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Als sie durch das Hotelportal (welches eine der neusten Erfindungen der Insel war, unter strenger Bewachung der Vampire stand) in die Dimension gesprungen waren, in welcher sich das Kartenteil befand, hätten ihre anderen Versionen alles sein können, überall sein können. Also wie groß war bitte die Wahrscheinlichkeit dass sie ausgerechnet ihm über den Weg laufen musste?

Nagisa hatte auch so schon genug damit zu tun, die Kontrolle nicht zu verlieren, und das bei ihrem Freund!
Bei einer exakten Kopie seines Ich's, mit genau demselben Blut, bei dem es keine Konsequenzen gegeben hätte, wenn er mit zurück genommen, zu ihrem Haustier gemacht wurde, war das Zurückhalten geradezu unmöglich!

Hätte sie gewusst, dass sie Karma hier in dieser Dimension tatsächlich begegnen würde, hätte sie der menschlichen Version von Isogai niemals versprochen, ihnen nichts zu tun.

Aber nun hatte sie es bereits Versprochen, sich ihren eigenen Weg zum Glück (Karma würde nicht mehr lange bei ihr bleiben, früher oder später würden sich ihre Wege trennen. Eine Kopie von ihm zu behalten, hätte alles gelöst!) blockiert. Natürlich, hatte der braun Haarige bereits erwähnt, könnte sie sich auch einfach nicht an ihr Wort halten. Aber sie war noch immer eine Königin (und sie musste einigen noch beibringen, dass dieses Wort anders als Prinzessin ausgesprochen wurde), hatte als solche einen gewissen Stolz. Und Karma war dabei gewesen, als sie ihr Versprechen gegeben hatte. Wenn sie dieses nun brach, könnte er vielleicht glauben, dass sie ihm die ganze Zeit über bloß was vorgespielt hatte und sie wollte sein, ohnehin schon angeschlagenes Vertrauen zu ihr, nicht noch weiter zerbröseln.
(Er gab zwar sein Bestes um es zu unterdrücken, aber ihr war die Angst, die in den letzten zwei Tagen immer stärker geworden war und immer öfter von ihm auszugehen schien, durchaus bewusst.)
Die blau Haarige seufzte, legte ihren Kopf auf den Tisch vor ihr.
Warum war bitteres Blut nur so anziehend?
Sie hatte Kayano, welcher gerade (so wie sie alle) neben seiner menschlichen Version saß, immer noch nicht gefragt.
Auch nicht, von wo diese Bitterkeit überhaupt stammte.

"Nagisa-san, konzentriere dich bitte."

Die blau Haarige nahm sich zusammen, setzte sich wieder hin.
Warum auch immer das gelbe Wesen (welches darauf bestand, dass sie es Koro-Sensei nannten) sie für den heutigen Tag mit im Unterricht haben wollte, würde ihr ein Rätsel bleiben.
Vor allem, weil der Unterricht hier, ihnen in ihrer Welt überhaupt nicht von nutzen sein würde.
Die Geschichte dieser Dimension war eine ganz andere, die mathematischen Grundlagen waren anders, selbst der Unterricht war merkwürdiger gestaltet.
Nebenbei versuchten die Schüler (ihre menschliche Version mit eingeschlossen) immer wieder ihren Lehrer zu ermorden.
Gut, dachte sie sich, vielleicht gehört diese Behandlung einfach mit in diese Welt dazu.
Bis Koro-Sensei ihr eine Waffe in die Hand drückte, sie ermutigte, es ebenfalls einmal zu schaffen.
Sie war furchtbar im Zielen.
Aber welche Zielperson würde auch schon seinen Angreifer ermutigen? Waren das vielleicht nur Spielzeug Kugeln? War Koro-Sensei vielleicht bloß ein Dämon, dem es Spaß machte mit Menschen zu spielen?

Ein Junge mit braun/blonden Haaren, von dem sie sich sicher war, dass er in ihrer Welt ein Palastangestellter war, (Richtig, das musste die jüngere Version von Teresaka sein!) kam nach dem Unterricht zu ihr, machte sich auf ihrem Tisch breit.

"Du bist also die weibliche Version von Nagisa? Soll das vielleicht ein schlechter Scherz sein?!"

"Terasaka-kun, lass sie in Ruhe. Es ist nicht schlimm. Ist ja nicht so, als ob sie es sich ausgesucht hätte."

Der blau Haarige klang seltsam traurig, als er seine Sachen verstaute und den Raum verließ.
Nagisa warf ihren Kameraden einen Blick zu. Kayano und Itona hatten gerade Spaß daran, ihre anderen Ich's kennenzulernen (was diese überhaupt nicht lustig fanden. Itona war in dieser Welt wohl ein Junge, Kayano ein Mädchen.), Karma lachte gerade mit seiner Kopie, winkte ihr zu als er ihren Blick bemerkte, und Isogai starrte die ganze Zeit fasziniert auf ein blondes Mädchen, welches die Haare mit einer Spange zusammengesteckt hatte und ziemlich genervt zurück sah. Der menschliche Isogai stand daneben, lächelte dem Mädchen entschuldigend zu.
Im Allgemeinen gab es nichts, was dagegen sprach, den Raum zu verlassen.
Außerdem, je mehr Platz sie zwischen sich und dem rothaarigen Menschen schaffte, desto besser.
Also sprang Nagisa auf, rannte ihrem Ich hinterher und zog es mit sich (Fragen und Proteste ignorierend, wie es sich für Jemanden königlichen Blutes gehörte) auf's Dach.
(Schien wohl ein guter Ort zu sein, um über bittere Erinnerungen zu sprechen. Ob Karma das mit jedem machte, der traurig war?)

"Waaas- Was soll das?! Was willst du von mir?"

"Tja, was ich Fragen will?"

Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie ließ die Hand des Jungen (stolz darauf keine Abdrücke hinterlassen zu haben) los, lehnte sich zurück.

"Weist du, eigentlich hätte ich nicht erwartet, ausgerechnet mir selbst beim Dimensionswechsel zu begegnen. Immerhin steht die aktuelle Wahrscheinlich dafür unter Null."

Zumindest stand sie in ihrer Dimension unter Null. Diese Theorie musste überprüft und geändert werden. Komplett.

"Und selbst jetzt, hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust, mit dir zu reden."

"Sehr freundlich."

"Schweig."

Falsch Nagisa, ganz falsch. Du hast es immer gehasst, wenn Mutter so mit dir gesprochen hat.
Aber immerhin hielt ihre menschliche Version nun die Klappe. (Auch wenn das Blut nun durch seine Adern pulsierte, als hätte er einen Sprint gegen einen Vampir angelegt. Sie musste wirklich lernen mit Menschen zu sprechen, so schwer konnte es wohl nicht sein. Sie war bis vor kurzem doch selbst einer gewesen!)
Nagisa seufzte, fuhr fort.

"Entschuldige, du kannst wieder sprechen. Aber unterbrich mich nicht."

"Verstanden."

Ja, ja, dass bin ich.
"Wo war ich? Richtig, ich hatte wirklich keine Lust mit dir zu reden. Weil du ein Junge bist. Und mein ganzes Leben wäre viel einfacher gewesen wenn - warum starrst du denn so?!"

Es passte nicht. Sie wollte erzählen, wie schlecht es ihr ergangen war, wie furchtbar sich alles entwickelt hatte, über ihre Hochzeit, die sie nicht haben wollte - warum sah der blau Haarige sie an, als würde er sie am Liebsten vom Dach stoßen?!

"...Ist das... dein Ernst?"

~...~

"Und ihr seid wirklich Stiefgeschwister bei euch in der Dimension? Der Vorstandsvorsitzende ist mit meiner Mutter verheiratet?"

Der rot Haarige nickte, war erstaunt wie sich bereits eine Gruppe von Leuten um sie herum gebildet hatte (Chiba war anscheinend nicht der sadistische Herr von allen, nur ihr Mitschüler. Isogai schenkte diesem aber kaum Beachtung, hatte seine Augen auf einem Mädchen liegen.), während er weiter von seiner Welt erzählt hatte.
Vor allem war er überrascht wie gut Karma in dieser Welt Rió auskam.
Die beiden schienen ja geradezu ein Paar zu sein! (Was offenbar nicht stimmte, sie hatten ihn bei dieser Vermutung lauthals ausgelacht)

"Man ist das schräg. Und Nagisa soll irgend'nen Typen heiraten, der so alt wie ihre Mutter ist? Und die Tante hat kein Problem damit?" Die Kopie von Sugino (er hieß doch so, oder?) hatte noch immer seinen Baseball, den er immer hoch warf.

"Sie war es, die das ganze Spektakel in Gang gebracht hat."

Karma merkte, wie bitter sein Ton klang, überspielte es mit einem gelangweilten Blick. Er war noch nie ein Typ der großen Mengen gewesen, obgleich er Aufmerksamkeit gewohnt war. Die goldenen Augen seines Gegenübers funkelten wissend, er stand auf.

"Lust, die erbärmliche Version deines Bruders zu sehen?

Und Unterricht? Warte, Unterricht?! Ja, ja das bin ich.

"Klar."

~...~

"...Wo zum Teufel sind wir hier, Rió?"

"Nicht da, wo wir hin wollten, mein Prinz. Aber keine Sorge, sicher hat meine Schwester das so geplant. Sonst wären wir schon längst vom magischen Brunnen zerfetzt worden."

Die Blonde grinste ihm entgegen, reichte ihm die Hand, eine Verbeugung andeutend. Ihre Augen hatten ein vertrautes Funkeln in sich, das er absolut verabscheute.

"Und? Werdet ihr mit mir kommen ohne Widerspruch zu leisten?"

"Fahr zur Hölle Blutsauger. Und nimm deine ganze Familie gleich mit."

Wütend nahm er die Hand an, unterdrückte den Drang, in sie hineinzubeißen. Da neben ihnen, auf der anderen Straßenseite, ging ein rotblonder Junge vorbei, der ihm seltsam bekannt vorkam.

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