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Rió hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Sie wollte unbedingt endlich sprechen! Aber kaum war der rot Haarige zurück, galt seine Aufmerksamkeit seinem Bruder, er ignorierte sie völlig. Der Versuch mit Nagisa zu sprechen (nicht, dass sie wirklich was dagegen sagen würde - einer der Beiden auf dem Thron hieß schließlich, Karma entweder öfter zu sehen oder für immer da zu behalten - aber vielleicht würde Karma so eher zuhören), wurde von der Rede des Vampirs (sie hatte das Gefühl, ihn zu kennen, was wahrscheinlich hieß, dass er genauso war wie - diese Frau.) unterbrochen, als dieser sich verbeugte und sie in den Palast des Königs einlud.

Zugegeben störte sie das nicht, sie wollte sofort weitersprechen, am Besten noch in die Worte des Boten hinein, aber er war schneller, hatte seine Hand auf die Schulter des Jägers gelegt, warf ihr einen schnellen Blick zu, ehe er dem Messer auswich, entspannt, als wäre es nur eine Nadel, nervig, aber ungefährlich.

"Aber aber, hast du mir nicht zugehört? Ich bin gerade das Einzige, das die Schatten davon abhält auf euch los zu gehen, sich auf euch zu stürzen wie ausgehungerte Hunde. Oder willst du die anderen unnötig in Gefahr bringen, Karma?"

Eine sanfte Stimme, die keinen Grund hatte sich zu verstellen. Er gehörte definitiv zu Irina. Der rot Haarige ließ, anscheinend überzeugt, sein Messer sinken, sah weg. Warum schüttelte er die Hand nicht ab? Warum schüttelte er die verdammte Hand nicht ab?!

"Das Schloss meiner Königin befindet sich gleich da vorne, kein Grund, gleich dorthin zu stürmen, wir haben Zeit."

Dann, zum Rotblonden, der sein Bestes gab, auf seinen eigenen Beinen zu stehen, den Vampir neben sich zu ignorieren: "Alles in Ordnung, eure Hoheit? Ihr seht blass aus. Muss man euch tragen?"

"Gewiss nicht. Uns nicht derartig spät zu empfangen, wäre Dienst genug gewesen."

Waren das seine Worte? Wahrscheinlich nicht. Eine weitere Verbeugung.

"Die Zeitverschiebung hat bereits ihren extremsten Punkt erreicht, verzeiht. Als ich mich aufgemacht habe, sind erst wenige Minuten vergangen. Aber nun seid ihr hier, nach der Hochzeit sollte sich die Zeit wieder beruhigen. Nun kommt, kommt, bis wir am Palast angekommen sind, ist es schon wieder morgen. Gepäck, euer Mitbringsel aus der Wüstenstaat, es wird alles dorthin gebracht. Kommt, kommt!"

Der blau Haarige begann zu gehen, ließ den Jäger immer noch nicht los. Shú, von der Manipulation geleitet, setzte sich ebenfalls in Bewegung, warf ihr einen Blick zu. 'Worauf wartest du? Beeile dich.'

"Warum nennst du ihn Prinz? Sein Vater ist-"

"Ein Mensch, natürlich. Und was für einer, ich bin vor Angst schon richtig erzittert, als ich ihn vom weiten gesehen habe! Prinz Gakkushús Mutter ist unsere Königin, Karma. Wusstest du das nicht?"

~...~

Seine Hand zuckte, wollte erneut mit dem Messer zu stechen. Er wollte, wollte so sehr. Er würde die anderen in Gefahr bringen. Er ließ es sein.

"Das kann nicht stimmen. Lady Irina war schon oft in Unterland, wir hätten es gespürt wenn sie eine Königin gewesen wäre. Wie sollte das möglich sein?"

Isogai, noch immer nah am Rotblonden, bereit sofort zu handeln, klang zweifelnd, konnte den Worten nicht glauben. Karma ebensowenig, aber aus völlig anderen Gründen.

"Wenn diese Stadt eine Königin hat, warum musste die Königin von Unterland dann den ganzen Weg hierher reisen? Warum würden uns die Bewohner der Stadt angreifen?!"

Er wollte sich kurz darauf selbst schlagen. Er hatte gerade erfahren, dass die Frau, die das Leben von ihm zerstört hatte, ihr beider Leben zerstört hatte, die Königin dieser Stadt war, sie ihr gerade in die Hände liefen. Er hätte sich selbst hassen sollen, sofort darum beten sollen, weg zu können, zumindest den Anderen wegbringen zu können. Der blau Haarige lächelte, verstärkte seinen Griff etwas. Es tat weh.

"Hast du nicht zugehört? Nun, dass hast du nie gemacht. Prinz Gakkushú soll Königin Nagisa heiraten und zum König von Anderland gekrönt werden. Nun kommt, der Tag brich-"

"Verarsch mich nicht!"

Er war wütend. Er wollte zustechen, auf die Konsequenzen pfeifend - was wären schon hundert dieser Staub-Monster im Vergleich zu ihr? - aber sein Messer wurde zur Seite geschlagen als wäre es nichts, landete leise auf dem dreckigen Boden. Es störte ihn weniger als es hätte sollen, er ignorierte den Verlust, wollte sich mit bloßen Händen auf den anderen stürzen (mit den Augen hätte er angefangen), wurde sofort festgehalten,  zum Vampir hingezogen, an der Kehle festgehalten, gewürgt.

Es war viel zu schnell gegangen, als das er es mitbekommen hätte, deshalb war er im ersten Moment zu verwirrt um sich zu rühren. Im nächsten spürte er einen gewaltigen Schmerz am Hinterkopf, ihm wurde schwarz vor Augen.

~...~

Summend, als wäre er nicht von königlichen Vampiren umzingelt die bereit waren ihn sofort umzubringen, warf der blau Haarige den Menschen über seine Schulter (eine Hand noch immer an dessen Kehle), lächelte ihnen zu.

"Da die Förmlichkeiten nun hinter uns liegen, kommt. Mein Prinz, eure Mutter erwartet euch schon sehnlichst, mit euch über die kommende Hochzeit zu sprechen, war schon lange ihr Wunsch."

Das glaub ich.
Er sah zur blau Haarigen hinüber, nur ganz kurz, den Bruchteil eines Augenblicks. Eine Bestie mit Mordlust in den Augen, zurückgehalten von einer unsichtbaren, roten Leine.

"Lass ihn runter. Sofort!"

Ihre Stimme schnitt durch ihn hindurch wie sein eigenes Messer, er hatte das Bedürfnis weg zu sehen (seine Manipulation ließ ihn nicht). Die Vampire neben ihm erstarrten, lahm gelegt durch den Befehl, dem sie nicht Folge leisten konnten.

Doch was auch immer es war, es wirkte nicht beim blau Haarigen, fand lediglich Lachen als Antwort. Gefährlich. Wahnsinnig.

"Natürlich, sobald wir im Palast angekommen sind. Ich frage mich, wie der ehemalige König auf euch reagieren wird?"

Dann, als hätte er sich gerade an was erinnert, wandte er sich an die Vampirin neben ihm, lächelte ein Stück breiter.
Er wollte weg hier. Er hatte Angst, er wollte weg!
Seine Erinnerungen aus der Kindheit, waren direkt vor ihm, deutlich und klar. Er rührte sich nicht, wartete.

"Rió-lein, ich hab gerade leider keine Hand frei, deshalb kommst du dieses Mal davon. Verschwinde hier, du wirst nicht gebraucht."

"Ich werde dich langsam töten, Junge. Dabei... kenn ich den Geruch nicht?"
Er trat einen Schritt vor (wurde von Isogai sofort zurückgezogen), lenkte die Aufmerksamkeit des Vampirs auf sich.

"Sie ist mit mir hier. Sie geht nirgendwo hin."

"Huh? Noch nicht mal verheiratet und schon willst du eine Geliebte haben? Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, treu zu sein?"

"Ja, der Geruch ist mir sogar sehr vertraut. Was das wohl zu bedeuten hat?"

"Hör auf mich zum Lachen bringen zu wollen."

Was für ein Witz, Angst zu haben. Schließlich war das nur eins von vielen Monstern aus seiner Vergangenheit, das genauso enden würde wie der Rest. Der Vampir neigte den Kopf, akzeptierte den Befehl, umfasste das Genick seiner Geisel etwas fester.

"Nun denn, wollen wir gehen?"

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