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Es war ein sonniger Tag gewesen.
Sonnig genug um die weißen Blumen, die den Weg zierten, aussehen zu lassen wie frisch gefallenen Schnee.
Sie hatten heute früher Schluss gehabt als sonst, Gakkushú meinte, er würde heute in die Stadt wollen, er solle ohne ihn nach Hause gehen. Seine Schar aus Freunden hatte ihn gackernd begleitet, jeder der Jungs um seine Aufmerksamkeit bemüht. Aber das war Karma sowie egal, Freunde brauchte er eh nicht. Und in die Stadt konnte er auch ganz alleine gehen!
Das tat er auch, immer mit genügend Abstand zu den anderen, damit auch niemand auf die Idee kommen könnte, er würde zu denen gehören. Schnell hatte er seine Schlechte Laune vergessen, erfreute sich an all den neuen Dingen, die man nur in der Woche zu Gesicht bekam.
Er hatte Shú's Gruppe irgendwann verloren, war zu sehr auf seine gestohlene Zuckerwatte fixiert. Der Händler hatte ihn bis zum Stadtende verfolgt, ihn zum Stand zurück geschliffen. Prügel hatte es keinen gegeben, (welch sonderbarer Mann das doch war, einen Dieb so harmlos davon kommen zu lassen) nur einen Haufen an Arbeit, um draus zu lernen. Die bestand darin, Wasser vom großem Brunnen zu holen, dieses hinterm Stand in viele kleine Becher zu füllen und diese dann, zusammen mit jeder gekauften Ware, an einen Kunden zu verteilen.
Obwohl sich zahlreiche Gelegenheiten boten, das Weite zu suchen, ging er seinen aufgetragenen Arbeiten nach, verbrachte seinen ganzen Nachmittag damit. Gerade machte er Pause, sah auf all das eingenommene Geld in der Schüssel vor ihm. Viel mehr als er je in der Hand gehabt hatte. Mit so viel Geld könnte er sich sicher was ganz schönes kaufen, einen neuen Ball vielleicht! Dann würde Shú ihn nicht mehr damit hänseln können, dass er arm war. Die Zuckerwatte noch im Mund, fing der kleine Junge an, sich umzuschauen. Der sonderbare Mann, unterhielt sich 15 m weiter weg mit einer Frau, schien völlig woanders zu sein. Seine Hand wanderte zur Schüssel, ließ eine Münze nach der anderen in die Schultasche gleiten, bis nichts mehr übrig war. Ein weiterer Blick zum Mann. Ein Schritt nach hinten. Karma drehte sich vorsichtig um, verschwand in der Menge, rannte davon. Diesmal wurde er nicht verfolgt. Im Licht der untergehenden Sonne, wirkte sein Haar nicht mehr auffällig, war er plötzlich doch nur noch eine der vielen Gestalten in der Menge.
Am Ende der Straße, sah er sich nochmals um. Er hatte es wirklich geschafft, ab hier würde ihn niemand mehr fangen können!
Der holprige, kaum sichtbare Weg, erschien ihm erst dann etwas unheimlich, als er realisierte, dass er noch nie alleine hier gewesen war. Wenn ihm jetzt irgendwas zustoßen würde, würde niemand wissen was passiert war. Und wenn schon, es hatte ihn eh noch nie jemand angegriffen, auch nicht mit Shú gemeinsam, also würde heute auch nichts passieren. Selbst wenn, er hatte ein Messer! Damit würde er jeden Vampir erledigen, der ihn angreifen wollte!
Er fing trotzdem an zu rennen, wurde sich der Dunkelheit mit jedem Schritt mehr und mehr bewusst. Seine Mutter würde sich Sorgen machen. Was, wenn Shú schon längst Zuhause war, erklären würde, dass er keine Ahnung hätte wo er war? Karma wurde noch schneller, konnte kurz darauf nicht mehr. Er hatte eine Taschenlampe mit, (ein Geschenk von Mr. Asano) aber die anzumachen könnte gefährlich werden. Solange er noch was sehen konnte, sollte er sie nicht einsetzten.
Und eigentlich, bemerkte er, als er sich weiter im Wald umsah, war er gar nicht so schlimm im Dunklen. Dort flogen Glühwürmchen umher, eine Nachtigall zwitscherte ihr Lied, Zikaden zirpten.
Schön. Es war einfach nur schön, friedlich und ruhig.
Keine Menschen die ihn böse, enttäuscht oder müde ansahen.
Noch während er ging, wünschte er sich, der Weg würde länger dauern.
Dann sprang plötzlich Gakkushú aus dem Gebüsch rechts zu ihm, rannte weiter, ohne ihn gesehen zu haben. Hinter ihm her rasend, ihn ebenfalls nicht wahrnehmend, kam... der Mann vom Süßwaren-stand.
Was war geschehen? Warum verfolgte er den Rotblonden? Hatte er auch Zuckerwatte gestohlen?
Oder wurden sie im schwachen Licht wieder verwechselt, glaubte der Mann, er würde den Dieb jagen?
Seufzend rannte Karma ihnen hinterher, hatte überhaupt keine Lust auf Prügel, wenn er eigentlich davon gekommen wäre.
Aber der Mann würde, sobald er realisiert hatte, dass sein Geld nicht da war, erst seine Wut ablassen, ehe er merkte dass es der falsche Junge war.
Shú würde ihn sicher noch Tage danach damit aufziehen.
Shú war echt blöd.
Trotzdem nicht blöd genug um seinen Prügel einzustecken.
Er rannte weiter, hatte den Mann fast eingeholt, rief nach ihm. Aber er beachtete ihn nicht, schien geradezu besessen von seinem Freund zu sein.
Immer war jeder nur besessen von Gakkushú. Warum waren alle bessessen von Gakkushú?!
Plötzlich kam der Mann zu halt, hatte den Rotblonden wohl endlich erwischt.
Er hob ihn am Kragen hoch, fing an zu lachen, als Karma sie erreichte.

"Tut mir leid, dass ich ihr Geld gestohlen habe! Ich mache es nie wieder! Aber sie haben gerade den falschen! Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid!"

Es tat ihm nicht wirklich leid. Aber der Mann war nett zu ihm gewesenen, hatte es ohnehin nicht verdient, ausgeraubt zu werden.
"Karma?", flüsterte Shú benommen, schüttelte dann energisch den Kopf.

"Verschwinde hier, dass da ist kein Mensch!"
Er versuchte mit seinem Messer auf ihn einzustechen, traf daneben. Sofort warf der rot Haarige seine Tasche beiseite, zog sein eigenes Messer. Er würde ihm helfen!
Der blauhaarige Mann löste sich auf, wurde zu einem funkelnden Haufen Staub
Weder er, noch Gakkushú hatten ihn getroffen.
Und kurz darauf ertönte das schönste, und grausamste Lachen, dass er je gehört hatte.

Der rot Haarige erwachte schweißgebadet auf einem roten Teppich. Nagisa kniete neben ihm, half ihm dabei sich aufzusetzen. Er schlug ihre Hand weg, suchte nach seinem Messer. Erst als er es zusammengeklappt in der Tasche seiner Uniform fand, sich umsah, das Klassenzimmer wahrnahm, beruhigte er sich. Das hier war Nagisa. Nicht irgendein Vampir der, als Mensch getarnt kleine Kinder umbrachte.
Es hatte sich später herausgestellt, dass schon eine ganze Weile Kinder aus der Gegend verschwanden, tot im Wald aufgefunden wurden. Shú wäre das 13 Opfer gewesen.
Warum er vom blau Haarigen nicht sofort weggeführt und umgebracht wurde, blieb ihm bis heute ein Rätsel. Vielleicht, weil sein Blut eh zu widerlich war? Wollte er ihn zum Haustier machen? (Zumindest auf ihn, hatte er freundlich gewirkt) Er hatte keine Ahnung, es war ihm auch egal - schließlich war der Mann nun tot.
Andererseits sollte die Lady, das auch sein. Ein Haufen aus Diamanten, gut und sicher verstaut im Keller ihres (Asanos) Hauses.
Erneut versuchte Nagisa nach seiner Hand zu greifen, traf dieses Mal auf keinen Widerstand.

"Du bist wach! Keine Sorge, dein Bruder ist hier, er schläft, also lass dir Zeit. Bis morgen kommen wir hier sowieso nicht weg."

Sie fragte nicht, was passiert war. Tat sie das nicht, um ihn zu schonen, oder weil sie es bereits wusste?
Hatte die Lady ihn wieder einfach weggeschmissen? Aber diesmal war sie doch wegen ihm dort gewesen, nicht wegen Gakkushú.

"Was ist... geschehen? Wo hast du mich gefunden?"

Er zweifelte nicht einen Moment daran, dass sie es war, die ihn gefunden hatte.
Die Lady, war gekommen, soviel stand fest. Sie hatte ihn gebissen, auch dass wusste er noch. Nachdem was er getan hatte (er war mehr oder weniger verantwortlich für ihren "Tot") wäre es merkwürdig, hätte sie mitten in ihrer Drohung innegehalten. Hatte Nagisa ihn gerettet?

"Nichts für ungut Karma. Aber wäre ich die Person die dich gerettet hätte, hätte ich meine Schuld damit beglichen und dich in Ketten zu meinem neuen Zuhause geführt."

Isogai, in bester Laune, war neben ihm aufgetaucht, genoss den Fakt, dass er sich nicht wehren konnte als er ihm seinen Arm um die Schultern legte. (Seine Haare waren anders. Jemand hatte versucht sie herauszureißen. Er musste dem armen Mädchen wirklich auf die Nerven gegangen sein.)
Hatte er laut gesprochen? Während Nagisa dem Vampir kühl (mit hochrotem Kopf) befahl zurück zu gehen, sah er sich etwas genauer um. Alle Tische und Stühle wurden beiseite geräumt, hatten Platz für den riesigen Teppich gemacht. So wie gestern auch schon.

"Bitte entschuldige seine Unverschämtheit. Du lagst am Boden, nicht weit vom Gebäude entfernt. Ich hab dich hier her gebracht - was ist passiert? Wurdest du angegriffen?"

Er fasste sich an die Kehle, fühlte nichts. Hatte Nagisa seine Wunde bereits geheilt?
Aber die blau Haarige schüttelte den Kopf, (er dachte wirklich laut nach) meinte, da wäre nichts gewesen.
Itona miaute, kuschelte sich mehr und mehr in Gakkushús Schoß. Der Junge sah noch blasser aus als sonst, saß neben einer völlig bewegungslosen Rió. Die ganze Wut auf sie, schien wie weggeblasen, doch dass konnte auch auf seine Müdigkeit zurück zu führen sein. Er wollte aufstehen, klappte gleich wieder zusammen. Lag das am Blutverlust oder nur weil er gerade noch gelegen hatte?

"Du hast sie gefunden?"

"Uns gefunden, die Blonde zur Schnecke gemacht, sich den Weg zurück hier her entschuldigt und uns dann hier bei dem Verrückten und Itona zurückgelassen.
Und du? Zwischenzeitlich beinahe gestorben, Karma?"

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