Wiedersehen
Mit immer noch weit aufgerissenen Augen starrt mich Harvey an, während ich meine Hand entferne. Es scheint, als hätte er für einen Moment vergessen wie man atmet, da sich sein Brustkorb nicht hebt und senkt. Ich richte mich wieder auf und beobachte amüsiert den zusammengekauerten Staatsanwalt von oben.
„Ja, ich bin es, es ist keine Einbildung und auch kein Traum, mein Freund. Wenn du dich wieder beruhigt hast, können wir ja normal miteinander reden, oder etwa nicht?"
Harvey schließt endlich seinen Mund und fängt augenblicklich an zu zittern, ehe aufkeucht.
„Aber ...", fängt er an, kommt aber nicht sehr weit, da er immer noch viel zu geschockt ist.
Ich verdrehe bloß meine Augen und streife die hässliche Mütze von meinem Kopf, ehe ich die Arme vor der Brust verschränke. Die Sonnenbrille und den Mundschutz habe ich achtlos auf den Boden geworfen, wo sie jetzt auch einsam herumliegen.
„Ja, ja. Hast du mal deinen künstlichen Schock endlich überwunden? Ich bin nicht tot, ist das jetzt mal in deinem Spatzenhirn angekommen? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit."
Seufzend schaue ich nun zu, wie Harvey sich hilfesuchend umschaut und voller Panik aufspringt und davonrennt. Schmunzelnd beobachte ich den Mann wie er an der Klinke rüttelt, die Tür sich aber nicht öffnet, sodass er sich schwer atmend zu mir umdreht und mich mit großen Augen anstarrt. Meine Mundwinkel ziehen sich noch weiter nach oben.
„Tut mir leid, aber es gibt keinen Ausweg für dich, mein Freund. Es gibt etwas wirklich Wichtiges zu besprechen, da wäre es doch unglaublich schade, wenn du einfach so abhauen würdest", sage ich und schmatze einmal, während ich mich strecke und durch meine Haare fahre.
Währenddessen ziehe ich den Brief aus meiner Hosentasche und halte diesen in die Höhe. Harvey lässt sich an der Tür heruntergleiten, sodass er am Boden kauert.
„Mach doch endlich. Bringen wir es hinter uns", höre ich ihn krächzend sagen, sodass ich meinen Kopf schief lege und ihn skeptisch anschaue.
„Was meinst du?", frage ich lächelnd und warte gespannt auf seine Antwort.
„Na, du willst mich doch bestimmt umbringen. Mach es doch endlich", fordert er und schließt seine Augen. Daraufhin fange ich laut an zu lachen, sodass er seine Augenlider wieder aufklappt und mich verwirrt anstarrt.
„Nein."
Ich höre auf zu lachen.
„Wie bitte?", fragt er perplex. Ich stöhne auf und halte meine Hände vor mein Gesicht.
„Was kann man denn bitte an einem ‚nein' nicht verstehen?"
Ich entferne meine Hände wieder und schaue zu Harvey. Dieser öffnet seinen Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn aber wieder. Offensichtlich versteht er nicht, was ich sage und weiß nicht wie er reagieren soll.
„Ich bin nicht hergekommen, um dich zu töten, mein Freund. Sondern um dir zu sagen, dass du Scheiße gebaut hast und diese Aktion mit dem Riddler ziemlich, ziemlich dumm war."
Langsam aber sicher gehe ich auf ihn zu, während er mich still und ängstlich beobachtet.
„Du solltest wissen, dass du dich nicht mit uns anlegen solltest, haben wir uns verstanden? Mit Psychopathen zu spielen ist sehr riskant, weißt du?"
Kurz bevor ich ihn erreiche, halte ich an und starre ihn eindringlich an, während er leicht nickt.
„Ich ... es-„
„Sei einfach still, ich möchte nichts von dir hören. Ich muss meine Nerven noch für andere Dinge aufsparen", unterbreche ich ihn und schmeiße ihn den Brief in den Schoß. Irritiert nimmt er diesen mit zitternden Fingern in die Hand und schaut ihn sich kurz an, ehe sein Blick wieder zu mir gleitet.
„Lies ihn. Wenn du ihn jemandem zeigst und irgendeiner Menschenseele von unserem Treffen erzählst, verbreitet sich deine tragische Vergangenheit mit deiner bereits toten Freundin Kizu schneller, als Feuer in einer Scheune, haben wir uns verstanden?", zische ich bedrohlich und komme dem Blonden gefährlich nahe.
Von seinem Mut und dem Selbstbewusstsein, den er als Staatsanwalt von Gotham normalerweise hat, fehlt jegliche Spur.
Grinsend richte ich mich wieder auf.
„Wenn du nicht das machst, was wir dir sagen oder einen einzigen und kleinen gefährlichen Schritt machst, bei dem du versucht, dich zu retten, schwöre ich dir, wirst du es bereuen", setze ich noch dazu und sehe wie er nickt.
„Ja!", meint er entschlossen und presst den Brief an sich. Zufrieden schmunzle ich und komme ihm noch näher, sodass er seine Augen weitet.
„Verzieh dich zur Seite, ich muss hier raus", meine ich und deute auf die Tür.
Als er endlich versteht, was ich meine, rutscht er blitzschnell zur Seite, sodass ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche fische und diesen in das Schlüsselloch dieser Tür stecke und ihn umdrehe. Diese geht mit einem Klick auf. Noch einmal drehe ich mich zu meinem werten Freund um und schaue ihn warnend an, während ich grinse.
„Ich fand diese naive Aktion von dir nicht witzig. Nicht ein bisschen."
Mit diesen Worten gehe ich aus dem Zimmer. Ich setze mich in Bewegung, da fällt mir aber plötzlich ein, dass ich meine Sonnenbrille und den Mundschutz vergessen habe, sodass ich mich schnell wieder umdrehe. Entdeckt zu werden, wäre äußerst unpraktisch, da bin ich mir sicher. Ich öffne erneut die Tür von Harveys Zimmer und sehe wie er sich erschrocken umdreht. Als er mich wieder entdeckt lässt er einen kleinen Schrei los, sodass ich mir die Ohren zuhalte. Hoffen wir mal, dass das niemand gehört hat.
„Schrei doch nicht so, du Volltrottel, ich bin bloß zurückgekommen, weil ich meine Sachen vergessen habe, also beruhig dich", sage ich genervt und laufe zu der Stelle, wo die besagten zwei Dinge gemeinsam mit der weißen Mütze liegen.
Diese streife ich mir über, ehe ich die Sonnenbrille aufziehe und den Mundschutz umlege. Gerade will ich wieder aus der Tür gehen, da kommt mir unglücklicherweise ein großer Mann mit einem blauen Poloshirt entgegen. Es sieht genau so aus wie meins, weshalb ich annehme, dass es sich um eine weitere Reinigungskraft handelt. Verdammt, das hat mir noch gefehlt. Dabei wollte ich unbemerkt bleiben und einfach wieder verschwinden.
„Mr Dent. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Ich habe jemanden schreien gehört. Aber wie ich sehe, ist bereits ein anderer Mitarbeiter hierher geeilt", sagt er und schaut uns zwei abwechselnd an.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Harvey den Brief nicht mehr in der Hand hält, sodass ich zufrieden lächeln muss. Wenigstens hat der Trottel den Brief versteckt, sodass es nichts gibt, worüber sich unser Besuch wundern müsste.
„Aber warum haben Sie denn eine Sonnenbrille an?", fragt er mich skeptisch, ohne auf Harveys Antwort auf seine vorherige Frag zu warten. Bei Mr Hive war es ziemlich einfach, denn dieser hat sofort angenommen, ich hätte eine harte Feier hinter mir und anschließend gelacht, was das Zeug hält. Dieser Mann jedoch hat einen eisernen Blick aufgesetzt und sieht nicht so aus, als würde er jemals lachen.
„Mir geht es gut, Jackson, danke der Nachfrage. Mr Park war bereits so freundlich und ist mir zur Hilfe geeilt. Ich bin bloß wegen einem Albtraum aufgewacht, Sie wissen doch, dass ich es zur Zeit schwer habe", sagt Harvey und versucht dabei glaubwürdig zu wirken.
Am liebsten würde ich laut loslachen, aber ich reiße mich zusammen und nicke.
„Genau. Ich war gerade dabei die Etage zu reinigen, da hörte ich wie Mr Dent geschrien hat und bin schnell hergekommen", bestätige ich und rücke meine Sonnenbrille zurecht. Der Mann vor uns - Jackson - nickt und scheint erleichtert zu sein.
„Da bin ich aber froh. Danke, Mr Park. Brauchen Sie noch etwas Mr Dent?"
Harvey schüttelt seinen Kopf und legt sich wieder in sein Bett.
„Nein, danke. Ich werde versuchen weiterzuschlafen, meine Herren."
Jackson nickt wieder und läuft voraus.
„Gute Nacht!", ruft er noch, während ich ihm hinterher laufe. Ich drehe mich noch einmal zu Harvey um und hebe meine Daumen in die Höhe hebe, sodass er mich bloß unglücklich anschaut. Ich schließe die Tür hinter mir.
„Sagen Sie, warum haben Sie eine Sonnenbrille an? Sie haben mir noch nicht geantwortet."
Ich zucke zusammen, als ich merke, wie nah Jackson bei mir steht und wie er mich intensiv mustert. Ich lasse einen unschuldigen Lacher los und zucke mit den Schultern.
„Hat Swag."
Mit diesen Worten drehe ich mich um, schnappe meinen Putzwagen und laufe zum Aufzug, ohne Jacksons Reaktion abzuwarten. Mit diesem Wagen fahre ich wieder runter zum Erdgeschoss und schlendere zur Abstellkammer. In dieser befinden sich noch glücklicherweise meine Klamotten, in die ich auch schnell schlüpfe.
„Endlich bin ich diese hässlichen Teile los", zische ich als ich das Poloshirt und die weiße Hose auf die Leiche lege, die ebenfalls noch daliegt. Das zeigt mir, dass noch niemand hier reingekommen ist, was auch logisch ist, da ich ja den Schlüssel habe, und diese tote Frau gefunden hat. Unauffällig verlasse ich die Putzkammer und flüchte anschließend grinsend aus dem Gebäude.
Mission erfolgreich erledigt.
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Two Identities [Joker FF]
FanfictionIn der Nacht eine Mörderin, am Tag eine unschuldige Schülerin und gleichzeitig die Sitznachbarin eines Psychopathen - das ist das Leben von Caylin Peters alias Theodora, die sich nach einer zufälligen Begegnung mit dem Joker zusammentut.