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Dieser Ort war wirklich absolut farblos. Egal durch wie viele Gassen er Nagisa auch zog, es wurde einfach nicht bunt. Weder die Wände, noch der Boden, noch der Himmel, alles war grau. Selbst die Haare und Gesichter der Bewohner wirkten grau, dabei hatten sie noch die meisten Farben.

Hieß nicht, dass er sein Versprechen in eines der Häuser hinein zu gehen verwarf, ganz im Gegenteil - leider aber befand sich nie jemand da, wenn er durch die Tür spazierte, als wäre er dort Zuhause. (Die Türen waren nicht mal abgeschlossen; wahrscheinlich weil die Vampire nicht ohne Erlaubnis rein durften und Dämonen nicht von einem Schloss aufgehalten werden konnten. Türen nicht zu verschließen versicherte, dass die Tür zumindest heile blieb.)

Menschen hatte er hier keine gesehen, aber das musste nichts heißen. Anderland, die Stadt des Dämonenkönigs war von den drei Städten wahrscheinlich die zurückgebliebenste von allen - trotz der Teleportation rein und raus. Von wo hatten die überhaupt so viele graue Steine für alles? Oder grauen Stoff? Karma zog Nagisa ins nächste, letzte Haus in der Gasse, blieb im Eingang stehen wie zugefroren.

Was war das für ein Gefühl in ihm? Es war nur eine Sekunde da, sofort wieder weg.
Sie gingen ins Haus hinein, das genau so grau war, wie die anderen zuvor. Möbel, Wände, selbst die Fenster wirkten grau. Auf dem Tisch im Mittelpunkt des zweiten Raumes stand eine Vase, leer und trostlos. Auch hier keine Spur von Bewohnern. Wo waren alle bloß?

"Ich hab mich satt gesehen. Lass uns zurück zu den Anderen gehen, Nagisa."

Ein gutes hatte diese träge Hintergrundkulisse schon: die blau Haarige schien vor Schönheit gerade so zu strahlen, stach hervor wie eine einzigartige Blume.

Sie nickte, (für einen kleinen Moment hatte Karma geglaubt Enttäuschung in ihrem Gesicht zu sehen) sah sich ebenfalls im Raum um. Er wirkte kein bisschen vertraut, wirklich nicht und wie sollte er auch - trotzdem, die Frage, was das bedeutete, blieb.

Nagisa schmiegte sich beim Verlassen der Gasse nicht an seinen Arm. Es störte, irritierte ihn. Hatte er was falsch gemacht? Was hatte er falsch gemacht?

"Also, du wirst den König heiraten, aber weiterhin Herrscherin über Unterland sein, richtig? Das heißt, dass du ab und an in dein eigenes Reich zurückkehren musst, um nach dem Rechten zu sehen. Du bleibst ab sofort nicht für immer und ewig hier, oder?"

Ein König der seine Königin nicht mal anständig empfangen konnte war wirklich erbärmlich.

Zu glauben dass dieser Mann sein Vater wäre, war noch viel erbärmlicher, aber Karma konnte den Gedanken trotzdem nicht loslassen, wollte den Gedanken nicht loslassen. Ob er diesen König wohl einfach fragen konnte? Er wollte kein warum hören, Ausreden konnten Geschehenes auch nicht ändern. Er wollte einfach nur wissen, ob sein Blut wirklich mit der Linie des Verräters übereinstimmte, ob er (ein Prinz war und die Krone theoretisch gewaltsam an sich reißen konnte) ein Mensch oder ein Dämon war, ob all die Jahre in denen er sich anders gefühlt hatte berechtigt waren oder nicht.

Und er wollte erfahren warum die Lady Gakkushú als Prinzen bezeichnet hatte, was seine Rolle hier war, von welcher Krönung die Rede war. Warum dieses Monster Diamanten blutete.

Seine Hand wurde fester gedrückt, er drehte sich zur Vampirin hin.

"Natürlich komme ich zurück, mindestens 4 Tage pro Monat - schließlich kann ich mich jetzt jederzeit nach Anderland zurück teleportieren, die Entfernung wird ein Kinderspiel sein. Wirst du mich besuchen, wenn ich wieder in Unterland bin? Ich kann nach dir schicken lassen! I-ich kann dich natürlich auch selbst abholen, immerhin gehört es sich für ein Haustier nicht, so arrogant zu sein und sein Herrchen einfach - Karma?"

Er hatte sie näher gezogen, fühlte sich nun selber so wie eine Katze, entschlossen, nicht loszulassen.
Es war wirklich seltsam. Obwohl sie eiskalt sein müsste, war es als ob sie die schönste Wärmequelle war, die er je gehabt hatte. Wie ein loderndes Feuer mitten im Winter.

"Ach richtig, Nagisa, welcher Tag ist heute eigentlich?"

Ob die Ferien schon vorbei waren? Ob seine Mutter und Mr. Asano schon Zuhause waren, sich sorgen um sie machten? Es konnte eigentlich noch gar nicht sein, sie hatten in der anderen Dimension keine Sekunde verloren, davor die Wüstenstadt und die Insel - zumindest laut seiner Rechnung konnten nicht mehr als zwei Wochen vergangen sein. Dabei war es ihm vorgekommen wie mehrere Monate, gar Jahre, bei all dem, was er erlebt hatte...

"Der 27. November."

Semesterferien hatten am 08. November begonnen, gingen zwei Wochen. Er fehlte also bereits gute 5 Tage in der Schule. Ihre Eltern hatten die Flitterwochen entweder schon längst abgebrochen, oder waren gerade dabei, ihre letzten 'friedlichen' Tage zu verbringen, sich nach und nach zum Aufbruch bereit zu machen. Soviel zum Thema niemanden Sorgen zu machen.
Aber... wieso so viele Tage?

"Ich dachte, die Zeit in der anderen Dimension zählt hier nicht? Wie kommt es, dass wir dann so viele Tage weg waren?"

Nun ließ sie seine Hand völlig los, wirkte eingeschnappt, gar enttäuscht. Hatte er etwas grundlegendes übersehen, sah nun aus wie der letzte Trottel?

"Aber das weiß doch jedes Kind. Die erste Teleportation nach Anderland fordert von jedem einen Zeitverlust, eine Summe zwischen 7 - 15 Tagen. Unterrichten eure Schulen denn wirklich gar nichts?"

Sein Kopf wurde von hinten getätschelt, aus dem Nichts heraus. Ein Mann, gekleidet in denselben grauen Sachen wie alle anderen stand plötzlich neben ihm, lächelte ihm zu, die Ruhe in Person. Noch bevor Karma sich entschieden hatte was er tun sollte, (er hatte überhaupt nicht reagieren können. Wenn dieser Vampir ihn hätte angreifen wollen...) zog Nagisa ihn hinter sich, bestimmend und kraftvoll.

Lachend hob der Vampir seine Hände hoch, trat einen Schritt nach hinten. Seine Kapuze fiel ihm dabei vom Kopf, zeigte seine blauen, gar grauen Haare, die genauso farblos wirkten wie der Rest hier.

Es passte nicht.

"Aber aber, wer wird denn gleich. Ich dachte nicht, dass du mittlerweile den Schutz ihrer Majestät nötig hast um einen Vampir zu erledigen. Fast wie ein kleines Haustier, denkst du nicht?"

Nagisa, nicht im Geringsten beeindruckt von den Worten des Mannes, befahl ihm kühl, dass er sich zu erkennen zugeben hatte. Der Vampir erstarrte nicht zu Eis, blieb genau so wie er war, lächelnd, die Augen geschlossen, als würde er es nicht nötig haben zu sehen.

"Vor allem da du so viel gewachsen bist, seit unserer letzten Begegnung - zumindest einer echten Begegnung. Und wie es scheint, bist du immer noch ein kleiner Dieb, was?"

Der Vampir trat, die Hände immer noch erhoben, wieder näher, ignorierte die blauhaarige Prinzessin völlig. Es passte nicht.

"Deinem eigenen Bruder einfach die Braut zu stehlen, geht das nicht ein bisschen zu weit? Du hättest lieber bei Zuckerwatte und Münzen bleiben sollen, Karma."

Es passte ganz und gar nicht.

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