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Der rot Haarige wachte dort auf, wo er letztenendes eingeschlafen war: auf dem Küchenboden.
Gakkushu kam gerade durch die Haustür spaziert, einen Beutel auf den Schultern, der wahrscheinlich voller Bronze, wenn nicht sogar Silber war.

"Hör auf mit deiner erbärmlichen Visage den Boden zu beleidigen und steh auf Karma. Du kommst gleich mit in die Stadt einkaufen."

"Du bist doch schon groß Shú, geh selbst."

Keine Sekunde später befand sich das Messer des Rotblonden an der Stelle wo Karma gelegen hatte. Das alle auch gleich so über reagieren mussten war wirklich furchtbar, dachte der rot Haarige sich, während er, mittlerweile hellwach, versuchte, die Deckung seines Gegners zu zerstören.
Es endete damit, dass die Beiden mit einem Haufen neuer blauer Flecken (was dachten sich seine Eltern dabei eigentlich? Sie hätten wenigstens eine alte, am besten freundliche Dame her bestellen können, die kochen konnte, war das zuviel verlangt?) schließlich das Haus verließen und sich auf in die Stadt machten.

"Brauchen wir denn irgendwas bestimmtes?"

Heute war Samstag, in der, eher mittelalterlichen Stadt (eher ein Dorf, so wenig Leute gab es) wäre heute sicher Markttag.

"Es gibt da tatsächlich etwas, das ich haben will, aber auch sonst haben wir nichts zum Essen mehr, daher passt es ganz gut. Ist gestern irgendwas vorgefallen? Deine Augenringe sehen furchtbar aus."

Und wie was vorgefallen war. Aber Karma war irgendwie die Lust daran vergangenen, den anderen damit zu ärgern.

"Wie niedlich Shú, machst du dir etwa sorgen um mich? Dabei siehst du selbst doch genauso aus."

Fast rechnete der rot Haarige schon damit, einem Schlag ausweichen zu müssen, aber nichts dergleichen geschah.
Stattdessen verdunkelte sich Gakkushus Mine und er sah weg.
Seine Nacht musste ebenfalls "interessant" gewesen sein.

Den Rest des Weges schwiegen sich die Beiden an, tauschten nicht einmal beim Einkaufen der verschiedensten Dinge (darunter eine Packung Schlaftabletten) ein Wort aus. Der Rotblonde war so tief in Gedanken versunken, dass ihm nicht einmal auffiel, wie er ohne die zwei Beutel zur Tür hinaus spazierte. Karma schnappte sich diese und rannte ihm hinterher, hätte selbst dabei einen Passanten (eine alte, freundlich aussehende Dame, als würde ihm das Schicksal ins Gesicht spucken wollen) fast umgerannt.

"Hast du mich etwa bloß mitgenommen um einen Packesel zu haben? Trag deinen Teil gefälligst selbst."

"Tu ich ja gleich, warte noch kurz."

Eine Apotheke. Auch dort besorgte sich sein Stiefbruder Schlaftabletten, gleich zwei Packungen.
Dann nahm er seinen Beutel und es ging genauso schweigsam zurück wie zuvor. Karma, der gerade eh nichts besseres zu tun hatte, sah sich etwas um, beobachtete die Umgebung. Die großen Häuser, die die Straßen zu Gassen machten, sahen aus, als wären sie über 1000 Jahre alt. Genau wie die Bäume an denen sie vorbei kamen, der Fluss an ihrem Weg; ja selbst der Weg auf dem sie gingen sah alt aus. Der rot Haarige sah den Hügel hoch, tiefer in den Wald hinein.

Hier irgendwo war doch die Stelle an der sie Beide fast ihr Leben verloren hätten. Mensch hatte er damals Angst gehabt, daran konnte er sich heute schon kaum noch erinnern...

Wieder Zuhause räumten die Beiden die Beutel aus, dann verschwand Gakkushu zusammen mit seinen Tabletten nach oben, wahrscheinlich um den Schlaf von Gestern nachzuholen.

Sollte er vielleicht auch tun. Aber schlafen war langweilig und so müde war er nicht. Also beschloss er, wieder raus zu gehen und sein altes Haus zu besuchen.
Nach ihrem Umzug hatte seine Mutter das Haus verkauft, aber noch waren die neuen Besitzer wohl nicht eingezogen, deshalb fühlte es sich auch nicht wie Einbruch an, durch ein offenes Fenster zu steigen und in sein altes Zimmer zu gehen.

Hier war in den letzten 16 Jahren so viel geschehen, dass die nächsten Bewohner Karma fast leid taten, denn sollten sie all diese Geschichten je erfahren, wären sie für den Rest ihres Lebens verstört.

Ein lautes Geräusch unten in der Küche ließ Karma von seinem alten Bett aufspringen und runter sprinten, bereit, jeden anderen Einbrecher sofort zusammenzuschlagen. Aber es war lediglich eine weiße Katze, die es geschafft hatte ein Glas umzuschmeißen und nun ziemlich schuldbewusst zu diesem hinab sah.
"Miau."

"Ja, da hast du recht. Das Teil ist definitiv hin."

"..."

"Schau nicht so. Meine Schuld war das nicht."

"Miau."
Aus purer Neugierde (und weil sie ihm irgendwie ganz sympathisch war) streckte Karma der Katze seine Hand entgegen, sah zu wie sie daran schnüffelte, und sich anschließend tatsächlich von ihm streicheln ließ.

"Braves Vieh."

"..."

Als der rot Haarige sein Interesse an dem Tier verloren hatte, stieg er zurück in den Garten, sprang über die Mauer und fing an ein Stück zu sprinten.
Ob er es in diesem Tempo bis zu sich schaffen würde, ohne die Puste zu verlieren? Wie spät war es überhaupt? Nicht, dass er noch seinen Boten verpasste, denn zumindest die Blonde würde einfach zurück gehen und berichten er habe es sich anders überlegt und wolle nun nie mehr was mit Nagisa zu tun haben.
Doch es war grade mal 7, als er im Wohnzimmer auf die Uhr sah. Noch zwei Stunden, die er irgendwie tot zu schlagen hatte.
Gakkushú saß in einem der vier Sessel und trank Kaffee, pünktlich zur Dämmerung. "Wo warst du?"

"Besorgt?"

"Um die Menschen denen du womöglich begegnet bist. Was hast du angestellt?"

Auch Karma ließ sich in einen Sessel fallen, legte die Füße auf den Tisch.

"Ich war bei unserem alten Familienhaus. Keine Menschenseele ist mir über den Weg gelaufen, abgesehen von einer streunenden Katze."

Was komisch war, denn normalerweise waren da mindestens zwei Leute, die man beim Rausgehen traf, oder zumindest das Gebrüll von irgendwelchen Kindern, die dabei waren sich zu prügeln, oder mit irgendwas zu bewerfen - so totenstill wie heute war es noch nie gewesen.

"Aber das Verhör geht nicht nur in eine Richtung: warum sahst du heute so aus wie zwei mal überfahren und anschließend mit Kuhscheiße beworfen?"

"Ich wüsste wirklich nicht was es dich anginge, aber auf der Feier gab es einen Zwischenfall mit Vampiren, welche sich irgendwie Zugang zum Saal verschafft haben. Einige hab ich erledigen können, viele sind wieder entkommen, fast genauso viele haben die Party Gäste angegriffen. Diese Monster werden immer dreister, sich sogar auf solche Feste zu schleichen. Sie hätten fast jemanden komplett ausgesaugt. Dazu kommt noch, dass eine von denen so aussah wie die Vampirin damals."

Der Rotblonde nahm noch einen Schluck aus der Tasse, aber es war schon zu spät.
Karma hatte gesehen wie seine Hände angefangen hatten zu zittern, als er die Lady erwähnt hatte. Er hatte also immer noch Angst vor dieser Erinnerung.
Dann waren die Tabletten also...

"Du hast wieder Albträume, oder?"

"Kümmre dich um deinen Kram, und geh duschen, du stinkst."

"Aber aber Shú, du musst keine Angst vor der großen bösen Vampirin haben, dein großer Bruder ist doch da~"

Er fing die Tasse gerade noch auf bevor sie ihn traf und verbrannte sich höllisch am Kaffee, welcher dabei über seine Hand kippte.

Den Rest der schwarzen Flüssigkeit trinkend verzog sich der rot Haarige lachend im Badezimmer. Es stimmte. Obwohl sie gleich groß waren, war er älter, wenn auch nur 11 Tage.
Nun sollte er aber wirklich duschen gehen, er stank viel zu stark nach Katze.

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