen werde.
„Ich sehe ziemlich normal aus, nicht?", frage ich daraufhin und die beiden Jungs nicken.
Jack kichert ein wenig und hebt seinen Daumen.
„Normaler geht es wohl kaum, Caylin."
Beim Erwähnen meines richtigen Namens hebt der weißhaarige Stille seine Augenbrauen.
„Du heißt eigentlich Caylin?"
Seine Frage bejahe ich, indem ich nicke.
„Interessant", murmelt er bloß als Antwort. Jack seufzt kurz, ehe er aus dem Raum geht und wir ihm folgen.
„Deine Sachen kannst du übrigens hier in dem Zimmer lassen", sagt er noch, bevor ich aus dem Zimmer raus bin, sodass ich den Haufen, den ich in meiner Hand halte auf den Boden fallen lasse und ihn sauber zur Seite schiebe, damit man erkennen kann, dass sie mir gehören und nicht zwischen die anderen Kleidungsstücke geraten sollen.
Yomo und Jack laufen den Flur entlang, bis sie bei einer Tür anhalten und sich zu mir umdrehen.
„Hier ist der Geheimgang. Wir werden ungefähr zwei Kilometer laufen, während Yomo schon mal hier bleibt. Nachdem wir wieder über der Erde sind, werden wir getrennte Wege laufen, so ist es am sichersten."
Bei Jacks Erklärung schaue ich noch kurz zu Yomo, während der Grünhaarige die Tür aufschwingt.
„Dann sehen wir uns morgen in unserem eigentlichen Versteck", sagt Yomo und verabschiedet sich so von uns.
„Und lasst euch nicht von den Bullen schnappen."
Grinsend verabschieden auch wir uns von ihm und lassen die Tür hinter uns zufallen. Vor uns erstreckt sich nun ein sehr langer Gang, der mit schwachen Lichtern geschmückt ist, den wir wohl jetzt entlang gehen müssen.
„Also, auf geht's", sage ich seufzend, sodass wir loslaufen.
Während wir still den dämmrigen Gang entlang marschieren, bleiben wir beide erstmals schweigsam, bis Jack nach einer Weile das Wort ergreift.
„Dass Yomo jetzt weiß, wie du heißt und aussiehst ist wirklich kein Problem, das kannst du mir glauben."
Überrascht schaue ich ihn an, während er weiterredet.
„Als ich erfahren hab, dass die kriminelle Theodora meine neue Sitznachbarin in der Schule ist, fandest du das schon schlimm genug. Na ja, dass eine Person über dein Geheimnis bescheid weiß, versteht sich. Ich bin mir sicher, dass es dich ziemlich durcheinander und sogar wütend gemacht hat. Schließlich wolltest du für immer alleine deine Morde durchführen und unentdeckt bleiben. Und ein Geheimnis nennt man ja wohl nicht umsonst Geheimnis - so etwas möchte man nur für sich behalten. Und jetzt wo es noch eine weitere Person weiß, also jetzt schon zwei, verstehe ich vollkommen, dass du uns noch nicht zu hundert Prozent vertrauen kannst. Ich verstehe, dass du von deiner Offenbarung vor Yomo nicht wirklich begeistert bist, aber du musst mir wirklich glauben, dass es so am besten ist und du es nicht bereuen wirst. Natürlich bist du die einzige, die das entscheiden kann - also ob du es nun bereust oder auch nicht. Aber ich möchte dir ganz offen und ehrlich sagen, dass ich froh bin, dass es so gekommen ist und wir zu dritt nun ein kriminelles Trio abgeben. Du wirst dich schon noch dran gewöhnen, glaub mir. Außerdem heißt das ja auch nicht, dass du als Theodora an uns gebunden bist. Du kannst ja noch zusätzlich deine komischen Menschen töten, aber wie gesagt; zusammen erledigt man noch viel mehr und bessere Arbeit."
Dass Jack tatsächlich so ruhig und führsorglich klingen kann, verwirrt mich ein wenig, sodass ich ihn nur verwundert anstarren kann, während wir einen Fuß vor den anderen setzen. Kurz schaut er zu mir und grinst mich an.
„Das hat dich jetzt bestimmt sprachlos gemacht, was? Der Joker - ein ganz netter Kerl, der einem Mädchen Zuversicht verspricht."
Kurz lacht er, während ich mitlachen muss. Ich lasse mir noch mal seine Worte auf der Zunge zergehen und denke über sie nach.
Alles was er gesagt hat, stimmt. Ich bin sauer - sauer auf mich selbst, dass ich so unvorsichtig war und der Joker herausgefunden hat, wer ich wirklich bin. Und ich bin auch sauer auf ihn, dass er mich erpresst hat, aber im Endeffekt habe ich mich selber dazu entschieden mit ihm zusammenzuarbeiten, was sich nicht als Fehler entpuppt hat. Obwohl ich vorher wirklich an meiner Entscheidung gezweifelt habe, als ich mit Batman eine kleine Streiterei hatte. Dass ich Yomo ebenfalls mein wahres Gesicht zeigen musste, macht mich auch ein wenig wütend und ich habe tatsächlich meine Zweifel an meiner Entscheidung, aber um ehrlich zu sein, fühlt es sich gar nicht mal so falsch an.
„Es ist ja nicht so, dass ich euch beiden nicht vertraue, aber ich kenne euch noch nicht so lange. Beziehungsweise kenne ich Yomo erst seit kurzem und dich als Jack und dem Joker auch erst seit neuestem. Ich war bisher immer eine Einzelgängerin und hielt das auch als einzig richtig. Wenn man nämlich alleine arbeitet und irgendwelche Pläne hat, dann kann man auch selber entscheiden, was man wie und wann machen soll, sprich: wie und wann und wen ich umbringen werde. Ich war an niemanden gebunden und konnte alles für mich selber entscheiden. Mit jemandem zusammenzuarbeiten bedeutet für mich gleichzeitig zu vertrauen, was erstmals gar nicht in Frage kam, aber als du erschienen bist und mich erstmal erpresst hast und mir gegen Ende doch noch die freie Wahl gegeben hast, wollte ich es doch noch ausprobieren. Ich dachte mir, dass ich es versuchen kann und wenn es sich doch noch als schwierig erweist, kann ich immer noch einen Schlussstrich ziehen und aufhören."
Jack hebt seine Augenbraue, ehe er sich räuspert.
„Einen Schlussstrich ziehen? Meinst du damit, dass du mich umgebracht hättest?"
Grinsend schaue ich ihn an.
„Vielleicht. Aber ich kann dich beruhigen - meine Entscheidung mit dir zusammenzuarbeiten war defintiv keine schlechte."
Gespielt beruhigt wischt sich Jack imaginäre Schweißperlen von der Stirn und leckt sich über die Lippen.
„Mit Yomo hast du also kein Problem?"
Ich zucke mit den Schultern und schüttle meinen Kopf.
„Yomo ist ein echt cooler Kerl. Und wenn ich das sage, muss das was bedeuten. Schließlich sage ich das nicht alle Tage zu irgendwelchen Leuten. Wenn aber noch eine dritte Person vorbei kommt, der ich meine zweie Identitäten vorlegen muss, bringe ich euch alle um, verstanden? Zwei Personen reichen."
Drohend boxe ich Jack in die Seite, während er leise kichert.
„Kein Angst, Yomo ist mein einziger Kollege, den ich seit Jahren an meiner Seite hab. Die verkleideten Leute von mir bleiben nicht lange. Ich arrangiere immer neue Typen, denen ich nichts von meinem anderen Leben erzähle."
Kurz denke ich an die Clowns-Masken-Typen. Währenddessen biegen wir ab und laufen weiter.
„Außerdem finde ich es ganz witzig mit euch, auch wenn wir vorher fast draufgegangen wären", füge ich noch hinzu und lache.
„Na, also. Glücklicherweise ist die ganze Sache mit Harveys nicht beendet, sodass wir noch weiterhin Spaß haben werden."
Nach ungefähr zwanzig Minuten, kommen wir am Ende des Ganges an.
„Hier müssen wir hoch."
Jack klettert die Leiter hoch und ich folge ihm. Ganz oben schiebt er eine Art Deckel beiseite. Aber nicht ohne davor irgendeinen Code einzugeben. Über mir sehe ich endlich wieder den Himmel, sodass ich das letzte Stück noch schnell hoch sprinte.
Als ich endlich aus diesem Loch raus bin und Jack unseren geheimen Gang verschlossen und abgeriegelt hat, atme ich die kühle Nachtluft ein. Momentan stehen wir in einer verlassenen Gasse, so wie es Jack vorher erklärt hat.
„Also, los. Da vorne bei der Hauptstraße trennen wir uns, verstanden?"
Ich nicke als Antwort, sodass wir loslaufen.
„Falls dich jemand fragen sollte, was mit deinen Händen passiert ist, sagst du einfach, dass du in eine Dornenhecke gefallen bist."
Bei seiner dämlichen Ausrede verschränke ich ein wenig beleidigt meine Arme.
„Denkst du ernsthaft, dass ich so dumm bin und in eine Dornenhecke falle?"
Der Junge neben mir verdreht bloß seine Augen.
„Was willst du denn sonst sagen? ‚Oh, hey, ich hab mich gestern Nacht mit Batman gestritten, dabei hab ich mich leider verletzt, ups'?"
Ich grinse ein wenig und gebe mich geschlagen.
„Ist ja schon gut, dann sage ich allen, ich wäre in eine Hecke gefallen. Ich hoffe du bist jetzt glücklich."
Zufrieden ziehen sich Jacks Mundwinkel nach oben, als wir endlich bei der Hauptstraße angekommen sind.
„Wir sehen uns dann bald in der Schule", sagt Jack und klopft mir zum Abschied auf die Schulter.
Er dreht sich um und will gehen, da halte ich ihn noch kurz auf.
„Jack, wo wohnst du eigentlich?"
Bei meiner plötzlichen Frage dreht er sich um und lächelt verschwörerisch.
„Alles zu seiner Zeit."
Erneut dreht er sich um und geht davon. Auch ich gehe los zu meinem eigenen Wohnort, nur eben in die andere Richtung.
Der Gedanke, dass Jack ein normales Zuhause hat, ist ziemlich amüsant und ich hoffe doch inständig, dass er mir bald erzählen wird, wie und wo er als Jack getarnt lebt.
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Two Identities [Joker FF]
FanfictionIn der Nacht eine Mörderin, am Tag eine unschuldige Schülerin und gleichzeitig die Sitznachbarin eines Psychopathen - das ist das Leben von Caylin Peters alias Theodora, die sich nach einer zufälligen Begegnung mit dem Joker zusammentut.